SZ-Interview:"Was haben Sie gegen Toleranz?"

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Bundesregierung plant ein Gesetz gegen Diskriminierung. Vermieter-Verband befürchtet unzumutbare Einschränkungen.

Andrea Nasemann

(SZ vom 12.4.2002) Der GdW Bundesverbands deutscher Wohnungsunternehmen vertritt bundesweit 3200 Wohnungsunternehmen mit rund sieben Millionen Wohnungen. Lutz Freitag, Präsident des GdW im Gespräch:

SZ: Herr Freitag, was soll das Antidiskriminierungsgesetz leisten?

Freitag: Es geht darum zu verhindern, dass Minderheiten im Wirtschaftsleben schlechter gestellt sind, insbesondere beim Abschluss von Verträgen. Mit diesem Gesetz will die Regierung ein politisches Signal setzen: Jede Benachteiligung wegen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität soll ausgeschlossen werden.

SZ:Was bedeutet das für Vermieter?

Freitag: Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen halten wir für äußerst bedenklich. Ein Vermieter kann künftig den Abschluss eines Mietvertrages nicht mehr einfach ablehnen. Weist er einen Bewerber zurück, kann der sich in das Mietverhältnis einklagen. Dann ist der Vermieter gezwungen zu beweisen, dass er nicht aus diskriminierenden Gründen gehandelt hat. Man muss sich fragen, ob diese weitgehenden Eingriffe mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Vertragsfreiheit zu vereinbaren sind.

SZ: Nun ist es aber so, dass Familien mit Kindern, Alleinerziehende oder Ausländer sich häufig schwer tun, auf dem freien Wohnungsmarkt eine Wohnung zu finden. Für diese Personengruppen könnte das Gesetz doch sehr hilfreich sein.

Freitag: Die Zielsetzung, solchen Personengruppen Wohnraum zu verschaffen, kritisiere ich ja nicht. Dafür gibt es aber andere Instrumente, wie zum Beispiel das neue Wohnraumförderungsgesetz. Das sieht vor, dass Wohnungen vorgehalten werden, die nur mit Personen belegt werden, die sonst auf besondere Widerstände auf dem Markt stoßen. Auch das Wohngeld versetzt solche Menschen in die Lage, sich eine entsprechende Wohnung leisten zu können.

SZ: Glauben Sie wirklich, dass sich so viele Mieter einklagen werden?

Freitag: Wir befürchten, dass künftig in großem Umfang Prozesse geführt werden. Wer allerdings ein Mietverhältnis per Gerichtsbeschluss erzwingt, hat das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Vermieter und Mieter von vorneherein zerstört. Dies belastet nicht nur das Mietverhältnis auf Dauer, sondern führt auch zu Unfrieden unter den anderen Mietern und hat damit Auswirkungen auf das gesamte Klima in der Nachbarschaft. Auch die von Politik und Wohnungswirtschaft erstrebte stabile, da sozial ausgewogene Belegung in den Quartieren, kann so nicht mehr gewährleistet werden. Mit diesem Gesetz, so wie es jetzt geplant ist, wird das Ziel, einer Ghettoisierung und überforderten Nachbarschaften entgegenzuwirken, zunichte gemacht.

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