Société Générale:"Kleiner Händler" verzockt fünf Milliarden Euro

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Die französische Großbank Société Générale und ihr Chef Daniel Bouton geraten in Erklärungsnot: Ein einfacher Angestellter hat knapp fünf Milliarden Euro "einfach verspielt". Um die aufgebrachten Anleger zu besänftigen, wollen Bouton und sein Vize auf ihren Bonus für 2007 und auf ihr Gehalt für die erste Jahreshälfte 2008 verzichten.

Ein Betrugsfall beispiellosen Ausmaßes erschüttert die zweitgrößte französische Bank Société Générale. Einer ihrer Börsenhändler verzockte in den vergangenen Monaten mit Termingeschäften 4,9 Milliarden Euro.

"Wie konnte das passieren?", muss sich Bank-Chef Daniel Bouton fragen lassen. (Foto: Foto: AP)

Der Mann sei etwa 30 Jahre alt, sagte Bankchef Daniel Bouton am Donnerstag in Paris. Er sei kein Starspekulant gewesen, sondern habe unspektakuläre Kursabsicherungen betrieben. Der Mann hatte viele kleine Geschäfte auf europäische Aktienindizes mit Futures absichern sollen. "Das war ein Trader, der mit kleinen Positionen umging", sagte Bouton. Er habe weniger als 5000 Euro verdient. Auf die Frage, ob der Händler auch hohe Prämien kassiert habe, sagte Bouton: "Er hat seine Prämie für 2007 noch nicht bekommen und ich glaube auch nicht, dass er sie fordern wird."

Nach Gewerkschaftsangaben hat der Händler "einfach gespielt". Er habe "gespielt, aber nicht zu seinen Gunsten", sagte ein Gewerkschaftsmitglied nach einem Treffen mit der Geschäftsleitung am Donnerstagvormittag. "Wir sind fast vom Stuhl gefallen", fügte der Gewerkschafter hinzu. So etwas habe es noch nie gegeben. "Man fragt sich, wie so etwas passieren kann, wo wir bisweilen wegen irgendwelcher Lappalien kontrolliert werden." Die Société Générale hatte am Morgen mitgeteilt, dass sie durch einen Händler 4,9 Milliarden Euro verloren habe.

Neben den massive Unregelmäßigkeiten musste die Bank im vierten Quartal wegen der weltweiten Kreditkrise zwei Milliarden Euro abschreiben.

Frisches Geld

Die Bank will die Löcher in der Bilanz mit einer Kapitalerhöhung stopfen. Der Betrug - "außergewöhnlich in Größe und Art" - sei erst im Januar entdeckt worden, hieß es. Der Händler habe bei Futures auf europäische Aktienindizes seine Kompetenzen massiv überschritten und sein Handeln durch komplizierte Scheingeschäfte verschleiert.

Der in Paris ansässige Mitarbeiter werde entlassen und auch seine Vorgesetzen müssen Société Générale verlassen.

Vorstandschef Daniel Bouton dagegen darf bleiben: Der Verwaltungsrat habe sein Rücktrittsangebot abgelehnt. Bouton mühte sich, die Wut der Anleger zu besänftigen. Er entschuldigte sich und erklärte, er und sein Stellvertreter Citern würden auf ihren Bonus von 2007 und ihr Gehalt für die erste Jahreshälfte 2008 verzichten. Die Aktien des Instituts waren am Donnerstag zunächst vom Handel ausgesetzt.

2,3 Milliarden Euro Verlust im Investmentbanking

Die Belastungen zehren bei Société Générale den Gewinn des vergangenen Jahres zu einem großen Teil auf: Unter dem Strich werde die Gruppe voraussichtlich einen Überschuss von 600 bis 800 Millionen Euro ausweisen. Im Vorjahr hatte die Société Générale noch 5,22 Milliarden Euro verdient. Das Investmentbanking werde mit 2,3 Milliarden Euro in die roten Zahlen rutschen. Bei den anderen Bereichen wie etwa dem internationalen Privatkundengeschäft sei mit einer soliden Entwicklung zu rechnen.

Um die Kapitaldecke zu stärken, will Société Générale über eine Kapitalerhöhung 5,5 Milliarden Euro frisches Geld einsammeln. Die beiden US-Banken JP Morgan und Morgan Stanley hätten die Kapitalerhöhung bereits komplett gezeichnet.

Die Dividende für 2007 soll den Belastungen nicht zum Opfer fallen: Der Verwaltungsrat werde vorschlagen, eine Dividende im Rahmen der Ausschüttungspolitik von 45 Prozent zu zahlen.

Nach der Ankündigung von Société Générale versuchte der Wettbewerber BNP Paribas, den Markt zu beruhigen. Man sehe im eigenen Geschäft keine außerordentlichen Verluste oder Belastungen, die eine Warnung des Marktes rechtfertigten, teilte BNP Paribas mit. Wegen der Turbulenzen will das französische Institut bereits in der kommenden Woche vorläufige Zahlen bekanntgeben. Die Aktie legte daraufhin am Morgen um rund sechs Prozent zu.

Fassungslose Börsianer

Die Nachricht über den milliardenschweren Betrugsfall sorgte bei Aktienexperten für Fassungslosigkeit. Börsianer fragten sich, wie das Fehlverhalten eines einzelnen Händlers solch einen Verlust verursacht haben soll. "Wir diskutieren das hier sehr und fragen uns, wie das möglich sein konnte", sagte ein Händler. "Bei uns gehen die Alarmglocken an, wenn jemand nur einen Bruchteil dieser Summe eingeht. Da steht innerhalb von Sekunden jemand neben dir."

Den Betrug jetzt allein dem Händler anzulasten, sei allerdings zu einfach, meinten Börsianer. Das Problem liege wohl eher in den Strukturen der Bank. "Meiner Einschätzung nach war das ein Riesenmangel im Risk Management. Da muss irgendwo ein Riesenloch sein", konstatierte ein Händler.

Börsianer im Eigenhandel einer Bank verfügen in der Regel über eine bestimmte Summe an Geld, mit der sie auf eigene Verantwortung für die Bank Geschäfte machen. Das Volumen hängt unter anderem davon ab, für wen sie arbeiten, in welchem Anlagebereich sie aktiv sind und über wieviel Erfahrung sie verfügen. "Das kann durchaus in den Milliardenbereich gehen", sagte ein Börsianer. Dass es aber ein einzelner Händler der Societe Generale geschafft haben soll, ohne Mitwisser diese Riesen-Positionen aufzubauen, mochte in den Handelsräumen niemand glauben. Vor allem deshalb nicht, weil für gewöhnlich solche Positionen täglich von mehreren Management-Ebenen kontrolliert werden sollten.

© AFP/dpa/Reuters/woja/ckn/mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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