Staatsanleihen:Geldanlage mit Allahs Segen

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Großbritannien gibt als erstes westliches Land eine Staatsanleihe für Muslime heraus - das Papier rentiert sich, obwohl keine Zinsen ausgewiesen werden.

Andreas Oldag

Rafiq Sutar hat einen kleinen Lebensmittelladen im Osten Londons. Der Muslim aus Bangladesch, der vor zehn Jahren mit seiner Familie in Großbritannien einwanderte, ist zufrieden mit seinem Geschäft. Seine Landsleute kauften gern bei ihm ein, sagt er. Doch beim Thema Geldanlage ist Sutar mit seiner neuen Heimat weniger zufrieden. "Es gibt bislang für Muslime viel zu wenige Möglichkeiten, Erspartes anzulegen", sagt der 45-Jährige. Er meint damit Anlagemöglichkeiten, die mit der Scharia, dem islamischen Recht, vereinbar sind.

Prüfender Blick: Muslimische Anleger überprüfen Finanzprodukte nicht auf ihre Rendite, sondern auf die Konformität mit den Regeln der Scharia. (Foto: Foto: AP)

Doch nun will Großbritannien seinen zwei Millionen muslimischen Einwohnern den Einstieg in den Kapitalismus erleichtern. Die britische Regierung plant als erster westlicher Staat, eine Scharia-konforme Anleihe zu begeben in Höhe von etwa 500 Millionen Pfund (650 Millionen Euro). Die Anleihe werden wahrscheinlich in erster Linie in London ansässige islamische Banken zeichnen. Sie können damit bei Ratingagenturen ihre Kreditwürdigkeit verbessern und dadurch Produkte für ihre Kunden günstiger anbieten. Nach britischen Medienberichten soll die Anleihe spätestens im nächsten Jahr auf den Markt kommen.

Wall Street verpasst Trend

"Gott hat den Kauf erlaubt und den Riba verboten" , heißt es im Koran. Riba ist der Zins. Erlaubt sind aber sogenannte "Sukuks", arabisch für Zertifikate, die das Zinsverbot des Korans umgehen. Sie basieren darauf, dass die als Gewinne deklarierten Rückflüsse - meistens am Laufzeitende - unter den Zeichnern der Anleihe aufgeteilt werden. Zudem müssen strenggläubige Muslime bei Investitionen darauf achten, dass kein Geld in die Herstellung von Alkohol oder Verarbeitung von Schweinfleisch fließt. Auch Anlagen in Firmen, die Glücksspiele anbieten, oder Casinos, sind verboten.

Für Europas größte Finanzmetropole London hat das Geschäft mit der muslimischen Welt eine strategische Bedeutung. Im britischen Finanzministerium rechnen Experten damit, dass dieser stark wachsende Markt für die Stadt einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber Finanzzentren wie New York, Paris oder Frankfurt ausmacht. Vor allem die Wall Street habe den Anschluss verpasst, heißt es in London. Das hängt offenbar auch damit zusammen, dass die Amerikaner islamische Finanzinstrumente vorschnell mit Terrorfinanzierung gleichsetzen. Infolgedessen haben viele arabische Investoren ihren Anlageschwerpunkt bereits aus den USA nach Europa verlegt. London ist dabei die erste Adresse.

Intensive Vorbereitung nötig

Experten schätzen den Markt für islamische Finanzprodukte weltweit auf etwa 320 Milliarden Euro. Das Wachstum beträgt jährlich mindestens 20 Prozent. Außer sogenannten Sukuks werden auch islamische Versicherungen und Immobilienfinanzierungen angeboten. Zu den führenden Finanzzentren für solche Produkte zählt Malaysia. Das Land hat 2002 eine erste internationale Staatsanleihe nach islamischen Recht aufgelegt. Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar und Bahrain haben nachgezogen. Sie profitieren vor allem von milliardenschweren Öl-Einnahmen, für die islamische Banken und Fonds auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten sind.

Bislang haben sich westliche Emittenten bei islamischen Staatsanleihen zurückgehalten. Das hängt auch damit zusammen, dass Scharia-konforme Produkte kompliziert sind und eine intensive Vorbereitung benötigen. Das islamische Recht kann sehr unterschiedlich ausgelegt werden und ist in vielen Bereichen eher eine allgemeine Anleitung für Muslime, wie Glaube und Berufsleben zu vereinbaren sind. Eine Islam-Firmenanleihe hat zum Beispiel das texanische Energieunternehmen East Cameron Partners vor zwei Jahren aufgelegt. 166 Millionen Dollar konnten vor allem bei Investoren im Nahen Osten eingesammelt werden.

Das Bundesland Sachsen-Anhalt wagte 2004 den Schritt auf den islamischen Finanzmarkt. Dabei handelte es sich um eine Anleihe mit einem Volumen von 100 Millionen Euro. Das Land übertrug die Nutzungsrechte von Vermögen an eine niederländische Stiftung. Die Stiftung verleast das Vermögen, darunter Immobilien, an das Land zurück. Zugleich emittierte die Stiftung Treuhandzertifikate für islamische Investoren. Die Investoren verdienen nicht an Zinsen, sondern an der wirtschaftlichen Leistung des Leasinggeschäfts. "Die Anleihe ist ein großer Erfolg. Vor allem hat sie Sachsen-Anhalt bei finanzkräftigen Investoren im Nahen Osten bekannt gemacht", heißt es im Magdeburger Finanzministerium.

© SZ vom 20.5.2008/jkf/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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