Versicherungen:Erst absichern, dann Vermögen aufbauen

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Junge Familien werden von Banken und Finanzvermittlern mit Angeboten überhäuft. Doch welche Versicherungen brauchen junge Familien wirklich?

Brigitte Watermann

Kinder machen viel Freude, kosten aber auch viel Geld - genauer gesagt durchschnittlich 549 Euro im Monat, wenn man dem Statistischen Bundesamt glauben darf. Diese Summe mussten Eltern nach den letzten Berechnungen für ein Einzelkind aufbringen. Klar, dass kühle Rechner schnell dabei sind, mit Finanzprodukten für die spätere Ausbildung der Kinder zu sparen.

Doch Verbraucherschützer raten zu einer anderen Vorgehensweise: Eine junge Familie sollte sich als erstes Gedanken über ihre Risikoabsicherung machen. Das hat Vorrang vor dem Vermögensaufbau, der Altersvorsorge oder dem Sparen für die Ausbildung. Der Blick sollte sich dabei zunächst auf existenzbedrohende Risiken richten, die den finanziellen Ruin der Familie bedeuten könnten.

"Versicherungsschutz sollte man nach dem GAU-Prinzip aufbauen", rät Elke Weidenbach, Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Zu diesem "größten anzunehmenden Unfall" zählen die Risiken Krankheit, Haftpflicht, Tod und Invalidität. Der Verlust des Reisegepäcks gehört beispielsweise nicht dazu.

Privathaftpflicht ist die wichtigste Police

Ein absolutes Muss sind also die Krankenversicherung und die Privathaftpflicht. Erstere ist in Deutschland zum Glück mittlerweile selbstverständlich. Letztere dagegen wird immer noch viel zu selten abgeschlossen.

Tatsächlich besitzen mehr deutsche Haushalte eine Hausrat- als eine Privathaftpflichtpolice. Dabei ist die Privathaftpflicht die wohl wichtigste Police; eine Familie benötigt sie unbedingt. Denn grundsätzlich haftet jeder mit seinem Gesamtvermögen für Schäden, die er angerichtet hat.

Die umgestoßene Lautsprecherbox beim Nachbarn ist zwar ärgerlich, lässt sich aber zumeist finanziell verschmerzen. Anders sieht es aus, wenn ein Familienmitglied durch unachtsames Verhalten einen anderen Menschen schwer verletzt. Dann muss diesem eventuell ein Leben lang eine Rente gezahlt werden. Steht man in solchen Situationen ohne Versicherungsschutz da, bedeutet dies oft den Ruin.

Unterschätztes Risiko

Auch eine Risikolebensversicherung ist gerade für Alleinerziehende und Familien mit Kindern sehr wichtig: Stirbt der Hauptverdiener, stehen die Hinterbliebenen oft nicht nur vor einer menschlichen, sondern auch einer finanziellen Katastrophe. Besonders schlimm, wenn noch das Haus abzuzahlen ist.

Die Risikolebensversicherung mildert zumindest die finanziellen Folgen. Da sie nur das Sterberisiko abdeckt, sind die Beiträge erschwinglich; es wird kein Kapitalstock aufgebaut, der nach Auslaufen des Vertrags ausbezahlt würde. Manche Kunden ärgert diese Vorstellung.

Doch Verbraucherschützer warnen davor, sich statt der Risikolebensversicherung eine viel teurere Kapitallebenspolice aufschwatzen zu lassen, bei der auch Geld angespart wird. Denn die Todesfallsummen sind dort meist zu niedrig, um eine Familie abzusichern. Und für den Vermögensaufbau, für den Kapitallebensversicherungen oft gepriesen werden, gibt es renditestärkere und flexiblere Lösungen.

Für Erwerbstätige zählt außerdem die Absicherung gegen Berufsunfähigkeit zu den Muss-Policen. "Das Risiko, berufsunfähig zu werden, wird massiv unterschätzt", sagt Lilo Blunck, Geschäftsführerin der Verbraucherschutzorganisation Bund der Versicherten.

Die Zahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind nur ein Notbehelf - wenn sie überhaupt fließen. Denn wer 1961 oder später geboren ist, bekommt bei Berufsunfähigkeit vom Staat keinen Cent.

