Steuerfahndung bei Datenschützer:Eine gewisse Ironie

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Von all den Razzien, die Steuerfahnder derzeit in Deutschland durchführen, schafft es ausgerechnet die Razzia bei Bayerns oberstem Datenschützer an die Öffentlichkeit. Mehrere hunderttausend Euro soll Karl Michael Betzl in Liechtenstein engelegt haben.

In der Affäre um Steuerhinterziehungen via Lichtenstein ist auch Bayerns oberster Datenschützer Karl Michael Betzl ins Visier der Steuerfahnder geraten. Betzls Büro- und Wohnräume in München wurden am Dienstag durchsucht. Daraufhin entschloss sich Betzl im Einvernehmen mit Landtagspräsident Alois Glück (CSU), seine Dienstgeschäfte vorläufig nicht mehr wahrzunehmen.

Betzl sehe jedoch "keine Grundlage für die Verdachtsmomente und Anschuldigungen", gab Glück ein Gespräch mit dem Datenschutzbeauftragten wieder. Betzl selbst wollte auf Anfrage keine Stellung nehmen zu den Vorwürfen: "Ich kann zur Sache nichts sagen", sagte er am Mittwoch der Süddeutschen Zeitung und bestätigte lediglich die Durchsuchungen am Vortag.

Landtagspräsident Glück musste als Betzls Dienstherr am Mittwoch mehrmals vor die Kameras treten - ohne viel sagen zu können: Betzl habe ihn am Dienstagabend informiert, tags darauf habe er dann nochmals mit Betzl gesprochen, der derzeit wegen einer Armverletzung krankgeschrieben ist.

Wie für jeden Bürger müsse auch für den Top-Beamten die Unschuldsvermutung gelten. "Das muss zweifelsfrei geklärt werden, weil das Amt eine besondere Sensibilität, gerade in solchen Fragen", mit sich bringe, sagte Glück. Kontakt zur Staatsanwaltschaft habe er nicht.

Er selbst sei "verblüfft" von den Durchsuchungen gewesen, aber auch froh, dass Betzl zur Kooperation bereit sei. Angeblich soll Betzl mehrere hunderttausend Euro in Liechtenstein angelegt haben, wie am Mittwochnachmittag von Insidern zu erfahren war. Betzl war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erreichbar.

Bayerns Regierungschef Günther Beckstein (CSU) kommentierte die Durchsuchungen mit den Worten: "Natürlich ist das nicht schön". Es sei ein Skandal, dass ein Land mitten in Europa "sein Geschäftsmodell darauf aufbaut, Fluchtburg für Steuerhinterzieher und Schwarzgeld zu sein". Es sei nicht akzeptabel, dass viele Führungspersönlichkeiten Steuern hinterzogen hätten. "Das ist genauso kriminell, wie wenn jemand betrügt oder einbricht."

Der 60-jährige promovierte Jurist Betzl ist seit Februar 2006 Bayerns oberster Datenschützer mit einem Grundgehalt von 7422 Euro. Zuvor war der Ministerialdirigent 24 Jahre lang Justiziar des Landtags. In dieser Zeit wurde er von vielen geschätzt wegen seiner kollegialen Art, seines Sinns für Diplomatie und seines zugleich legeren Umgangstons.

Begonnen hatte der gebürtige Augsburger seine Beamtenlaufbahn im bayerischen Finanzministerium, später war er in der Staatskanzlei und für die Bayerische Landesbank tätig. Dass ausgerechnet die Razzia beim obersten Datenschützer des Freistaats an die Öffentlichkeit gelangte, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

"Datenschutz ist Schutz des Individuums", hatte Betzl bei seiner Amtseinführung gepredigt. In seiner zweijährigen Amtszeit legte er sich immer wieder mit der CSU-Staatsregierung an - etwa bei der Frage der Videoüberwachung in der Öffentlichkeit. Auch missfielen ihm die Pläne der Regierung, die Daten der Lkw-Maut zu Fahndungszwecken zu nutzen.

Als "Einstieg in die generelle Überwachung" geißelte er dieses Vorhaben. Auch befürchtete Betzl, dass die Pflichtuntersuchungen für Kleinkinder, die in Bayern eingeführt werden, zu einer Art Rasterfahndung gegen Eltern werden könnten. Energisch waren auch seine Einwände gegen die geplante Online-Durchsuchung und den Einsatz von sogenannten Bundes-Trojanern.

Die Abgeordneten der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag reagierten überrascht auf die Nachricht von der Razzia bei Betzl. "Wir wählen den ja, da steht man ja auch blöd da", sagte ein Abgeordneter. SPD-Fraktionschef Franz Maget zeigte sich ebenfalls überrascht von der Durchsuchung bei Betzl. Es sei eine "vernünftige Lösung" gefunden worden, indem Betzl sein Amt vorerst nicht ausübe, sagte der SPD-Politiker.

Betzl ist mit Melanie Rengstorf verheiratet, die beim Bundesnachrichtendienst arbeitet und bekannt wurde, als im Jahr 2006 die Affäre um die Bespitzelung von Journalisten an die Öffentlichkeit kam. Damals war sie in der heftig kritisierten Abteilung Eigensicherung des BND beschäftigt. Mit der Operation des BND in Sachen Liechtenstein hat sie jedoch nichts zu tun.

© SZ vom 21.02.2008/kaa/kast/beka/o.k./bavo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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