SZ-Serie: Die großen Spekulanten (26):Über Bord gegangen

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Robert Maxwell stammte aus der Ukraine, kämpfte für die Briten und errichtete ein Medienimperium. Als es zusammenbrach, starb er unter mysteriösen Umständen

Andreas Oldag

Die Umstände seines Todes waren ähnlich geheimnisumwittert wie sein Leben. Am 5.November 1991 zog die Besatzung eines spanischen Seenotrettungsdienstes die Leiche von Robert Maxwell aus dem kalten Atlantikwasser. Stunden zuvor war der britische Zeitungsmagnat und Spekulant von seiner Luxusyacht Lady Ghislaine ins Meer gestürzt. Das Schiff kreuzte vor den Kanarischen Inseln. Eine Obduktion ergab, dass der 68-jährige Maxwell an einem Herzanfall gestorben war.

Geheimnisvoller Tod: Der britische Zeitungsmagnat Robert Maxwell starb im Atlantik. (Foto: Foto: Getty)

Theorien vom Mordkomplott

Doch es gehört zu den schillernden Facetten seiner Karriere, dass diese offizielle Version von Freunden und Familienmitgliedern umgehend in Zweifel gezogen wurde. Einmal hieß es, der Mossad habe seine Hände im Spiel gehabt. Der New Yorker Journalist Seymour Hersh hatte die Spekulationen über angebliche Verbindungen Maxwells zum israelischen Geheimdienst in seinem kurz vorher veröffentlichen Buch "The Samson Option" angeheizt, das die Hintergründe des israelischen Atomwaffenprogramms analysiert.

Andere Maxwell-Experten argwöhnten, der britische Geheimdienst MI6 habe den Unternehmer mit einem Nervengift umgelegt, das im Körper des Toten nicht nachweisbar war. Mord à la James Bond, Selbstmord oder einfach nur ein Unfall? - Maxwell nahm ein Teil seines Geheimnisses mit in den Tod.

Wesentlich weniger mysteriös waren dagegen einige wirtschaftliche Konsequenzen seines Ablebens: So stellte sich heraus, dass der Tycoon die Pensionskasse seiner Verlagsfirmen geplündert hatte. Der Schaden für seine Beschäftigten belief sich auf 460 Millionen Pfund (etwa 580 Millionen Euro).

Schließlich musste der britische Staat einspringen, um die Pensionsgelder nachzuschießen. Maxwells schwer zu durchschauendes Firmenimperium, zu dem Maxwell Communication Corporation (MCC) und zuletzt ein Minderheitsanteil an der britischen Mirror Group Newspaper (MGN) gehörten, hatte 4,5 Milliarden Euro Schulden angehäuft.

Labour-Abgeordneter im Unterhaus

Offenbar hatte der Finanzjongleur auch Gelder über eine in Liechtenstein ansässige Familienstiftung verschoben. Zudem hatte er die Pensionskasse eingesetzt, um Aktien seiner eigenen Firmen zu kaufen und so einen weiteren Kurssturz zu verhindern. Getrieben war Maxwell offenbar von der Angst, sein Lebenswerk könnte zugrunde gehen.

Was steckte hinter diesem rätselhaften Selfmade-Unternehmer, der einst zu den reichsten Männern Großbritanniens zählte? Zeit seines Lebens war Maxwell ein Grenzgänger, der in verschiedenen Kulturen zu Hause war. Politisch war er noch schwerer einzuordnen. Der Erzkapitalist, der für die Labour-Partei von 1964 bis 1970 im Unterhaus saß, pflegte Beziehungen zur Polit-Oligarchie in den realsozialistischen Ländern. So verlegte Maxwell in einer Buchreihe den sowjetischen Partei- und Staatschef Breschnew ebenso wie dessen Ostberliner Adjutanten Erich Honecker.