Die volle, aber magere Leistung gibt es lediglich dann, wenn man nicht bloß für eine Stelle in seinem ausgeübten Beruf ausscheidet, sondern allgemein erwerbsunfähig ist und nur noch weniger als drei Stunden täglich arbeiten kann.

Sparen und Absichern entkoppeln

Wichtig für Familien ist auch eine Unfallversicherung für Kinder. Denn die gesetzliche Unfallversicherung greift erst bei Kindern ab drei Jahren auf dem Weg zum Kindergarten oder zur Schule, nicht aber im privaten Bereich.

So mancher Anbieter schließt in den Versicherungsschutz auch Infektionskrankheiten wie die durch Zecken übertragene FSME oder Borreliose mit ein. Empfehlenswert, wenn auch kein Muss, sind Kinderinvaliditätsversicherungen, die das Risiko einer schweren Erkrankung abdecken.

Statistisch betrachtet führen bei Kindern schwere Krankheiten deutlich häufiger zu einer dauerhaften Beeinträchtigung der Gesundheit als Unfälle. Solche Invaliditätsversicherungen springen ein, wenn ein Kind dauerhaft behindert bleibt, und zahlen dann eine lebenslange monatliche Rente oder auch einmalig einen hohen Betrag. Invaliditätsversicherungen sind allerdings deutlich teurer als Unfallpolicen.

Ein noch immer beliebtes Kombiprodukt sind Kapitallebenspolicen, die unter dem Namen Ausbildungsversicherung - früher oft auch als Aussteuerversicherung - angepriesen werden. Verbraucherschützer raten davon grundsätzlich ab; Eltern sollten besser Sparen und Absichern entkoppeln. Die Renditen dieser Policen sind meist mäßig, man bindet sich auf Jahre, und im Notfall kommt man nur mit herben Einbußen an sein Geld.

Und noch ein Problem: Versicherte Personen sind aus rechtlichen Gründen zumeist ein Eltern-oder gar Großelternteil. Je älter aber die versicherte Person, desto höher fällt der Beitragsanteil aus, der für den Todesfallschutz abgezweigt wird. Die Rendite auf den Gesamtbeitrag gerechnet wird so verringert.

Fonds fürs Alter

Hoher Absicherungsbedarf hin oder her - auch als Familie ist es ratsam, dranzubleiben beim Sparen für das Alter oder für die Zukunft der Kinder. Besonders flexibel bleibt man mit gut verzinsten Tagesgeldkonten und Sparplänen auf renditestarke Investmentfonds.

Tagesgeldkonten sind insbesondere dazu geeignet, auf kürzere und mittlere Sicht Geld zu parken - zum Beispiel für den Kauf eines neuen Kinderzimmers. Fonds lassen sich dagegen zum einen für die private Altersvorsorge der Eltern einsetzen, zum anderen sind sie auch als Startpolster für den Nachwuchs bestens geeignet.

Wer es sich leisten kann, legt monatlich das Kindergeld oder einen Teil davon mit Hilfe von Fondssparplänen an. Oder die Großeltern sparen mit für die künftigen Kosten eines Studiums. Was in der Erziehung richtig ist - Sicherheit und Geborgenheit -, ist bei der Geldanlage für Kinder der falsche Ansatz: Sie sind ideale Langfristanleger.

Daher darf der Anteil riskanter, aber chancenreicher Investments hoch ausfallen. Fonds mit einem höheren Aktienanteil sind daher gut geeignet und bieten auf lange Sicht acht bis neun Prozent Rendite pro Jahr.

Auch staatlich geförderte Riester-Verträge sind für Familien besonders interessant: Ehepartner, die nicht berufstätig sind, können auch dann in den Genuss der Riester-Förderung kommen, wenn sie selbst nichts investieren - sofern sie verheiratet sind und ihr Partner sozialversicherungspflichtig beschäftigt oder Beamter ist.

Dann kann der erwerbstätige Ehegatte einen Riester-Vertrag für sich abschließen, in den er nur den nötigen Mindestbeitrag einzahlt. Daneben schließt er für seinen Partner einen weiteren Vertrag ab; der Partner erhält dann die staatlichen Zulagen für sich und für die Kinder, muss aber selbst nichts einzahlen. Je mehr Kinder, desto interessanter ist dieses Modell.

© SZ vom 31.10./01.11.2007/bpr/mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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