Umstrittener Umbau:Gratwanderung zwischen den Jahrhunderten

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Unaufdringlich und homogen: Der neugestaltete Alte Hof in München will denkmalgeschützte Tradition mit moderner Klarheit vereinen - und kann es trotzdem nicht allen Recht machen.

Alfred Dürr

Die Baugerüste sind verschwunden, das Geschäft ,,Manufactum'' hat seine Eingangstür geöffnet, und auch die Post ist schon eingezogen. Bald kommen noch zwei Frisörläden und ein Bekleidungsshop. In einem der oberen Stockwerke wird gerade der letzte Schliff an eine große, schick designte Kardiologen-Praxis gelegt.

Angenehm unauffälig: Blick auf eine Ecke des Neubaus am Alten Hof. (Foto: Foto: Bayerische Hausbau)

Die Büroflächen in dem Komplex sind zu 50 Prozent vermietet. Langsam können auch die Käufer (darunter viele aus dem Ausland) der 48 Luxuswohnungen mit den Umzugskartons anrücken, denn die individuell zugeschnittenen Wohnungen sind so gut wie fertig.

Neuer Glanz nach zweieinhalb Jahren Bauzeit

Für die Passanten rund um den Marienhof hinter dem Rathaus oder für diejenigen, die über die Sparkassenstraße kommen, ist es deutlich: Nach zweieinhalb Jahren Bauzeit und einigen Jahren Vorausplanungen präsentiert sich der Alte Hof, eines der interessantesten Projekte im Stadtzentrum, in neuem Glanz.

Es ist allerdings ein Glanz, der auch Widerspruch herausfordert. Von Anfang an gab es Kritik an dem Projekt, in das die Bayerische Hausbau 100 Millionen Euro investierte. Bei der ,,Wiederbelebung'' der ehemaligen Kaiserresidenz Ludwigs IV, also der Keimzelle Bayerns, stehe der Kommerz zu stark im Vordergrund, hieß ein zentraler Kritikpunkt.

Moderne Büroräume lösen hässliche 50er-Jahre Komplexe

Der Alte Hof besteht aus fünf Flügeln, zwei von ihnen, die denkmalpflegerisch besonders wertvollen Gebäudeteile (mit staatlichen und kulturellen Institutionen sowie einem Fränkischen Restaurant) hat der Freistaat bereits saniert. Die Kosten wurden durch die Vergabe der anderen Grundstücke an den Investor gedeckt.

Es verschwanden die hässlichen Komplexe aus den 50er und 60er Jahren, dort war lange Zeit das Finanzamt untergebracht. Der Investor hat die Flügel im Innern aufwändig umgestaltet beziehungsweise abgebrochen und neu aufgebaut. Dort sind Büroräume, Geschäfte, Praxen und Wohnungen.

Stadtbaurätin Christiane Thalgott zeigte sich gestern bei einem Rundgang sehr angetan vom fertigen Produkt: Die Verbindung aus Alt und Neu sei gut gelungen. Der Stadtrat habe immer Wert darauf gelegt, dass der historische Hintergrund des Alten Hofs nicht verloren gehe: ,,Wir bauen so viel in München und müssen deswegen auch die Traditionsschichten im Stadtbild erhalten.''

Zurückhaltende Formensprache aus Respekt vor "geschichtlichen Raum"

Die Formensprache der neuen Architektur im Alten Hof nehme sich im Interesse des ,,geschichtlichen Raumes'' deutlich zurück, sagt Architekt Fritz Auer (München), der den Wohntrakt entlang der Sparkassen- und Pfisterstraße geplant hat. Er stellt vor allem heraus, dass es einen neuen Durchgang in Richtung Ledererstraße gibt - ,,das ist ein dramatischer Durchblick'' - und damit durch den Alten Hof auch eine Querung vom Marienhof her möglich ist.

Den vorderen Gebäudeteil, neben der reich verzierten Fassade des Dallmayr-Hauses, entwarf der Kölner Architekt Peter Kulka. Das Haus wirkt klassisch schlicht, sogar karg. ,,Neben der Opulenz, dem Prächtigen, gibt es in Bayern eben auch diese Kargheit'', sagt er. Das sei doch auch schön in einer Welt, die ohnehin immer komplizierter werde. Im Innern ist das Gebäude sehr modern. Kulka: ,,Das Hightech-Dach ist konstruiert wie eine Autokarosserie.'' Die Glasfronten sind von beiden Seiten mit einem Muster beschichtet - ,,nach einem Zufallsprodukt aus unserem Computer''.

Klare Schlichtheit statt gigantischer Leuchtkörper

Gerade um die Dachgestaltung hin zum Marienhof hatte es im Vorfeld viel Aufregung gegeben. Vorgesehen war zunächst ein rautenförmiges Tragwerk aus Holz und Glas, das nachts erhellt sein sollte. Dieser gigantischen Leuchtkörper stieß bei der Stadt auf heftigen Widerspruch: Er vertrage sich nicht mit der Dachlandschaft der Altstadt.

Nun ist die Konstruktion weit weniger auffällig gestaltet. Insgesamt 1700 Quadratmeter Fläche umfasst das repräsentative Dachgeschoss. Ein Interessent verhandelt wohl auch schon intensiv über die Mietkonditionen. Wer es ist, verschweigt die Hausbau aus Gründen der Diskretion.

Jedenfalls sei das Interesse am neuen Alten Hof sehr groß, sagt Projektleiter Ulrich Pietzsch von der Hausbau. Und er stellt dabei eine Polarisierung fest: ,,Entweder er gefällt den Leuten oder er gefällt ihnen nicht. Eine Mitte gibt es in diesem Fall nicht.''

© SZ vom 27.09.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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