Maxwell war Repräsentant einer Generation, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Nichts heraus Firmenimperien aufbaute. Und mehr noch: Er verkörperte mit seinem international agierenden Verlag auch die Globalisierung der Wirtschaft, die den engen nationalen Rahmen sprengte. Skrupellos verfolgte er dabei seine Ziele, um am Ende Opfer seiner eigenen Hybris zu werden.

Aufstieg aus einfachsten Verhältnissen

Seine Familie sei so arm gewesen, dass er erst im Alter von sieben Jahren ein Paar Schuhe getragen habe, erzählte Maxwell einmal. Geboren wurde er am 10.Juni 1923 als Jan Ludvik Hoch. Der Sohn eines Landarbeiters aus der damaligen tschechoslowakischen Karpato-Ukraine musste mit zehn Jahren die Schule verlassen, um Geld für seine Familie zu verdienen.

1940 floh der jüdische Teenager vor den Nazis nach Großbritannien. Seine Eltern, drei Schwestern und ein Bruder starben im Holocaust.

Maxwell schloss sich einer tschechoslowakischen Widerstandsgruppe an und nahm später als Mitglied der britischen Armee an der Landung der Alliierten in der Normandie teil. Seine Truppe kämpfte sich bis nach Deutschland durch. Damals hatte er den Namen Ian Robert Maxwell angenommen und arbeitete nach der deutschen Kapitulation als Presseoffizier der Briten in Berlin.

Zugute kamen ihm seine Sprachkenntnisse. So konnte er sich in Deutsch fließend verständigen. In Berlin kam Maxwell in Kontakt mit dem deutschen Buchverleger Ferdinand Springer, für den er 1947 den Vertrieb in Großbritannien organisierte.

Doch mit dem Angestellten-Dasein wollte sich Maxwell nicht zufriedengeben. 1949 gründete er seinen eigenen wissenschaftlichen Verlag Pergamon Press in Oxford.

Erbitterter Kampf mit Rupert Murdoch

Mit dem Verkauf von Pergamon-Anteilen an einen US-Konzern 1969 handelte sich Maxwell jedoch eine schlechte Reputation ein, die ihm fortan in der Branche anhängen sollte.

Britische Kartellbehörden warfen ihm damals vor, den Wert von Pergamon aufgeblasen zu haben, um einen höheren Erlös zu erzielen. Für Schlagzeilen sorgte auch ein erbitterter Kampf mit seinem Konkurrenten Rupert Murdoch, der ihm die Zeitungen Sun und News of the World wegschnappte.

Maxwell warf Murdoch vor, die "Gesetze des Dschungels" zu befolgen. Doch solche Niederlagen stachelten seinen Ehrgeiz weiter an: Mit allen Mitteln wollte er es an Londons berühmte Zeitungsmeile, die Fleet Street, schaffen. Im Jahr 1984 gelang ihm der Kauf der Mirror Group Newspaper, die das Labour-freundliche Boulevardblatt Daily Mirror herausbrachte.

Mit seinen Akquisitionen, unter anderem erstand er auch den amerikanischen Verlag Macmillan und Anteile am Musik-TV-Sender MTV, hatte Maxwell weniger Fortüne. Die Verluste häuften sich. Er hatte sich mit seinen Expansionsplänen übernommen. Die Banken drängten schließlich darauf, dass Maxwell seine Schulden zurückzahlt. Einen Ausweg suchte er daraufhin offenbar in waghalsigen Finanztransaktionen. Am Ende scheiterte er.

Seine Söhne Kevin und Ian versuchten vergeblich, das Unternehmen zu retten. Sie mussten schließlich Bankrott anmelden. Es kam zu Gerichtsprozessen. Das einst stolze Maxwell-Imperium zerfiel in seine Einzelteile. Und was bleibt? Vor kurzem kam bei einer Auktion in London das "Military Cross" unter den Hammer - die hohe militärische Auszeichnung, die der Hauptmann Maxwell im Zweiten Weltkrieg von Feldmarschall Montgomery erhalten hatte. Der Preis: 6900 Pfund.

© SZ vom 15.07.2008/jpm/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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