Straßen in München:Dreimühlenstraße

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Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts trugen Arbeiter ihren Lohn in die nahen Pinten. Diese Trink- und Ausgehkultur hat sich bis heute erhalten, wenngleich in veredelter Form.

Von Jochen Temsch

Manchmal ist die Vergangenheit nur einen Augenblick weit weg. Selten kann man das in München so deutlich sehen wie in der Dreimühlenstraße am südlichen Rand des Glockenbachviertels. Und dort sieht man es nirgendwo besser als an der Kreuzung zur Ehrengutstraße.

Blick nach rechts Richtung Kapuzinerkloster:

Wellig windet sich die gepflasterte Fahrbahn vorbei an grandios herausgeputzten, mit Stuckmasken verzierten Neurenaissance- und Neobarock-Fassaden, die frisch renoviert in hellen Farben leuchten. Stellte man sich diese Ansicht in Schwarzweiß vor und dächte man die parkenden Autos weg - es wäre nicht verwunderlich, rumpelte im nächsten Moment die Postkutsche mit quietschenden Bremsen daher. Dieser Abschnitt der Dreimühlenstraße ist in ihrem Originalzustand selbst vom Krieg unangetastet geblieben.

Blick nach links Richtung Großmarkthalle:

Die Häuser verrußt, als hätten die Renovierer noch nicht über die Kreuzung gefunden. Wo heute die Straße verläuft, plätscherte einst der Dreimühlenbach, der, wie der Name sagt, drei Mühlen antrieb. Wasserkraft diente der Energiegewinnung, weshalb die ursprünglich sumpfige, dann von zahlreichen Gewässern durchzogene Isarvorstadt Anfang des 19. Jahrhunderts Fabriken und kleinere Gewerbebetriebe anzog.

Bis heute sieht man in der Dreimühlenstraße und um sie herum ein reizvolles Nebeneinander von herrschaftlichen Wohnanlagen und kleinräumigen Arbeiterhäusern. Für die Behausungen der weniger Wohlhabenden ist der idyllische, aufwändig renovierte Dreimühlenblock mit seinen um drei Innenhöfe verschachtelten Genossenschafts-Wohnungen das beste Beispiel. Bereits die dort lebenden Arbeiter des beginnenden 20. Jahrhunderts trugen ihre Lohntüte gerne in die sich zahlreich ansiedelnden Pinten. Diese Trink- und Ausgehkultur hat sich bis heute erhalten, wenngleich in veredelter Form.

Kreative entdecken die Straße für sich

Bis Ende der achtziger Jahre galt die Dreimühlenstraße als zentraler Teil eines Glasscherbenviertels - als Schauplatz, wo schon mal die Flaschen flogen. Aber nach und nach entdeckten junge Kreative, Architekten, Werber, Künstler die zahlreichen Hinterhöfe als günstige Mietgelegenheiten, Familien begannen, das ideal gelegene Areal zu schätzen: die Isarauen direkt vor der Haustür, das Stadtzentrum in 20 Minuten zu Fuß erreichbar. Einige verkehrsberuhigende Maßnahmen machten die Ecke für Kinder sicherer und schufen noch mehr Freiflächen für Lokale. Die Straße wurde schicker und teurer.

Wie in Paris

Der erste ambitionierte Wirt war Roger Baranda, der vor elf Jahren das Restaurant Makassar in der Dreimühlenstraße eröffnete. Vorher hatte er ein Lokal in der Maximilianstraße, aber der Franzose liebte mehr die Nähe zu Großmarkthalle und Schlachthof, die griechischen Gemüseläden. Für Baranda ist es dort, wie es im Pariser Viertel Les Halles früher einmal war. Er hat den Wandel der Straße genau registriert. "Damals fragten mich meine Stammgäste, wo die Dreimühlenstraße sei", sagt Baranda, "heute kennt sie jeder."

Die Kehrseite der neuen Trendlage sind steigende Mieten und die - legale - Vertreibung der Alteingesessenen. Roger Baranda sieht dennoch keine drohende Total-Yuppisierung. Er findet die Bewohner-Mischung immer noch gut bunt. Was das Viertel schütze, meint Baranda, seien fehlende Tiefgaragen - wer wolle seinen Porsche schon zum Verkratzen auf die Straße stellen. Tiefgaragen kann man aber nicht ohne weiteres bauen, dazu sind die Häuser zu alt. Noch ein schönes Beispiel dafür, wie sich Vergangenheit und Gegenwart in der Dreimühlenstraße treffen.

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