Straßen in München:Donnersbergerstraße

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Die Mischung stimmt - noch. Früher galt die Donnersbergerstraße in Neuhausen als Kleine-Leute-Meile, inzwischen sind Gutverdiener in die luxuriös renovierten Altbauten gezogen.

Christa Eder

Leute wie Franz Schröther sind ein echter Glücksfall - vor allem für Journalisten. Man braucht nur ein Stichwort fallen zu lassen, und schon sprudelt es nur so aus ihm heraus. Fragt man ihn nach der Donnersbergerstraße, läuft Schröther geradezu zur Hochform auf; denn dort kennt er jedes Haus. Persönlich. Der pensionierte Postler, Jahrgang 1946, hat dort seine Kindheit und Jugend verbracht und für die Geschichtswerkstatt Neuhausen, einen historischen Stadtteilverein, bei dem er ehrenamtlich mitarbeitet, eine Broschüre über "seine Straße" geschrieben.

"Die Donnersbergerstraß" war in den fuchziger Jahren die Reeperbahn von Neuhausen. Eine Kneipe nach der andern, jede Menge kleine Geschäfte, und das Kolibri, das einzige Nachtlokal von ganz Neuhausen. Hier hat das Leben getobt", erinnert sich Schröther, als ob es gestern gewesen wäre.

Er war live dabei, als das "Ko" von der abgetakelten Plüschbar mit Stehgeiger und "Wahl verkehrt" (Damenwahl) zum bald legendären Rock'n'Roll-Schuppen Münchens aufstieg. "Das Ko hatte eine Bühne, und die Rocking Teddie Boys haben damals, '53, ein Lokal zum Auftreten gesucht. Der Wirt hat sie zuerst nur für die Tanzteestunden am Nachmittag engagiert. Aber der Laden hatte einen dermaßenen Zulauf, dass dann auch abends nur noch Rock'n'Roll gespielt wurde".

Im Nu wurde das "Ko" zum Magneten der Münchner Halbstarken: Die Mädel in Petticoats und Pferdeschwanz, die Jungs mit Tolle und Lederjacke, "das war wie in den Filmen von damals, und alles in dieser plüschigen Einrichtung". Bald kursierten Sprüche über das Kolibri, die Schröther jetzt wieder in den Sinn kommen.

Etwa: "Geh ins Ko, dann bist du froh."

Oder: "Wer ko, geht ins Ko, wenn er no ko".

Später, in den Sechzigern, ist auch Lokalrocker Richard Rigan mit seiner Band aufgetreten. Bis 1964 steppte der Bär, dann musste das "Ko" schließen - wegen Lärmbelästigung. Außerdem war der Rock"n"Roll-Treffpunkt zu dieser Zeit schon out - die besten Bands spielten inzwischen in den Rotlichtkneipen der Goethestraße.

Außer dem "Ko" gab es auch ein paar Kneipen, die politisch interessant waren. Die ehemalige Bierhalle zum Beispiel, die Wirtschaft mit dem größten Saal. Vor dem Krieg haben sich da die Nazis versammelt, nach dem Krieg die SPD und in den Fünfzigern die KPD. "1955 hat die KPD einen illegalen Film über Ernst Thälmann gezeigt. Der Film wurde damals aus der DDR geschmuggelt. Während der Vorführung kam es zur Razzia, und die Polizei hat den Film beschlagnahmt."

Ein bisschen ging es in der Donnersbergerstraße zu wie in Schwabing, nur nicht so mondän. "Hier war immer das Kleine-Leute-Viertel", sagt Schröther, und fast hätte er vor lauter Erinnerungen den typischen "Donnersbergerstraßler" vergessen: "Der Helmut Fischer, der Monaco Franze. Auf 50a hat er mit seiner Mutter gewohnt, und er hat immer gesagt, er sei überm Pissoir vom "Bauerngirgl" aufg'wachsen, weil er über der Wirtschaft gewohnt hat. Und in den Arnulflichtspielen hat er sich hinten, beim Filmvorführer, immer die Filme angeschaut. So ist bei ihm der Wunsch entstanden, Schauspieler zu werden."

Bewegte Zeiten - doch sie kommen nicht wieder. Kneipen gibt es in der Donnersbergerstraße nur noch wenige und den typischen "Donnersbergerstraßler" gar nicht mehr. Aus dem Bauerngirgl wurde ein "Peaches". Und das Gebäude, in dem das legendäre "Ko" untergebracht war, ist in Eigentumswohnungen umgewandelt worden. Längst ist die Sanierungswelle auch in Neuhausen angekommen. Die Häuser aus der Jahrhundertwende sind luxuriös renoviert und die Gutverdiener eingezogen. Trotzdem stimmt die Mischung noch, denn es gibt auch die günstigen Eisenbahnerwohnungen für die Normalverdiener.

Die kurze Straße zwischen Arnulfstraße und Rotkreuzplatz ist ruhig, aber keine reine Wohnstraße. Architektonisch ist die vordere Straßenhälfte geprägt von Häusern aus der Jahrhundertwende mit hübschen Vorgärten und in der Mitte von Genossenschaftsbauten.

Neuhausen ist klassisches Eisenbahner- und Postlerviertel. Bis 1880 standen auf der Donnersberger nur drei Gebäude. Und die gibt es heute noch: Nummer 12, 14 und 20. Damals war sie noch gar nicht gepflastert, und die so genannte "Reinlichkeitspolizei" hielt die Bewohner dazu an, die staubige Straße regelmäßig mit Wasser zu besprenkeln.

Schröther, der auch Führungen durch die Donnersbergerstraße macht, sagt, ihre 600 Meter seien so ergiebig, dass er mehr als zwei Stunden dazu bräuchte. Viel gäbe es noch zu sagen: über die Rede von Pater Rupert Mayer, die ihn fast ins Gefängnis gebracht hätte. Über die Schlafgänger, die sich nach der Nachtschicht in die leeren Betten der Tagschichtler einmieteten. Über die Trockenwohner, die für billige Miete in die feuchten Neubauten einzogen. Über den Herrn Donnersberger oder die Eisdiele Orion. Wer's ganz genau wissen will, muss mitgehen, mit Franz Schröther.

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