Straßen in München:Nördliche und Südliche Auffahrtsallee

Lesezeit: 2 min

In München gibt es gleich zwei Schlossalleen und hier traut man sich heute noch, den Normalverdienern deutlich den Weg zu weisen.

Christoph Wiedemann

Die beiden Auffahrtsalleen zum Schloss Nymphenburg südlich und nördlich des Kanals: ein echtes Ärgernis! Seit dort Tempo 30 verordnet wurde, ist zumindest für Autofahrer der Zauber dieser einzigartigen Prachtstraßen dahin. Statt die Reize der baumbestandenen Schlossanfahrt genießen zu können, hat sich alle Konzentration auf die Tachonadel zu heften. Wie leicht ist die vorgeschriebene Geschwindigkeit überschritten. Den Freund und Helfer und mit ihm die städtischen Geldeintreiber freut es.

Zwischen Nördlicher und Südlicher Auffahrtsallee liegt der Nymphenburger Kanal. Alle drei führen schnurstracks zum Nymphenburger Schloss. (Foto: alle Fotos: sueddeutsche.de)

Schönster Arbeitsplatz für Polizisten

Andererseits kann man die verkehrsüberwachenden Beamten ja verstehen. Einen schöneren Arbeitsplatz bietet schließlich das gesamte Münchner Straßennetz nicht mehr. Im Sommer schattig und kühl. Im Herbst und im Frühjahr geschützt vor Wind und Regen.

Im Winter: Tanz auf dem Kanal

Ein echte Attraktion im Winter, wenn der Kanal zugefroren ist und die anliegende Bevölkerung mit Schlittschuhen und Eisstöcken die knapp eineinhalb Kilometer lange Vergnügungsmeile mit Beschlag belegt. Dort wird der traditionelle Kampf Eisstockschützen gegen Kufenkünstler ausgefochten. Die einen präparieren sorgsam ihre Bahnen zu spiegelnder Glätte, während die anderen jeden unbeobachteten Augenblick nutzen, das mühevolle Werk mit unbeholfenen Pirouetten und wackeligen Kurven zu zerstören. Aber auf gepflegtem Spiegeleis läuft es sich nun einmal eleganter als auf welligem Naturfrostuntergrund.

Anfahrt für den König

Alles zusammen genommen wird eigentlich ziemlich schnell deutlich: Die Auffahrtsallee - es sei gestattet, die beiden durch den königlichen Wassergraben getrennten Straßenzüge zusammenzuziehen - eignet sich im Grunde überhaupt nicht für eine zeitgemäße Nutzung. Was Wunder, schließlich verkehrten hier ursprünglich die Kutschen und Pferdegespanne des kurfürstlichen Hofes, der im Sommer die Stadtresidenz verließ und seine Aktivitäten nach Schloss Nymphenburg verlegte. Eine wahrlich spektakuläre Anfahrt. Schon lange vor der Ankunft taucht der massive Schlossbau zwischen den Bäumen auf, verschwindet wieder, wird größer und größer, bis sich endlich die Kulissen auftun zur Einfahrt in die Weite des Schlossrondells.

Die bessere Nordseite

Etwas von dieser Verheißung sommerlicher Entspannungszeit liegt noch immer über der schnurgeraden Inszenierung aus spiegelndem Wasser und flirrendem Grün. Wenn sich auch seit der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert das bürgerliche München bis hart an die Uferzonen des Kanals herangearbeitet hat. Direkt angrenzend zu bauen war freilich nur wenigen Privilegierten vorbehalten, vor allem auf der sonnenbeschienenen Nordseite des Kanals.

Gleichwohl noch immer ablesbar das gesellschaftlich stabilisierende Städtebauprinzip der "Vermischung sozialer Schichten". Neben Villen und Einfamilienhäusern stehen mehrgeschossige Wohnkomplexe für ehedem ärmere Einkommensschichten. Heutzutage, in dieser Wohnlage und angesichts der generell gehobenen Münchner Mieten mag sich das weitgehend nivelliert haben.

Gleichwohl, wenn aktuell neue Stadtteile aus dem Boden gestampft werden, wünscht man sich mitunter, dass die Planer vorher zumindest einmal durch die gewachsenen Viertel zu beiden Seiten des aus dem Nymphenburger Schlosspark hinausragenden Wasserarmes flaniert wären.

Der umgezogene Brunnen

Der ideale Endpunkt einer solchen Wanderung: Der 1954 aus der Prinzregentenstraße an das Ostende des Kanals versetzte und von Adolf von Hildebrand 1904 entworfene Hubertusbrunnen. Der bronzene Hirsch mit dem Kreuz zwischen den Geweihstangen steht ruhig in seinem quadratischen Tempelchen aus Tuffstein und blickt über den vor fast dreihundert Jahren von den türkischen Kriegsgefangenen des "blauen" Kurfürsten Max Emanuel gegrabenen Kanal hinauf zum Schloss. Eine aberwitzig schöne, ins Absurde abgleitende Zeitlosigkeit, mitten in München.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: