Straßen in München:Implerstraße

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Die Implerstraße in Sendling: irgendwie schön, irgendwie unbesonders. Aber gerade ihre Unaufdringlichkeit macht sie so sympathisch.

Christa Eder

Man muss schon ziemlich lange suchen, bis man hier so etwas wie Flair findet. Böse Zungen behaupten sogar, das Schönste an der Implerstraße seien ihre Seitenstraßen. Freilich, die Impler ist nun einmal eine Durchfahrtstraße. Unprätentiös und ohne Raffinesse, aber trotzdem irgendwie sympathisch.

Wir befinden uns in Altsendling, zwischen der Lindwurm- und der Brudermühlstraße. Eine Wohnstraße mit wenigen Neubauten, einigen Altbauten und vielen müden Häusern mit Patina. Dazwischen ein paar Büros, Kleingewerbe und viele kleine Läden, wie zum Beispiel "Frau Blau" an der Ecke Schmied-Kochel-Straße. Die Inhaberin verkauft "Neues, Altes, Einzigartiges" aus Italien, Second Hand oder Einzelstücke von Münchner Jungdesignern.

Sie finde die Gegend angenehm, sagt sie, und an die Lautstärke habe sie sich gewöhnt: "Vor allem die Leute hier sind nett und absolut freundlich. Viele Familien, viele junge Mütter. Man kennt sich, grüßt sich, ratscht ein bisschen." Die meisten sind Neusendlinger, die seit einigen Jahren das ehemalige Kleine-Leute-Viertel erobern. Sie verdienen mittelgut und wohnen in den begehrten Altbauten, die in Sendling noch bezahlbar sind.

Ein weiterer Vorteil sei, dass sich die Ladenmieten hier noch in Grenzen hielten. Dafür ist die Lage für ein Einzelhandelsgeschäft nicht gerade optimal. Die Impler ist keine Flaniermeile, und an Parkplätzen mangelt es auch. Laufkundschaft fällt also aus, man ist auf Stammkundschaft angewiesen. "Das erste Jahr hatte seine Höhen und Tiefen", sagt die "Frau Blau"-Inhaberin, "aber das ist normal, und bis jetzt bin ich ganz zufrieden." Ein trendiges Café gehöre her, sagt sie, das würde die Ecke aufwerten.

Das findet auch die Besitzerin der "Blumenecke" auf Höhe der Valleystraße. Schweren Herzens sei sie damals mit ihrer Familie von Perlach hierher gezogen. Der Garten, das Grüne - all das fehle ihr. "An der Implerstraße gefällt mir eigentlich nichts, es fehlt Leben", sagt sie ganz direkt, "aber die Menschen gefallen mir." Nichts habe sich verändert, seit sie hier sei. Keine Sanierungen, Um- oder Neubauten wie in den umliegenden Straßen. Trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - fühle sie sich wohl. "Nur die Geschäfte sind schon mal besser gegangen", klagt sie. "Wenn der Laden nicht mehr geht, hör ich ganz auf. Noch mal woanders anfangen würde ich nicht mehr."

Das wahrscheinlich einzige Geschäft in der Implerstraße, weswegen die Kunden eigens anreisen, ist "Basecamp", seit 25 Jahren eine Institution für Alpinisten. Vom Karabinerhaken bis zum Eispickel findet man hier alles, ob man einen Sonntagsausflug in die Partnachklamm oder ein Expedition zum Nordpol plant. "Wir können nicht klagen" sagt die Geschäftsführerin. "Die Umsätze haben sich in den letzten Jahren eher positiv entwickelt." Frohe Kunde an Tagen wie diesen.

Gleich nebenan liegt eine lauschige Oase, der Implerplatz. In der Frühsommersonne und zwischen jungen Blättern sind die Bänke in der Mittagspause voll besetzt. Manche haben sich auch für länger eingerichtet und schon mal Liegestuhl, Sonnenhut und Zeitung mitgebracht. Auf der kleinen Parkanlage sollte vor 100 Jahren die evangelische Kirche gebaut werden. Doch die Pläne wurden nie realisiert, die Kirche steht heute in der Kidlerstraße.

Umgeben ist der Platz von einigen architektonischen Perlen wie dem denkmalgeschützten Wohnblock aus den zwanziger Jahren von Franz Deininger (Nummer 58 bis 60) und gegenüber ( 65 bis 67) von dem barockisierenden, vierflügeligen Wohnblock mit Innenhof, um 1911 gebaut von den Münchner Stararchitekten Jakob Heilmann und Max Littmann. Auch stadteinwärts stehen noch einige, vom Krieg relativ unversehrt gebliebene Altbauten wie der Neurenaissance-Eckbau mit Erkerturm auf Nummer 12, die Architektenhäuser im Jugendstil von Berthold und Hägele oder von Franz Brand auf Nummer sechs und acht.

Der Vorsitzende des "Historischen Arbeitskreises Sendling" kennt jeden Winkel im Viertel. Der Hobbyhistoriker betreibt seit Jahren Detailarbeit, schreibt in der Stadtteilbroschüre, organisiert Ausstellungen und Führungen, hält Vorträge. Er weiß viel über die Ursprünge von Sendling, über Gräber aus der Merowingerzeit, die in Mittersendling gefunden wurden, über den städtischen Baurat Hans Grässel, der im Jahr 1910 die denkmalgeschützte Implerschule gebaut hat, und über das Ratsherren- und Patriziergeschlecht der Impler, den Namensgebern der Straße. Aber Besonderes zur Implerstraße? Da muss auch er passen. Ruhig und unspektakulär sei die Straße, ohne Charakter. "Hier ist nicht viel passiert, jetzt nicht und früher nicht."

Auch im Nationalsozialismus und im Krieg sei es hier "ned so wuid" gewesen. Bis auf die Aushebung einer illegalen Schriftensammlung der Zeugen Jehovas durch die Gestapo sei nichts bekannt. Es hat eben auch sein Gutes, unscheinbar zu sein.

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