Verbriefung:Banken sehnen Revival herbei

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Deutsche Privatbanken wollen den Verkauf von Darlehen erleichtern. Das weckt böse Erinnerungen, könnte aber dabei helfen, eine Kreditklemme zu verhindern.

Harald Freiberger, Frankfurt

Diese Wörter haben auch zweieinhalb Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise nichts von ihrem Schrecken verloren: Verbriefungen, Asset Backed Securities (ABS), Zweckgesellschaften. Es hat sich herumgesprochen, dass es solche Instrumente waren, die die weltweite Finanzkrise ausgelöst haben. Ihr schlechter Ruf wird für Banken und Unternehmen zunehmend zum Problem. Denn eigentlich könnten die Instrumente dazu beitragen, die derzeit größte Gefahr für die deutsche Wirtschaft zu lindern: die drohende Kreditklemme.

Die deutschen Privatbanken haben am Montag einen Plan vorgestellt, um den Verbriefungsmarkt wieder anzukurbeln. Das soll über ein Gütesiegel geschehen, das dafür sorgen soll, dass keine windigen Kredite verbrieft werden. Verbriefungen können die Banken beim Eigenkapital entlasten; sie gewinnen dadurch Spielraum, mehr Kredite an den Mittelstand zu vergeben.

Branche liegt brach

"Die Wiederbelebung des Verbriefungsmarktes ist eine Voraussetzung, um die Kreditklemme zu verhindern", sagte Andreas Schmitz, der Präsident des Bundesverbands deutscher Banken, schon im Dezember. In der Finanzbranche gibt es kaum jemanden, der anderer Meinung wäre.

Auch die Bundesregierung erklärte sich im Koalitionsvertrag bereit, dem Verbriefungsmarkt auf die Beine zu helfen. Zuletzt geriet das Thema allerdings etwas in Vergessenheit. Stattdessen trat der Mittelstandsfonds der Deutschen Bank in den Vordergrund; dessen Volumen von 500 Millionen Euro ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Ein wieder funktionierender Verbriefungsmarkt könnte mehr bringen. Noch liegt dieser Markt brach: 2008 wurden in Deutschland Kredite über 75 Milliarden Euro verbrieft, 2009 waren es nur noch rund 30 Milliarden Euro. "Wenn Banken im großen Volumen verbriefen können, fördert dies die Kreditvergabe", sagt Stefan Ziese, der bei der Commerzbank die Abteilung für Verbriefungen leitet.

Trend seit den 90er Jahren

Üblich ist das Verbriefen von Krediten in Deutschland seit Mitte der 90er Jahre. Verbrieft werden können Firmenkredite ebenso wie private Immobilien- oder Autokredite. Beim Verbriefen bündelt die Bank mehrere Darlehen und verkauft diese über eine Zweckgesellschaft an Anleger.

Ein Beispiel: Eine Großbank hat 3000 Kredite über insgesamt eine Milliarde Euro an mittelständische Unternehmen vergeben. Sie verbrieft diese und bringt sie in Form einer Anleihe an den Kapitalmarkt. Damit können institutionelle Anleger Geld in diese Kredite investieren.

Da die Kredite unterschiedlich ausfallgefährdet sind, bringt die Bank drei Tranchen auf den Markt: Für die zehn Millionen Euro mit den riskantesten Krediten erhalten Anleger sechs Prozentpunkte über dem gängigen Marktzins, für die 90 Millionen Euro mit mittlerem Risiko drei Prozentpunkte darüber und für die 900 Millionen Euro relativ sicheren Kredite 0,15 Prozentpunkte darüber. Fallen Kredite aus, tragen die Investoren das Risiko: zunächst jene in der untersten, höchstverzinsten Tranche, dann wandert das Risiko nach oben.

Für die Bank hat das Verbriefen einen großen Vorteil: Sie hat das Risiko nicht mehr in ihren eigenen Büchern, es geht auf die Anleger über. Dadurch wird Eigenkapital frei, weil die Bankenaufsicht vorschreibt, dass Kredite mit acht Prozent Eigenkapital unterlegt werden müssen, um möglichen Ausfällen vorzubeugen.

Verbrieft eine Bank Kredite über eine Milliarde Euro, werden also 80 Millionen Euro Eigenkapital frei - Geld, mit dem die Bank wieder neue Kredite ausreichen kann. Viele Institute sind derzeit nämlich gar nicht mehr in der Lage, zusätzliche Kredite zu vergeben, selbst wenn sie es wollten: Das Aufsichtsrecht verbietet es ihnen.

Doch wenn Banken Kredite in größerem Umfang verbriefen wollen, müssen die Investoren mitspielen. Ohne Nachfrage kein Angebot. Und das ist das Problem. Wörter wie ABS oder Verbriefung verbreiten noch zu viel Schrecken. "Die Portfoliomanager von Versicherungen oder anderen Großunternehmen könnten es in vielen Fällen intern nur schwer vermitteln, wenn sie wieder in verbriefte Produkte investieren würden", sagt Commerzbanker Ziese.

Bankenverband schraubt am Image

Er bedauert diesen Umstand, weil deutsche und amerikanische Verbriefungen völlig unterschiedlich seien: "In Deutschland gibt es gar keine Subprime-Kredite, also Baufinanzierungen, hinter denen wenig Substanz steht." Entsprechend seien selbst in der Finanzkrise verbriefte Produkte aus Deutschland kaum ausgefallen. Deutsche Banken litten hauptsächlich darunter, dass sie in die amerikanischen Subprime-Papiere investiert hätten. Das werde aber vielfach als Problem von Verbriefungen aus Deutschland missverstanden, bedauert Ziese.

Für Markus Becker-Melching, Geschäftsführer beim Bankenverband, geht es deshalb vor allem darum, "Verbriefungen vom Brandgeruch der Finanzkrise zu befreien". Deshalb sollen nach dem Modell der Privatbanken vor allem Wiederverbriefungen verboten werden. In den USA waren Papiere immer wieder gebündelt und neu strukturiert worden, so dass am Ende die Risiken überhaupt nicht mehr zu überblicken waren. Den Banken, die diese Papiere kauften, bescherte das Verluste in Milliardenhöhe.

Die Verbriefungsbranche in Deutschland haftet also für die amerikanischen Verfehlungen mit, obwohl sie sich selbst weniger zu Schulden hat kommen lassen. Mit dem neuen Qualitätsstandard will der Bankenverband nun dabei helfen, das schlechte Image zu beseitigen.

© SZ vom 02.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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