Turbulenzen an den Börsen:Tristesse liegt in der Luft

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Wie die Banken weltweit ins Wanken geraten sind - und wie sich die Krise auflösen könnte.

Martin Hesse

Als der erste Stein kippte, hat es noch kaum jemand gehört. Das war irgendwann im vergangenen Herbst - weit weg, in Amerika.

Weil dort die Zinsen stiegen und die Häuserpreise fielen, konnten ein paar arme Schlucker die Raten für ihr auf Pump erworbenes Eigenheim nicht mehr zahlen. Zehn Monate und viele Zahlungsausfälle später hat die Krise mit Getöse fast jeden Zipfel der internationalen Finanzmärkte erreicht und bringt Banken ins Wanken. Wie kann das sein?

Es ist die Geschichte einer Kettenreaktion. Die Probleme am amerikanischen Häusermarkt begannen mit einem Aufschwung. Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 hatte die amerikanische Notenbank die Zinsen auf ein historisches Tief gesenkt.

Geld praktisch zum Nulltarif

Sie lieh den Banken Geld praktisch zum Nulltarif und schürte damit einen Immobilienboom, der die ganze Wirtschaft mit sich riss. Jeder konnte sich plötzlich ein Haus leisten, die Immobilienpreise stiegen, die Menschen fühlten sich reich und konsumierten einen Aufschwung herbei.

Die Banken vergaben schließlich Kredite für den Kauf oder Bau eines Hauses auch an Bürger, die nicht einen Dollar selbst beisteuern konnten. Diese Kredite, auf Englisch subprime mortgages (zweitklassige Hypothekendarlehen) gaben der jetzt eskalierenden Finanzkrise ihren Namen: die Subprime-Krise.

Die Banken vergaben die Kredite auch deshalb so bereitwillig, weil Kreditinstitute heute in vielen Fällen nur noch Kreditvermittler sind. Banken reichen die Forderungen, die sie gegenüber ihren Kunden haben, heute vielfach weiter an Investoren - beispielsweise an spezialisierte Fonds, die teils wiederum zu anderen Banken gehören.

Ausfallgefahr auf viele Investoren verteilt

So sind die kreditgebenden Banken ihre Risiken rasch wieder los, die Ausfallgefahr ist auf viele Investoren verteilt. Hinzu kommt, dass es heute in der Finanzwelt zahllose Wertpapiere gibt, mit denen Anleger auf das Auf und Ab von bestimmten Preisen und Kursen wetten können, beispielsweise auf die Wertentwicklung von Krediten einer bestimmten Risikoklasse.

So stand am amerikanischen Immobilienmarkt nicht nur der Wert der vergebenen Kredite auf dem Spiel, sondern ein Vielfaches an spekulativem Geld.

In dem Moment, als die Marktzinsen stiegen, die Häuserpreise zu fallen begannen und häufiger Kredite ausfielen, gingen etliche dieser Wetten schief. Im März dieses Jahres kamen die ersten Meldungen über Schieflagen von Fonds, die sich am Immobilienmarkt verzockt hatten.

Erst im Juli ein globales Problem

Doch erst im Juli wurde aus der lokalen Krise am US-Häusermarkt ein globales Problem. Die Investmentbank Bear Stearns musste einräumen, dass zwei ihrer größten Fonds praktisch wertlos sind.

Diese Bank genoss bis dahin höchste Reputation für Geschäfte mit jeder Art von festverzinslichen Wertpapieren, zum Beispiel Immobilienkrediten. Wenn selbst diese Bank die Risiken am Häusermarkt falsch eingeschätzt hatte - wo lagen Investoren womöglich noch falsch?

Binnen weniger Wochen schätzten Anleger in aller Welt die Risiken, die sie eingegangen waren, neu ein. Jahrelang waren ja nicht nur die Häuserpreise in den USA gestiegen, sondern auch Aktienkurse, Preise für Unternehmensanleihen, Rohstoffe und andere spekulative Anlagen.

Die Abwärtsspirale setzt ein

Plötzlich begannen Investoren sich aus zahllosen Fonds und Investments zurückzuziehen, und die Kurse sackten ab. Wenn aber Anleger Geld aus Fonds abziehen, müssen diese Fonds ihre Wertpapiere verkaufen, um ihre Geldgeber auszahlen zu können. Dadurch fallen die Kurse weiter, und eine Abwärtsspirale setzt ein.

Und so kommt das Problem zurück zu den Banken. Zum einen spekulierten sie zum Teil selbst am amerikanischen Häusermarkt. Dies brachte beispielsweise das deutsche Geldinstitut IKB an den Rand des Abgrunds.

Ein Fonds der Bank hatte mit Hypothekenkrediten ein riesiges Rad gedreht, die Mutterbank musste Geld nachschießen, das sie nicht hatte. Nur eine Auffanglösung durch öffentliche und private deutsche Banken verhinderte einen Zusammenbruch der IKB.

Anleger fürchten nun, weitere Banken oder ihre Fonds könnten sich verspekuliert haben. Außerdem drohen Kredite auszufallen, die Banken an sogenannte Hedge-Fonds vergeben haben, die so ihren Einsatz, aber auch die Verlustrisiken erhöhen.

Firmenkäufe mit Krediten finanziert

Und schließlich finanzierten die Banken Firmenkäufe mit Krediten in nie gekanntem Umfang. Bis vor kurzem reichten sie auch diese an Investoren weiter. Jetzt bleiben sie auf den Krediten sitzen.

Wenn jedoch an allen Ecken und Enden des Finanzsystems Verluste entstehen und weder Banken noch Investoren neue Risiken eingehen, sprich: Geld bereitstellen wollen, kann es zu einer Kreditklemme kommen.

Deshalb pumpen die Zentralbanken seit zwei Tagen frisches Geld in das System, um das Vertrauen wiederherzustellen. Sie bauen darauf, dass Investoren und Banken ihre Risikoscheu wieder ablegen und sich darauf besinnen, dass die Wirtschaft derzeit noch sehr robust ist.

In fast allen Teilen der Welt lief bis zuletzt die Konjunktur gut, und die meisten Unternehmen sind gesund. Erst wenn die Geldknappheit auf Firmen und Verbraucher zurückschlägt, kann auch das Wachstum einknicken.

© SZ vom 11.08.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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