Straßen in München:Metzstraße

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Im Gegensatz zum restlichen Franzosenviertel ist die Metzstraße nicht aufdringlich: Ihr fehlt das großbürgerliche Ambiente, das Künstlergehabe. Und trotzdem ist sie das Herz von Haidhausen.

Von Frank Müller

Wer durch die Metzstraße fährt, der mag diesen Haidhauser Straßenzug nicht für den spektakulärsten des Franzosenviertels halten. Sicher, wir sind stolz auf unsere Altbauten, deren gepflegte Bürgerlichkeit freilich, wie so oft in Haidhausen, nur die Fassade für eine etwas ärmliche Herkunft ist. Wir freuen uns an unseren breiten Hofeinfahrten, die uns schöne grüne Durchgänge zwischen den Häusern bescheren, wie man es eher aus Neuhausen und Schwabing kennt.

Gut, wir halten uns zudem für privilegiert mit unserer Lage zwischen Weißenburger Platz, Rosenheimer Platz und Wörthstraße, nah genug an allem, was wichtig ist, und doch nicht ganz mittendrin.

Aber, anders als viele unsere Nachbarn, sind wir nicht aufdringlich. Uns fehlt das großbürgerliche Ambiente des nahen Bordeauxplatzes, wir lassen uns nicht hineinziehen ins Künstlergehabe der nahen Lothringer Straße und wir machen auch nicht auf Einkaufsmeile wie die Weißenburger Straße gleich nebenan. Wir sind zurückhaltend, bescheiden und entspannt. Dabei wohnt zum Beispiel mitten unter uns ein berühmter Fernsehmann, aber nie würden wir damit angeben, um wen es sich handelt. Der dezente Hinweis muss also genügen.

Wir in der Metzstraße wohnen einfach so vor uns hin. Wir freuen uns des Lebens, fluchen über die Parkplatzsituation und grüßen freundlich nach allen Seiten. Unter uns gesagt, hat diese Unaufdringlichkeit einen handfesten Hintergrund. Sie rührt aus einem Selbstbewusstsein, welches sich nichts beweisen muss.

Wir sind nämlich das eigentliche Herz Haidhausens, das Kraftzentrum und die geographische Mitte zugleich.

Die Metzstraße ist es, die Haidhausen in seine zwei Teile trennt: südöstlich das Franzosenviertel, jenes von Arnold von Zenetti am Reißbrett entworfene Klein-Paris mit seinen französisch benamten Straßenzügen, die vom Orleansplatz wie von einem Stern aus wegführen. Nordöstlich dagegen liegt das alte, das ursprüngliche Haidhausen, das Herbergenviertel mit seinen krummen, verwinkelten Straßen und Gässchen, das selbst Taxifahrer mitunter in Verwirrung stürzt.

Diese deutsch-französische Grenze markieren in aller Bescheidenheit wir, und glauben Sie niemandem aus der Milchstraße, wenn dort Ähnliches behauptet wird. Deswegen heißt unsere Straße auch Metzstraße. Der Name mag nicht das Flair einer Pariser oder Gravelottestraße verbreiten. Das soll er aber auch nicht. Der Kenner weiß, dass Metz traditionsreich und die Hauptstadt Lothringens ist. Da nehmen wir es gerne in Kauf, dass unser Sound etwas Deutsches an sich hat, denn dies unterstreicht nur unsere Nahtstellenfunktion.

Es dürfte niemanden wundern, dass auch unser eigener Umgang mit unserem Straßennamen zurückhaltende Eleganz ausstrahlt. Wir freuen uns, wenn Menschen hier hinziehen, die selbst Metz heißen, besonders stolz sind wir auf das Elektrofachgeschäft in unserer Mitte, das zugleich Vertragshändler der Fernsehfirma Metz ist und dieser Schriftzug mit lockerer Selbstverständlichkeit sein Schaufenster ziert. Hat man je vergleichbare Nonchalance gesehen bei einem, sagen wir: Bäcker in der Müllerstraße?

Überhaupt ist es mit der Infrastruktur in der Metzstraße so eine Sache. Sie eine Einkaufsstraße zu nennen, wäre übertrieben. Man kann hier einkaufen, aber vermutlich nicht das, was man braucht. Eher schon ist es so, dass die Metzstraße anbietet, was sie will.

Da gibt es eine Hand voll Textilgeschäfte, gleich zwei Filialen von Schlecker, zwei Blumenläden und zwei Geschäfte für Räucherstäbchen und allerlei esoterisch Angehauchtes, was in Haidhausen zur Grundausstattung gehört. Dazu zwei solide Restaurants, ein italienischer Feinkosthändler und zwei Etablissements, denen man mit dem Etikett "Charakterpinte" nicht zu nahe treten dürfte.

Andersherum gesagt, gibt es in der Metzstraße nicht: Lebensmittelgeschäft, Bäcker, Schuster, Schneider, Zeitungskiosk, Gemüseladen. Ehrlich gesagt, ist es ein beruhigendes Gefühl, dass wir den täglichen Bedarf nicht aus uns selbst heraus decken müssen. Sondern auf die schon erwähnte Weißenburger Straße zurückgreifen dürfen.

Die Metzstraße atmet einen ideellen Geist, der noch mit dem alten Haidhausen zu tun hat, das ja mal ein Revoluzzerviertel war, freilich bei gewichtiger bürgerlicher Unterfütterung durch eine lebhafte CSU. Deswegen gibt es hier noch einen "Projekt-Laden", in dem internationale Kinderspielgruppen, internationale Mädchengruppen und sogar eine internationale Nähgruppe zu Hause sind und ansonsten an der Organisation eines einmal jährlich stattfindenden - internationalen - Straßenfestes gearbeitet wird.

Ein paar Meter abseits der Metzstraße, nämlich in der Lothringer Straße, gibt es hierzu als schönes Pendant einen leibhaftigen DKP-Laden. Unbedingt erwähnen muss man in diesem Zusammenhang auch das gepflegt-linke Genossenschaftshaus der Wogeno, aus dem noch immer drei Pace-Fahnen hängen.

Im Grunde gehört all das ebenso unter Denkmalschutz wie das an der Ecke zum Bordeauxplatz gelegene Café Reichshof, eines aus der aussterbenden Gattung der Oma-Kaffeehäuser, in dem man am liebsten noch mit D-Mark zahlen würde. Oder auch mit französischen Francs. Denn, wie gesagt: Wir sind hier deutsch und französisch zugleich.

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