Strommarkt:Werbung lässt Kunden kalt

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Nur knapp vier Prozent aller Haushalte wechseln den Anbieter.

Hans-Willy Bein

(SZ vom 30.01.2002) Strom kommt aus der Steckdose, neuerdings aber auch per Post. Elektrisiert durch die markige Reklame des gelben Riesen für sein Angebot schickte die Verbraucher-Zentrale Nordrhein- Westfalen Testkunden in 27 Postfilialen, und die erlebten ihr gelbes Wunder.

Berater ohne Rat

An Stelle von Mitarbeitern, die - laut Werbung - mit Rat und Tat zur Seite stehen sollten, trafen die Tester nach eigenem Empfinden auf überforderte Postler in "kabarettistischer Höchstform". "Ich bin nicht von hier", zuckte etwa ein so genannter Berater die Achseln, als er sagen sollte, ob das Preisangebot der Post günstiger ist als der bisherige Stromtarif. Die Schulungen kämen erst noch, lautete eine andere Begründung für die unzulängliche Beratung.

Bei der Post geht es halt nicht so schnell. Doch auch die "Christel" von der Mitte Januar eingerichteten Hotline des Bundeswirtschaftsministeriums war auf die Schnelle nicht mit der komplexen Materie des Stromgeschäfts vertraut zu machen und offenbarte Wissenslücken.

Streit um die Wechselgebühren

Versorger könnten bei einem Wechsel zu einem anderen Lieferanten vom Stromkunden eine Wechselgebühr kassieren, warnte sie. Doch dies ist mit der neuen Verbändevereinbarung der Stromwirtschaft ausdrücklich ausgeschlossen - jedenfalls bis zu einer anders lautenden höchstrichterlichen Entscheidung, bestätigt Patricia Nicolai von der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW).

Verschiedene Oberlandesgerichte hatten ebenso wie Landeskartellbehörden Wechselgebühren als unzulässig bezeichnet. Wenn wechselwillige Kunden extra zur Kasse geboten würden, nutzten Stadtwerke ihre marktbeherrschende Stellung als Monopolbesitzer der Stromnetze aus, so die Begründung. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung wird sich jetzt aber der Bundesgerichtshof noch mit dem Thema beschäftigen.

Private Verbraucher mit Zurückhaltung

Grundsätzlich ist ein Wechsel des Stromversorgers seit rund drei Jahren möglich. Davor konnte wegen der Monopolstruktur Strom nur vom zuständigen regionalen Versorger bezogen werden. Seit der Liberalisierung des Energiemarktes haben die Stadtwerke noch das Monopol auf die Stromnetze.

Während Gewerbebetriebe und die Industrie die Möglichkeit zum Wechsel des Versorgers stärker nutzen, blieben Privatverbraucher trotz aller Werbeschlachten, ob mit Arnold Schwarzenegger oder Veronica Ferres, zurückhaltender.

Nach Erhebungen im Auftrag der VDEW sind 15 Prozent der Industriefirmen mit einem neuen Stromlieferanten einig geworden, aber nur 3,7 Prozent der 39 Millionen Haushalte.

Immerhin sind die Privatverbraucher nicht so träge, wie dies auf den ersten Blick erscheint. Denn 28 Prozent aller Stromkunden haben seit 1998 den Vertrag mit ihrem Versorger verändert.

Rund 27 Prozent bekamen günstigere Konditionen von ihrem angestammten Stromlieferanten. Etwa ein Prozent entschied sich für eine neue Marke.

Vorteil für die Industrie

Außerdem haben Industrieunternehmen von der Öffnung der Energiemärkte im Frühjahr 1998 deutlich stärker profitiert als Privatleute. So gingen die Strompreise für Großabnehmer zunächst um 30 bis 50 Prozent in den Keller. Dabei gibt es allerdings ein deutliches Gefälle.

Preise steigen

Nach der jüngsten Erhebung des Bundesverbands der Energie-Abnehmer beträgt der durchschnittliche Preis in den neuen Bundesländern 6,83 Cent (ohne Strom- und Mehrwertsteuer) je Kilowattstunde und ist damit rund zehn Prozent höher als der mittlere Preis in Westdeutschland (6,21 Cent). Generell müssen sich die Kunden in nächster Zeit wieder auf steigende Strompreise einstellen.

Für Tarifkunden, wie Haushalte und kleine Gewerbebetriebe im Sprachgebrauch der Elektrizitätswirtschaft traditionell heißen, wurde Strom nach der Öffnung der Märkte um 20 bis 30 Prozent billiger. Aber dieser Vorteil wurde durch Zusatzbelastungen von Vater Staat wie die jeweiligen Stufen der Ökosteuer und das Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien inzwischen nahezu aufgezehrt.

Die Rechnung eines Musterhaushaltes von drei Personen ist nach Zahlen des VDEW allein zum Jahresbeginn 2002 um rund sechs Prozent gestiegen.

Echter Preisvergleich

"Ganz ohne Widerstand" kann der Stromkunde angeblich zu einem anderen Versorger wechseln - jedenfalls wenn man den Werbesprüchen der jungen Stromfirmen glaubt. "In 3 Minuten zum gelben Strom", lockt etwa Yello, mit über 700.000 Kunden die Nummer 1 der neuen Anbieter, auf seiner Internet- Seite.

Viele Newcomer bieten einen elektronischen Tarifrechner, der den Preisvergleich erleichtert. Nicht immer sind aber die Kosten für den Transport des Stroms durch das Netz des örtlichen Versorgers in den angegebenen Tarifen enthalten.

Deswegen sollten Wechselwillige in jedem Fall den neuen Bruttopreis mit dem bisherigen Bruttopreis vergleichen, raten die Verbraucherschützer.

Mehrere Verträge

Fällt die Wahl auf einen neuen Stromlieferanten, sind in Wirklichkeit gleich mehrere Vertragsabschlüsse notwendig. Für den Transport des Stroms bleibt der örtliche Versorger zuständig. Schließlich gehört ihm das lokale Stromnetz. Für die Nutzung ist pro Kilowattstunde durchgeleiteten Stroms eine Gebühr fällig.

Hinzu kommt eine Gebühr für die Miete und das Ablesen des Stromzählers. Die meisten neuen Anbieter schließen in Vollmacht für den Kunden einen Netzanschluss- und einen Netznutzungsvertrag mit dem Netzbetreiber.

Ehe er einen neuen Vertrag abschließt, sollte der Stromkunde aber unbedingt klären, ob der neue Lieferant dies erledigt hat. Der Verbraucher kann nun also wählen, ob er gelben Strom will oder auch grünen. Denn auch Saft mit Öko-Label wird inzwischen verstärkt angeboten, zertifiziert von Umweltinstituten oder dem Tüv.

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