USA: Der Billion-Dollar-Plan:Obama spielt mit Mephisto

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Gefährliches Bündnis: Die US-Regierung braucht die Spekulanten. Was taugt der Geithner-Plan? Fragen und Antworten.

Moritz Koch, New York

Weltweit hatten Investoren auf diesen Tag gewartet: US-Finanzminister Timothy Geithner hat die zweite Stufe des Stabilisierungsprogramms für die Wall Street bekannt gegeben. Statt wie in der ersten Phase Kapital in klamme Banken zu pumpen, will die Regierung ihnen diesmal faule Kredite und unverkäufliche Wertpapiere abnehmen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum sogenannten Geithner-Plan:

US-Finanzministerium in Washington: Die amerikanische Regierung pumpt eine Billion Dollar in die Finanzmärkte. (Foto: Foto: AFP)

Wie genau sieht der Plan aus?

Das Finanzministerium will mit Hedgefonds und anderen Spekulanten gemeinsame Investitionsfirmen gründen. Auch die Einlagensicherung FDIC und die US-Notenbank werden eingebunden. Geld aus dem Staatshaushalt soll mit privatem Kapital kombiniert werden, um Banken möglichst viele Altlasten abkaufen zu können. Die Regierung will anfangs 100 Milliarden Dollar einsetzen, um gemeinsam mit den Investoren Wertpapiere und Kredite für 500 Milliarden Dollar zu kaufen. Später könnte das Volumen auf eine Billion Dollar ausgeweitet werden. Damit könnte etwa die Hälfte aller faulen Wertpapiere erworben werden, die in den US-Banken lagern. Mögliche Gewinne und Verluste will sich die Regierung mit ihren privaten Partnern teilen.

Um welche Wertpapiere geht es?

Amerikas Banken haben massenweise Hypotheken aufgekauft und zu Wertpapieren verpackt. Für diese Anlagen finden sie keine Käufer mehr, seit die Immobilienkrise in den USA ausgebrochen ist. Niemand weiß, wie viele Amerikaner ihre Hypotheken nicht zurückzahlen werden. Je länger die Banken ihre faulen Wertpapiere horten, desto misstrauischer werden ihre Gläubiger. Inzwischen gibt es kaum noch Investoren, die bereit sind, Finanzkonzernen Geld zu leihen. Immer mehr US-Banken gehen pleite. Allein in diesem Jahr waren es schon 20. Hinzu kommt: Wegen der Rezession werden mehr und mehr Kredite faul, die die Banken an Unternehmen verliehen haben.

Wieso sollen Hedgefonds faule Kredite und Wertpapiere kaufen?

Die Spekulanten würden quasi darauf wetten, dass die Krise ein Ende findet. Sollte sich der Immobilienmarkt erholen, würden die Preise der Wertpapiere und Kredite steigen. Gelingt es den Investoren, die Anlagen zu einem billigen Preis zu kaufen, könnten sie einen hohen Gewinn erzielen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum der Staat den Spekulanten hilft - und warum sich das Finanzsystem ohne staatliche Eingriffe nicht erholen kann.

Warum hilft der Staat Spekulanten?

Die Fehlinvestitionen der Banken gelten als Hauptursache der Finanzkrise. Für viele Ökonomen sind sie die Wurzel allen Übels. Erst wenn die Bilanzen der Banken gereinigt sind, vergeben sie neue Darlehen an Unternehmen und Konsumenten. Die Banken haben zwar längst erkannt, dass viele ihrer Finanzprodukte nicht mehr soviel wert sind, wie sie einmal waren. Sie wären bereit, viele ihrer Anlagen mit einem Abschlag von 40 Prozent zu verkaufen. Doch das ist den Hedgefonds zu wenig. Sie fordern Nachlässe von etwa 70 Prozent. Bisher konnten diese unterschiedlichen Preisvorstellungen nicht überbrückt werden. Hedgefonds scheuen weiteres Risiko, Banken weiteren Nachlass. Die Regierung hofft, dass Subventionen dabei helfen, Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen, damit es endlich gelingt, die faulen Papiere aus den Bilanzen der Banken zu entfernen.

Wird der Plan funktionieren?

Daran gibt es Zweifel. Bisher scheiterten die Versuche der Regierung, faule Wertpapiere zu kaufen, weil die Beamten den wahren Wert dieser Anlagen nicht ermitteln konnten. Geithner setzt nun auf das Know-how der Wall Street. Sie könne Risiken am besten einschätzen und bewerten, sagt er. Ob er damit Recht behält, muss sich erst noch zeigen. Überhaupt ist es in der derzeitigen Lage schwer, Spekulanten zu einer Zusammenarbeit mit der Regierung zu überreden. Die wütende Reaktion Washingtons auf die Bonuszahlungen bei dem Versicherungskonzern AIG hat die Wall Street verunsichert. Vor allem die Pläne des Kongresses, mit Strafsteuern auf Boni tief in die Gehaltspolitik von Finanzunternehmen einzugreifen, laufen dem auf Kooperation angelegten Geithner-Plan zuwider. Hedgefonds befürchten, dass sie stärker reguliert werden, wenn sie staatliche Investitionshilfen akzeptieren. Die Regierung versichert ihnen zwar, dass sie von Auflagen verschont blieben. Doch das Beispiel AIG hat viele Investoren gelehrt, dass Washington nicht davor zurückschreckt, die Spielregeln nachträglich zu ändern.

Kann sich die Wirtschaft auch ohne die Wall Street erholen?

Nein, das Finanzsystem ist so etwas wie der Blutkreislauf einer Volkswirtschaft. Seine Aufgabe ist es, Geld dorthin zu transportieren, wo es gebraucht wird. Die US-Banken erfüllen diese Aufgabe kaum noch. Für Geithner "arbeitet das US-Finanzsystem immer noch gegen die wirtschaftliche Erholung". Konzerne, Mittelständler und Privathaushalte sind von der Geldversorgung abgeschnitten. Das Ergebnis sind Millionen verlorener Arbeitsplätze und eine der schärfsten Rezessionen seit Generationen.

© SZ vom 24.03.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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