Straßen in München:Einsteinstraße

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Die Einsteinstraße ist eine der wichtigsten Verkehrsadern der Stadt: Sie nimmt Autos der A 94 auf und reicht sie Richtung Zentrum. Diese Straße hat kein Flair. Sie ist nur laut. Sehr laut.

Von Klaus Brenninger

Eine Pilsstube in der Einsteinstraße. Ernst und Josef im Gespräch über Bundesliga, Formel 1 und Moshammer. Bayern spielt auf Schalke, Schumi ist ausgestiegen, Daisy lange tot. Und Albert Einstein hat vor mehr als 100 Jahren die Welt verändert. Der Moment der Wahrnehmung, das ist hier irgendwie klar, um den geht es. "Um die Raum-Zeit-Matrix", sagt Ernst. Hat er irgendwo gelesen und sich gemerkt - weil das Wort "Matrix" so schön ist. Denn "wenn der Schumi von ganz hinten startete, dann hätte er - theoretisch - die grüne Ampel später sehen müssen als der Fisico auf der Pole Position. Leuchtet doch irgendwie ein, oder?"

Eine wahrlich beispielhafte Erklärung von Einsteins Relativitätstheorie. Und der Josef weiß, dass in seinem Fernseher Elektronen beschleunigt werden. Und dass dadurch deren Masse zunimmt, was Auswirkungen auf die Energie habe. Würde man das mit dem Massezuwachs nicht wissen, fügt der Haidhausener selbstbewusst hinzu, dann "wär s'Buidl verschwomma". Und das hätte der Einstein schon gewusst, bevor es überhaupt Fernsehen gab.

Selbstverständlich hat man nach ihm eine Straße benannt. Nach Albert Einstein, dem größten Genie des 20. Jahrhunderts. Denn der Physiker, der aus Ulm stammt, lebte auch 14 Jahre in München. Aber einen Genius loci aufzuspüren, das funktioniert hier nicht: Albert Einstein verließ die Stadt seiner Kindheit fluchtartig - wegen chronischer Schulprobleme und ohne Schulabschluss. Das war 1894.

Die Einsteinstraße zählt zu den wichtigsten Verkehrsadern der Stadt. Sie nimmt den von Osten kommenden Autoverkehr der A 94 auf und reicht ihn Richtung Zentrum weiter. Oder sie gibt ihn gleich an den Mittleren Ring ab, der im Bereich der Kreuzung Leuchtenbergring heißt.

Diese Straße hat kein Flair. Sie ist laut, sehr laut; ein nettes Straßencafé sucht man hier vergebens. Sie versprüht auch nicht den Charme einer Haidhauser Vorstadtstraße, wie er schon einen Steinwurf weiter zu entdecken ist. Das ist ihr Schicksal. Sie erfüllt eine Funktion, weil sie wichtige Knoten für das Straßenverkehrsnetz im Münchner Osten knüpft: Grillparzer- und Orleansstraße und am Max-Weber-Platz die Innere Wiener und die Ismaninger Straße.

Zwar ist hier das Epizentrum des Münchner Jazz auszumachen. Direkt gegenüber dem Klinikum rechts der Isar residiert seit einigen Jahren in einer ehemaligen Brauerei die "Unterfahrt", ein Jazzkeller mit Tradition. Der Ort heißt seit 1997 "Einstein Kulturzentrum". Das spezielle Haidhauser Lebensgefühl macht sich hier jedoch nicht breit.

Der Wirtschaftsstandort Einsteinstraße hingegen wirkt äußerst lebendig. Vorbei an Straßenbahnbetriebshof der Münchner Verkehrsgesellschaft, Prinzregentenhof und Stahlgrubercenter passiert man Richtung Innenstadt Sonnen- und Toupetstudios, Callshops und Videotheken, einen ambulanten Pflegedienst und eine Schneiderei, einen Optiker und eine Autovermietung, Pizzaservice und Fastfoodlokal, Copyshops und Eisdiele, Friseure, Metzgereien und Apotheken.

Szenenwechsel. Ein Besichtigungstermin in einer Dachgeschosswohnung. Auf die Frage, ob es denn "noch sehr laut" sei, hier im fünften Stock, antwortet die Noch-Mieterin: "Geht die Skala von eins bis zehn, haben wir hier acht." Ein Raunen geht durchs Zimmer, als sie anfügt, dass das nachts nicht viel anders sei als tagsüber.

Die Stewardess ist sichtlich genervt. Nicht von diesem Termin, bei dem zig fremde Leute durch die Räume trampeln, sondern von dieser erbärmlichen Zwei-Zimmer-Wohnung. "Eine Notlösung", sagt sie. Kein Fenster in Küche und Bad. Scheußlicher Teppichboden und stickige Luft. "Von Wohnen", sagt die junge Frau, könne man nicht sprechen: "Ich hause hier." Selbst wenn diese Bude ebenfalls nur als "Not- oder Zwischenlösung" dienen sollte: Mehrere potenzielle Nachmieter buhlen bereits um sie. "Nur wer nicht sucht, ist vor Irrtum sicher", sagt Albert Einstein.

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