Sozialklausel:Gekündigt - und trotzdem bleiben

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Schwangerschaft oder ein bevorstehendes Examen können eine Wohnungskündigung außer Kraft setzen.

(SZ vom 26.07.2002) Selbst wenn sie rechtens ist, kann man sich gegen eine Kündigung in bestimmten Fällen wehren: mit Hilfe der so genannten Sozialklausel. Sie besagt, dass Mieter "die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen" können, wenn dessen "vertragsgemäße Beendigung für den Mieter oder seine Familie eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist" (BGB § 574).

Härtegründe

Gerichtlich anerkannte Härtegründe sind: hohes Alter, Invalidität, Gebrechlichkeit oder schwere Erkrankung, körperlicher und seelischer Schwächezustand, lange Mietdauer und Verwurzelung in der Wohngegend, Schwangerschaft, geringes Einkommen oder das bevorstehende Examen.

Passende Ersatzwohnung

Eine solche Härte liege auch dann vor, wenn "angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann". Dann dürfe man eine Fortsetzung des Mietverhältnisses so lange fordern, "wie dies unter Berücksichtigung aller Umstände" angemessen sei.

Als "angemessener" Ersatzwohnraum komme "nur eine Wohnung in Betracht, die nach Größe und Ausstattung eine menschenwürdige Unterbringung aller zum Haushalt gehörenden Mitglieder gewährleistet", weiß man beim Deutschen Mieterbund (DMB).

Auf eine Obdachlosenunterkunft, ein Alten- oder Pflegeheim braucht sich der Mieter nicht verweisen lassen.

Form des Wiederspruchs

Seinen Widerspruch gegen die Kündigung muss er schriftlich erklären und den Brief eigenhändig unterschreiben. Dem Vermieter muss das Schreiben spätestens zwei Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist zugehen.

Alte Mieter mit starken Rechten

Vor allem bei der Kündigung von Wohnungen älterer Menschen ergibt sich, folgt man den Fällen, die zum Prozess führen, bundesweit ein nahezu einheitliches Bild: Die Richter erkennen zwar an, dass der Eigentümer einer Wohnung grundsätzlich auch ein Recht darauf hat, darin zu wohnen und dem Mieter wegen Eigenbedarfs zu kündigen. Gleichzeitig aber stellen viele Juristen darauf ab, dass ältere Menschen, zumal wenn sie gebrechlich sind, weiterhin in der Wohnung bleiben dürfen.

So führte beispielsweise der Widerspruch einer 89-Jährigen gegen eine Eigenbedarfskündigung "zur Fortdauer des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit". Die alleinstehende Frau wohnte seit mehr als 20 Jahren in der Wohnung und war zu 80 Prozent schwerbehindert (Landgericht Essen, Az. 15 S 448/98). Das Landgericht Zwickau belehrte den Erwerber einer Mietwohnung, in der ein älterer Mieter wohnte, "dass das deutsche Mietrecht ein soziales" sei und gerade ältere Menschen nicht ohne weiteres aus einer Wohnung gekündigt werden könnten . (Az. 6 S 152/97

alo

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