Slowakei führt Euro ein:Abschied von der Krone

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Wer hätte das gedacht? Mit der Slowakei führt der Klassenletzte aus der Riege der postkommunistischen EU-Neulinge im Januar bereits den Euro ein.

Klaus Brill

Euro? Das Wort ist kaum gefallen, da langt der Taxifahrer schon ins Türfach und holt daraus eine Plastikdose hervor, die er triumphierend schüttelt. Geldmünzen klappern, lauter Euro. Er hat sie von ausländischen Fahrgästen als Trinkgeld bekommen und vorsorglich aufbewahrt für den Tag, der jetzt gekommen ist: Am 1. Januar 2009 führt die Slowakei als erstes Land des früheren kommunistischen Ostblocks den Euro ein. Und dann? Wird das für die Taxifahrer in Bratislava von Vorteil sein? "Ich hoffe", sagt der Mann.

Die Slowakei bereitet sich auf den Euro vor: Seit fünf Monaten werden zum Eingewöhnen alle Preise doppelt in Kronen und Euro ausgezeichnet. (Foto: Foto: Reuters)

Der Euro ist schon seit Wochen sehr präsent in dieser Stadt, wie man beim Blick durchs Autofenster sehen kann. Das Hochhaus, in dem die Nationalbank residiert, ist über zwölf Stockwerke hin mit dem Abbild einer riesigen Ein-Euro-Münze dekoriert.

Von dem Baugerüst, das auf dem Burgberg einen Teil der Außenmauer verdeckt, grüßt ebenfalls in Übergröße das Euro-Stück herab. In den Banken des Landes standen zudem seit vier Wochen Hunderttausende Slowaken Schlange, um ein Starter-Kit zu erwerben, ein dickes Probier-Päckchen mit 45 Euro-Münzen, das schwer in der Hand liegt.

Doppelkreuz auf drei Gipfeln der hohen Tatra

Die neue slowakische Variante des europäischen Hartgeldes wurde in der seit dem Jahr 1329 bestehenden Münzanstalt von Kremnica geprägt, der ältesten ihrer Art in der Welt, die ohne Unterbrechung bis heute arbeitet.

Natürlich zeigen die Geldstücke nationale Symbole: das Doppelkreuz, symbolisch auf drei Gipfel der Hohen Tatra gesetzt und die massige Burg von Bratislava. Der Wert der Münzen im Starter-Kit betrug 16,50 Euro, es gab sie zum Preis von 500 slowakischen Kronen.

Nun aber hat die Krone ausgedient, als 16. der 27 EU-Staaten tritt das Land der Euro-Zone bei. Den meisten Slowaken geht dies nicht einmal nahe, wie eine kleine Umfrage ergibt. "Es kommt, wie es kommt", sagt eine Obst- und Gemüseverkäuferin in der alten Markthalle von Bratislava. "Ich habe keine Angst."

Ein junger Mann, der auf dem Weihnachtsmarkt Fleisch und Würste brät und zum Schutz vor dem beißenden Rauch eine Motorradbrille trägt, sieht es ähnlich. "Mir ist es egal, ob die Leute in Euro oder Kronen bezahlen."

Gut informiert

Ein älteres Ehepaar hält daneben Strudel und Pfannkuchen feil, und es ist abgeneigt. "Ich bin eine stolze Slowakin, und das soll auch so bleiben", sagt die Frau und beklagt, mit der Krone verschwinde auch ein Stück nationale Identität. "Ich kenne viele Leute, die sind nicht so begeistert." Zudem stört es die Dame, dass sie in ihrer Kasse und im Geldbeutel künftig mit schweren Euro-Münzen hantieren soll, wo für vergleichbare Beträge bisher Scheine und leichte Münzen taugten.

Umfragen bestätigen dieses Meinungsbild. Im November zeigte sich ein Drittel der Bürger eher optimistisch, ein Drittel blieb indifferent, der Rest eher skeptisch.

In jedem Fall fühlt sich die Bevölkerung durch diverse Kampagnen gut informiert. Seit fünf Monaten werden zum Eingewöhnen alle Preise doppelt ausgezeichnet, und jedem Haushalt ging von Amts wegen ein Taschenrechner zum Ermitteln der neuen Preise zu.

Zudem soll ein Gesetz all jene Befürchtungen zerstreuen, die aus der schlechten Erfahrung in anderen Ländern, zuletzt Slowenien, resultieren. Dort führte die Umstellung zu Preissteigerungen, weil Kaufleute, Hoteliers und Gastwirte die Gelegenheit zu kräftigen Aufschlägen nutzten - ein Punkt, der auch die EU-Kommission in Brüssel interessiert, denn ein Anstieg der Inflation könnte die obligaten Maastricht-Kriterien tangieren.

