Steuerflucht in die Schweiz:Geheimnis mit Löchern

Lesezeit: 2 min

In der Schweiz liegt mehr Schwarzgeld als in jedem anderem europäischen Staat. Doch der Kreuzzug gegen die Steuerflucht zu den Eidgenossen oder nach Liechtenstein trägt bigotte Züge. Denn die Alpenrepublik ist eine Steueroase, weil die EU es so will.

Gerd Zitzelsberger

Als würden deutsche Vorhalte nicht reichen, wüten jetzt auch noch die Franzosen: "Mit aller Schärfe", so hat jetzt deren Finanzminister Eric Woerth gedroht, werde seine Regierung gegen die Steueroase Schweiz und das dortige Bankgeheimnis angehen.

Tiefe Löcher hat das Schweizer Bankgeheimnis auch schon für EU-Bürger - nur reden die Eidgenossen darüber nicht gerne. (Foto: Foto: AP)

Der neue Kreuzzug gegen die Steuerflucht zu den Eidgenossen oder nach Liechtenstein trägt freilich bigotte Züge. Das Kernproblem ist nicht Bern, sondern Uneinigkeit und Inkompetenz innerhalb der EU.

2,5 Billionen Euro Schwarzgeld in der Schweiz

Berechtigt ist der Fingerzeig auf die Schweiz durchaus: Dort liegt mehr Schwarzgeld als in jedem anderen europäischen Staat. Nimmt man alle Kapitalanlagen der Ausländer zusammen, so kommt man auf die unvorstellbare Summe von 2,5 Billionen Euro.

Vor diesem Hintergrund scheinen Schätzungen nicht abwegig, wonach allein die Deutschen im Laufe der Jahre 170 Milliarden Euro in das Alpenland geschafft haben. Von den Früchten dieses Kapitals - im vergangenen Jahr vielleicht um die sieben Milliarden Euro - sieht der deutsche Fiskus nur Cents.

Läppische 80 Millionen Euro überweist Bern im Rahmen des europäischen Zinsbesteuerungsabkommens für 2007 an Berlin. Denn dieses Abkommen hat größere Löcher als Emmentaler Käse.

Es trifft nur die kleinen Steuersünder

An diesem Punkt beginnt auch bereits die Bigotterie deutscher und anderer Politiker. Zur Erinnerung: Die europäische Zinsbesteuerungsregelung sieht vor, dass jedes Mitgliedsland die Vermögenserträge von Ausländern dem jeweiligen Heimatstaat meldet.

Das Bankgeheimnis gegenüber dem Fiskus ist also faktisch aufgehoben. Doch Österreich, Luxemburg und Belgien setzten für sich eine Ausnahme durch. Dort beharren die Regierungen exakt auf dem Bankgeheimnis, das im Falle der Schweiz jetzt wieder zum Teufelswerk stilisiert wird.

Statt sogenannte Kontrollmitteilungen zu verschicken, ziehen diese drei EU-Staaten von den Zinseinkünften der Ausländer im Regelfall eine Quellensteuer ab; per 1.Juli wird ihr Satz von 15 auf 25 Prozent steigen. Von Anfang an wusste jeder, dass diese Regelung nur die Kleinsten unter den Steuersündern trifft. Wer viel Schwarzgeld bunkert, bringt es zum Beispiel in eine Firma ein und kommt damit um die Quellensteuer herum.

Exakt wie diese drei EU-Mitglieder halten es auch die Schweiz, Liechtenstein und diverse andere Steueroasen. Zu Recht argumentieren sie, dass die EU von Außenstehenden nicht strengere Vorschriften verlangen könne als von ihren eigenen Mitgliedern.

Österreich sträubt sich am stärksten

Der Schwarze Peter liegt somit nicht in Bern, nicht in Vaduz und nicht in Andorra, sondern in Wien: Die Österreicher, so heißt es auf diplomatischem Parkett, sträubten sich am stärksten dagegen, die Barrieren gegen die Steuerflucht zu erhöhen. Die EU muss also erst einmal ihr eigenes Haus in Ordnung bringen, bevor sie die moralische und vermutlich auch völkerrechtliche Legitimation hat, entsprechenden Druck auf Drittstaaten auszuüben.

Bigott verhalten sich freilich auch die Eidgenossen. Deren Finanzminister verkündet zur Beruhigung ausländischer Anleger gerne, dass er das Bankgeheimnis mit Zähnen und Klauen verteidige.

Gegenüber den eigenen Landsleuten aber hat man es mit einem billigen Trick ausgehebelt: Schöpfen Finanzbeamte Verdacht, so konfrontieren sie den Steuerzahler mit einer "Ermessensveranlagung". Der Bürger steht dann vor der Wahl, zu bezahlen oder mit einem Stapel von Kontoauszügen anzurücken.

Das Schweizer Bankgeheimnis wackelt

Tiefe Löcher hat das Schweizer Bankgeheimnis auch schon für EU-Bürger - nur reden die Eidgenossen darüber nicht gerne. Denn auf Grund einer Zusatzvereinbarung zum Schengener Freizügigkeitsabkommen gilt es nicht mehr, sofern beispielsweise die Hinterziehung von Mehrwertsteuer im Spiel ist.

Vollends außer Kraft gesetzt ist das Bankgeheimnis de facto überdies seit Jahren für amerikanische Steuerzahler. Das ist auch der Grund, warum das Schweizer Bankgeheimnis gegenüber den EU-Finanzbehörden wackelt: Die Nachbarstaaten müssen sich nicht schlechter behandeln lassen als Amerika - sofern sie sich jemals über wirksame Hürden gegen Steuerflucht einigen.

© SZ vom 14.05.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: