Überraschung in Frankfurt:EZB ebnet Weg für weitere Zinssenkung

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Im November wird die Europäische Zentralbank wohl zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen die Zinsen zurücknehmen - um der Finanzkrise Herr zu werden.

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet machte dafür am Montag mit überraschend deutlichen Worten den Weg frei. "Ich denke, es ist möglich, dass der EZB-Rat bei seinem nächsten Treffen die Zinsen einmal mehr herunternimmt", sagte Trichet in Madrid.

Jean-Claude Trichet: "Ich denke, es ist möglich." (Foto: Foto: Reuters)

Experten sehen dies als klaren Hinweis auf einen Zinsschritt. Seit der gemeinsamen Zinssenkung der wichtigsten internationalen Zentralbanken Anfang Oktober seien die Inflationsrisiken weiter gesunken. Dagegen schwäche sich das Wirtschaftswachstum ab, sagte Trichet.

Diesem gelte derzeit die Hauptsorge der Währungshüter. Vor allem die Aussichten auf mittlere Sicht stimmten ihn nicht gerade zuversichtlich, räumte der Notenbankchef ein. Zwar werde auch die Teuerung noch eine Weile über dem Stabilitätsziel der EZB von knapp unter zwei Prozent bleiben.

Ratstagung am Donnerstag

Im Laufe des kommenden Jahres sei jedoch mit einer Beruhigung zu rechnen. Die EZB treffe jedoch alle ihre Entscheidungen immer auch mit Blick auf die Inflation. Es sei in jedem Fall essenziell, eine breit angelegte Preis-Lohn-Spirale zu verhindern, weil diese der Wirtschaft noch mehr Schaden zufüge.

Der EZB-Rat entscheidet Donnerstag kommender Woche über den Leitzins. Experten rechnen mit einer weiteren Reduzierung des Schlüsselzinssatzes um wahrscheinlich erneut einen halben Prozentpunkt auf 3,25 Prozent.

Entsprechend wenig überrascht reagierten sie auf die Äußerungen Trichets in Madrid: "Das war erwartet worden. Eine schnelle Zinssenkung ist an den Märkten bereits eingepreist. Trichet wollte offenbar den Märkten eine gewisse Bestätigung und Stabilität geben", sagte Devisenanalyst Jan Holthusen von der DZ Bank.

Der Zins, zu dem sich die Banken Geld bei der EZB besorgen können, steht seit dem 8. Oktober bei 3,75 Prozent. An diesem Tag hatten EZB, die US-Notenbank Federal Reserve und andere Zentralbanken gemeinsam ihre Leitzinsen gesenkt, um eine weitere Zuspitzung der Finanzkrise zu verhindern und einer Rezession vorzubeugen.

Seitdem sind die Finanzmärkte jedoch nicht zur Ruhe gekommen. In der vergangenen Woche rauschten nicht nur die Aktienmärkte weiter in die Tiefe, sondern auch die Lage am Devisenmarkt verschlechterte sich zusehends.

Der Euro verlor massiv an Wert. Mehrere Notenbanken etwa in Ost- und Nordeuropa, aber auch in Lateinamerika mussten ihre Landeswährungen stützen.

In den USA entscheidet die Fed am Mittwoch über die Zinsen. Experten rechnen mit einer abermaligen deutlichen Senkung. Der Leitzins der Fed steht derzeit bei 1,5 Prozent. Sollte Fed-Chef Ben Bernanke auf 1,0 Prozent nach unten gehen, stünde der US-Leitzins so tief wie 2003, als Bernankes Vorgänger Alan Greenspan mit einer kräftigen Verbilligung des Geldes auf das Platzen der Internetblase an den Börsen reagierte.

Diese Geldschwemme gilt als einer der Auslöser für die aktuelle Krise am US-Immobilienmarkt und die Turbulenzen an den Finanzmärkten.

© sueddeutsche.de/dpa/hgn/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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