Scharfes Preisgesetz

Der sozialdemokratische Ministerpräsident Robert Fico, der gern den Advokaten des kleinen Mannes gibt und deshalb sehr populär ist, ließ ein scharfes Preisgesetz erarbeiten.

Demnach können Kleinhändler, die in der Übergangsperiode ungerechtfertigt ihre Waren verteuern, mit hohen Geldbußen oder Gefängnis bis zu zwölf Jahren bestraft werden. Die Ankündigung führte, wie Kritiker bemängeln indes schon vor Inkrafttreten des Gesetzes zu Preiserhöhungen.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, warum die Slowaken derzeit Genugtuung gegenüber Ungarn und Tschechen verspüren.

Wer jetzt noch nachzieht, läuft Gefahr, erwischt zu werden. Wie Frantisek Palko, Staatssekretär im Finanzministerium erläutert, wurde ein komplexes System von Preiskontrollen installiert.

Das Statistische Amt und die Staatliche Handelsinspektion machen regelmäßig Stichproben in 215 Geschäften und planen weitere Aktionen zusammen mit dem Verbraucherverband. Außerdem wacht ein neuer Oberster Preisrat, der auch ein-schreiten darf. Deshalb erwartet Palko, dass man die angedrohten Strafen nicht werde verhängen müssen, weil die potentiellen Sünder sich unter Beobachtung fühlen müssen. "Wir gehen davon aus, dass der beste Schutz der gesunde Menschenverstand des Verbrauchers ist."

Grund zur Gelassenheit geben den Slowaken und ihrer Führung die Auswirkungen der Weltfinanz- und Wirtschaftskrise in Mitteleuropa. Die tschechische Krone, der polnische Zloty und der ungarische Forint sind in jüngster Zeit sehr stark gegenüber dem Euro gefallen, während die Slowaken mit ihrem festen Wechselkurs keinerlei Schwankungen verspürten. In Massen fuhren sie daraufhin in die Nachbarländer zum Einkauf billigerer Waren.

Befreiung vom Währungsrisiko

In den Augen von Staatssekretär Palko wurde diese Situation schon zum Teil bewirkt durch den Stabilisierungseffekt des Euro. Auch Martin Barto, der stellvertretende Gouverneur der Nationalbank, meint, die Einführung der Gemeinschaftswährung befreie die Firmen, insbesondere die geplagte Automobilindustrie, zumindest vom Währungsrisiko.

Bisher hat das Land nach seinen Worten "nur einige zu vernachlässigende Effekte" der großen Krise verspürt, die Banken des Landes seien gesund und stabil.

Womöglich zeigt sich seiner Meinung nach die Wirkung aber aufgrund der starken außenwirtschaftlichen Verflechtung noch mit zeitlicher Verzögerung.

Jedenfalls erfüllt es die Experten ebenso wie die Politiker und die Bürger mit Genugtuung, dass sie aufgrund der vor fünf Jahren von den Christdemokraten eingeleiteten drastischen Wirtschaftsreformen jetzt besser dastehen als die Nachbarn.

Unterton des Triumphs

Der Klassenletzte aus der Riege der postkommunistischen EU-Neulinge hat alle anderen überholt, das tut dem nationalen Selbstwertgefühl natürlich gut. "Wir waren in der Lage, genau das einzuhalten, was geplant war", sagt Vizegouverneur Barto zurückhaltend. "Das politische Gewicht der Slowakei wird dadurch vielleicht zunehmen."

Die Zeitung Sme meldete jüngst mit einem Unterton des Triumphs, die tschechische Krone sei gegenüber der slowakischen auf den niedrigsten Stand seit 1999 gefallen. Dabei haben die Tschechen doch früher die Slowaken dominiert, noch herrischer benahmen sich bis zum Ersten Weltkrieg die Ungarn, die jetzt von allen EU-Ländern wirtschaftlich am meisten in der Bredouille sind.

Auch das wird in privaten Gesprächen von Slowaken mitunter durchaus höhnisch vermerkt, zumal die Beziehungen der beiden Nachbarländer sehr angespannt sind.

Seit sich die Slowakei 1918 von der ungarischen Oberhoheit befreite, ist dies das sechste Mal, dass die Währung wechselt. Zuletzt erlebte man diese Situation vor 16 Jahren bei der Trennung der Tschechoslowakei.

Auch das besänftigt die Gemüter. Letztlich geht es nicht um die Währung, wie eine Frau in einem Supermarkt es einer Reporterin der Zeitung Hospodarske noviny erklärte: "Es ist egal, welches Geld wir im Geldbeutel haben, Euro oder Krone. Hauptsache, es ist genug davon da."

© SZ vom 30.12.2008/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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