Straßen in München:Prinzregentenstraße

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Prächtig sollte sie werden, die Prinzregentenstraße als sie geplant wurde. Heutzutage rauscht nur noch der Verkehr großspurig durch.

Christoph Wiedemann

Dort wo die Autobahn endet, beginnt München. München - so der österreichische Kabarettist und überzeugte Wiener Helmut Qualtinger 1958 in einem Beitrag zur 800-Jahr-Feier der bayerischen Landeshauptstadt - sei die Fortsetzung der Autobahn mit anderen Mitteln.

Auch wenn das begnadete Lästermaul damals für seine Schmähung mutmaßlich den Zugang von Süden im Blick gehabt haben mag; vom Osten her bietet sich ein ähnliches Bild: Der Verkehrsfluss von der Autobahn Passau verzweigt sich am Vogelweideplatz und brandet in zwei breiten, immer repräsentativere Formen annehmenden Kanalbetten gen Innenstadt.

Abweichung vom Plan

Der eine Verkehrskanal mutiert irgendwann zur noblen Pracht- und Einkaufsmeile der Maximilianstraße. Der andere heißt von Anfang an Prinzregentenstraße, ist ursprünglich auch einmal als Prachtstraße geplant gewesen, jedoch nie über eine rasch dahinfließende Verkehrsfurt hinausgekommen.

Aber vielleicht ist das auch der ganz falsche Zugang zur Prinzregentenstraße. Dort am Vogelweideplatz, wo Giesicke und Devrient unsere Banknoten und Scheckkarten drucken, endet die zuletzt geplante der großen Münchner Magistralen nur.

Künstlicher Anfang

Ihren Anfang nimmt sie heute quasi in einem künstlichen Teich, den der Neubau der Bayerischen Staatskanzlei Ende der achtziger Jahre dem mittlerweile etwas eingezwängten Prinz-Carl-Palais beschert hat. Fontäne hoch also für ein repräsentatives und vor allem geschichtsträchtiges Stück München, das man in der Regel nur noch als Abfolge von mehr oder weniger spektakulären Architekturkulissen im Autofenster wahrnimmt.

Größenwahn nicht realisiert

Den Auftakt bildet das 1937 von Adolf Hitler persönlich eingeweihte Haus der Kunst. 30 mächtige Säulen vor hochaufragenden Wänden aus Donaukalkstein riegeln den Englischen Garten ab. Aber es hätte noch schlimmer kommen können.

Der in der Straße selbst auch privat ansässige Führer hatte schließlich große Pläne mit der einstigen Hauptstadt der Bewegung. Demnach wäre der halbe Englische Garten mit nationalsozialistischen Großklötzen zugebaut worden.

Platz für Ministerien

So beginnt die Prinzregentenstraße halt architektonisch gesehen mit einer leicht militärischen Anmutung. Was auch in der weiteren Abfolge trotz aller Zivilisierungsversuche immer wieder eine Rolle spielen wird. Zum Beispiel wenn auf der Höhe des Bayerischen Nationalmuseums die Fassaden zurücktreten und zusammen mit dem ehemaligen königlich-bayerischen Heeresministerium und heutigen Wirtschaftsministerium einen weiten Platzraum freigeben.

Unmittelbar nach dem Krieg war hier einer der wichtigsten Umschlagorte für den Schwarzmarkt. Der Grund: Im heutigen Wirtschaftsministerium hatten die amerikanischen Besatzer für ihre Soldaten einen PX-Laden eingerichtet. Und im Haus der Kunst befand sich das Offizierskasino, dessen Nachfolge gewissermaßen über die Jahre hinweg verschiedene Nobeldiskotheken angetreten haben.

Luxusmeile ohne Charme

Überhaupt: das Noble! Um nach Bogenhausen oder in den Herzogpark, Münchens gehobenere Wohnviertel, zu gelangen, führt kein Weg an der Prinzregentenstraße vorbei. Im Rondell den goldenen Friedensengel auf seinem überdimensionierten Salzstreuer umrundet, und schon beginnt das teure Luxusleben.

Nein, nicht die Villa Stuck mit ihrem Kunstprogramm. Auch nicht der Wagnerianische Musiktempel am Prinzregentenplatz. Das Stammhaus von Deutschlands bekanntestem Edel-Caterer zieht die Fahrer aller Arten von Luxuskarossen an. Schlägt hier etwa das wahre Herz der Prachtmagistrale? Und zeigt sich hier, welch eigenartige Mischung diese Straße vereint? Welch abenteuerliche Geschichten sie bebildert? Ihr Charme hält sich dennoch in Grenzen.

Nur einmal im Jahr an Silvester ist die Prinzregentenstraße der schönste Platz Münchens. Dann, wenn die Terrasse vor dem Friedensengel um Mitternacht den besten Blick auf das Neujahrs-Feuerwerk ermöglicht.

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