US-Rettungspaket:Nehmen, aber nicht geben

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In den USA tätige deutsche Banken wollen vom milliardenschweren US-Rettungspaket profitieren: Finanzminister Steinbrück soll sich dafür in Washington einsetzen - obwohl Deutschland nicht mitzahlt.

Nach dem Zusammenbruch der US-Bank Washington Mutual (WaMu) hat der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) auf die Verlässlichkeit der deutschen Sparkassen verwiesen und die Kunden beruhigt.

"Kein Anleger muss sich Sorgen um Einlagen bei seiner Sparkasse machen. Diese sind sicher", sagte DSGV-Präsident Heinrich Haasis am Freitag in Berlin.

Nicht mit Sparkassen verbunden

Bei dem Bankkonzern WaMu handele es sich nicht um eine Sparkasse im deutschen Sinne. "Weder entspricht das Geschäftsmodell denen der deutschen Sparkassen, noch ist dieses Kreditinstitut mit den deutschen Sparkassen verbunden", hieß es.

Am Donnerstagabend hatte die US-Sparkassenaufsicht bekanntgegeben, dass Washington Mutual in einem Notverkauf zu weiten Teilen von J.P. Morgan Chase übernommen wird. Das Institut hatte in der Kreditkrise Milliardenverluste erlitten und keine ausreichende Liquidität mehr.

Allein in diesem Jahr büßte WaMu mehr als 90 Prozent ihres Börsenwertes ein. Eine Herabstufung der Ratingagenturen verschärfte die Situation. Zuletzt hoben die Kunden nach Angaben der Aufsicht insgesamt 16,7 Milliarden Dollar an Guthaben ab und brachten so das Institut in eine bedrohliche Lage.

Ein Stück vom Kuchen

Finanzkreisen zufolge wollen in den USA tätige deutsche Banken von dem milliardenschweren Rettungsprogramm der US-Regierung profitieren. Spitzenvertreter der deutschen Kreditwirtschaft hätten Bundesfinanzminister Peer Steinbrück bei einem Treffen am Donnerstag gebeten, sich hierfür in Washington einzusetzen, berichtete ein Teilnehmer am Freitag.

Die USA wollen den Banken faule Hypothekenkredite im Volumen von 700 Milliarden Dollar abkaufen, um sie von den Risiken zu entlasten. Im US-Kongress ist das Paket aber noch umstritten. Zudem sind noch viele Details ungeklärt, wie etwa die Frage, inwiefern sich ausländische Banken wie die Deutsche Bank beteiligen können. Dies könnte auch davon abhängen, ob es in anderen Ländern ähnliche Angebote für US-Institute geben wird.

Steinbrück machte bereits deutlich, dass in Deutschland und Europa ein ähnliches Programm nicht aufgelegt werde.

Führende Manager der deutschen Kreditwirtschaft hatten am Donnerstag zweieinhalb Stunden mit Steinbrück in Berlin über die Folgen der internationalen Finanzkrise beraten. Dabei sei es nicht um neue Krisenfälle in Deutschland gegangen, sagte ein weiterer Teilnehmer. Vertreter der Aufsichtsbehörden hätten vielmehr deutlich gemacht, dass das deutsche Bankensystem stabil sei.

Dax fällt

An den Börsen führte die Unsicherheit über die Entwicklungen in der US-Finanzkrise am Freitag zu einer schwachen Eröffnung. Neben dem WaMu-Zusammenbruch hatten sich zudem die Verhandlungen über das 700 Milliarden Dollar schwere Rettungspaket der US-Regierung am Vorabend festgefahren.

Der Dax beschleunigte am Freitag seine Talfahrt und fiel bis zum Mittag um 2,2 Prozent auf 6035 Punkte. Der MDax fiel auf ein Zweijahrestief: Der Index für die Nebenwerte rutschte um fast zwei Prozent auf 7305 Punkte ab und notierte damit so niedrig wie seit Juni 2006 nicht mehr. Seit Jahresbeginn hat der MDax rund 25 Prozent verloren - ähnlich viel wie der Dax. Der TecDax verlor 1,70 Prozent auf 737,80 Punkte.

EZB pumpt Milliarden in den Markt

Die Europäische Zentralbank (EZB) stellte eine weitere Liquiditätsspritze für den ausgetrockneten Dollar-Geldmarkt bereit. Es handelt sich um 35 Milliarden Dollar mit einwöchiger Laufzeit, wie die Europäische Zentralbank am Freitag mitteilte. Mit dem Geld will sie die Situation auf dem Geldmarkt über das Quartalsende beruhigen.

Laut der Mitteilung stellt die EZB maximal 35 Milliarden Dollar in Form eines Zinstenders mit siebentägiger Laufzeit zur Verfügung. An der konzertierten Aktion beteiligten sich die Bank of England mit weiteren 30 Milliarden Dollar und die Schweizerische Nationalbank mit neun Milliarden. Die Auktionen wurden am Freitag durchgeführt.

Nach den kürzlich gestarteten Dollar-Liquiditätsspritzen für den Tagesgeldmarkt geht es bei der neuen Aktion darum, dem Liquiditätsdruck über das Quartalsende entgegenzutreten.

An den Börsen sind die Finanzwerte laut Händlern das Tagesthema und andere Nachrichten rücken stark in den Hintergrund. In einem Kommentar der Landesbank Berlin hieß es: "In den nächsten Tagen dürften die Diskussionen um das US-Rettungspaket mit den Aktienmärkten Jojo spielen."

Asiatische Börsen im Minus

Ausdruck finde die Belastung durch die neuen Entwicklungen auch in der negativen Vorgabe: Der Future auf den Dow Jones Industrial lag 192 Punkte unter seinem Stand vom Xetra-Schluss am Vortag.

Die Aktienbörse in Tokio gab am Freitag angesichts der Skepsis am Markt über das US-Rettungspaket für den Bankensektor nach. Der 225 führende Werte umfassende Nikkei-225-Index fiel um 0,94 Prozent und ging beim Stand von 11.893,16 Punkten ins Wochenende. Der breit gefasste Topix büßte 0,53 Prozent auf 1147,89 Punkte ein. Die Börse in Tokio schloss mit minus 0,94 Prozent schwach.

Die Aktien der deutschen Banken rauschten am Morgen in die Tiefe: Hypo Real Estate (HRE) standen mit minus 3,81 Prozent auf 14,38 Euro am Dax-Ende, Commerzbank büßten 2,35 Prozent auf 15,185 Euro ein und Deutsche Bank verloren 1,34 Prozent auf 55,250 Euro.

Händler verwiesen auf die neuerlichen Verschlechterung in der Entwicklung der US-Finanzkrise. Während die Rettungsaktion für WaMu in ersten Reaktion gemischt aufgenommen wurde, sind sich die Experten mit dem Blick auf das Rettungspaket einig: "Das Rettungspaket muss schnell durch - am besten allerspätestens bis Montag."

Robert Halver, Kapitalmarktanalyst bei der Baader Bank, kommentierte: "Jetzt ist keine Zeit für Wahlkampfgeplänkel. Die Kuh muss vom Eis, und zwar sofort." Es werde spekuliert, der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain habe die Verhandlungen aus wahlkampftaktischen Gründen scheitern lassen.

© sueddeutsche.de/dpa/dpa-AFX/Reuters/AP/jkr/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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