Straßen in München:Tal

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Das Tal zwischen der Durchfahrt des alten Rathauses und dem Isartor ist vor allem der Geschäftswelt vorbehalten - und den Touristen.

Ingrid Brunner

Die Torwege des alten Münchner Rathauses bilden den Durchlass vom Marienplatz ins Tal. Durchschlupf, möchte man fast sagen, denn Fahrbahnen, Fahrradparkplätze und Radweg schmälern den Fußweg, der überdies tags von Straßenmusikern geschickt zur Bühne gemacht wird. Hat sich der Fußgänger also erst einmal durch das Gedrängel und das Dunkel des Torwegs gequält, erblickt er das Licht des Tals, und was sieht er? Rechts das klerikale München in Gestalt der Heiliggeistkirche, hinter ihr das kulinarische München in Gestalt des Viktualienmarktes, und links das säkulare: die Stadtsparkasse, deren kathedralenartige Halle wettzueifern scheint mit der Kirche gegenüber. Die zahlreichen internationalen Geldautomaten im Inneren des Geldinstituts sind eine wichtige Station für Besucher vor ihrer Tour durch die Altstadt.

In seiner Mitte ist das Tal am schönsten. (Foto: alle Fotos: sueddeutsche.de/ Paul Katzenberger)

Nachts brennt kaum ein Licht

Früher war das anders. Da waltete zur Linken wie zur Rechten wenn nicht göttliche, so doch kirchliche Ordnung. Bis 1812 bildete das Tal, das erstmals 1253 namentlich erwähnt wurde, die Grenze zwischen zwei Pfarrsprengeln: So hieß die südliche Straßenseite hin zum Viktualienmarkt Tal Petri, die nördliche in Richtung Hofbräuhaus Tal Mariä.

Heute kümmert man sich im Tal womöglich immer noch um das Seelenheil seiner Anwohner. Im Vordergrund steht aber eindeutig das leibliche Wohl der Touristen, die mehrheitlich die kaum 500 Meter lange Straße auf- und abwandern. Und damit sie sich einerseits wie daheim fühlen, gibt es reichlich weltweit verbreitete Fast-Food-Ketten. Wer es andererseits lieber altmünchnerisch mag, für den wartet der Schneider Weißbräu mit traditionellen bayerischen Schmankerln und seinen bekannt ruppigen Bedienungen auf. Auch das muss der Weltreisende ja schließlich mal erlebt haben, um seinen Enkeln davon erzählen zu können.

Dem Handel ergeht es nicht anders als der Gastronomie: Nur wenige alteingesessene Geschäfte behaupten sich neben dem sich immer weiter ausbreitenden Einheitsbrei von Filialisten. Da ist "der" Böhmler, ein Einrichtungshaus von Rang, das Pleitewellen und Ausverkäufen bislang überstehen konnte. Auch den Pfeifen Huber und den Lederhosen Wagner hat es schon gegeben, da glaubte man hierzulande noch, "old McDonald" sei lediglich ein schrulliger Farmer in einem Kinderlied.

Was aber führt den Einwohner der Landeshauptstadt sonst noch ins Tal? Wenig, wie es scheint. Typische Antwort: "Wenn ich die S-Bahn verpasst habe, und die Sonne scheint, dann laufe ich durchs Tal zum Isartor." Wer nur der Bahn hinterherläuft, dem entgeht so mancher Gelegenheitskauf. Der Second-Hand-Trachtenladen etwa bietet hübsche Dirndl zu erschwinglichen Preisen. Anders ist es, wenn er Rat und Hilfe sucht, dann ist der Münchner im Tal an der richtigen Adresse. Denn die Dichte von Arztpraxen, Anwaltskanzleien und Beratungsstellen ist selbst für Münchner Verhältnisse ungewöhnlich.

Aber nachts brennt fast nirgends Licht in den oberen Geschossen, denn nur 420 Anwohner sind im Tal gemeldet. Eine gute Wohnadresse ist das Tal trotz seiner zentralen Lage im Herzen Münchens wohl wirklich nicht. Es ist laut, es herrscht ein ständiges Gedrängel, kein Grün erfreut das Auge, es gibt kaum Läden für den täglichen Bedarf.

Ein lohnendes Ziel für einen Gang durchs Tal gibt es auf jeden Fall. Das Valentin-Musäum, beheimatet im Isartor. Vom Turmstüberl im dritten Stock lässt es sich gut über die Zeitläufte da drunten im Tal räsonnieren. Valentin würde vielleicht sagen: "Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie schon mal war."

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