Serie: Das 1x1 der Geldanlage (2):Die schönen Seiten der Staatsverschuldung

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Von Kurs, Kupon und Rendite: Worauf Anleger beim Kauf von Anleihen achten müssen und warum deutsche Papiere der Maßstab sind.

Simone Boehringer

Argentinien muss zahlen, urteilte das Landgericht Frankfurt erst jüngst wieder, in einem von vielen Prozessen zu Staatsanleihen, die das Land in den 90er Jahren ausgegeben hatte und seit 2002 nicht mehr bedient. Aber Argentinien denkt gar nicht daran. Obwohl es dem einst zahlungsunfähigen Land wirtschaftlich schon wieder viel besser geht, dürfte es "noch Jahre dauern, bis die Anleger Geld sehen", meint Rechtsanwalt Bernd Jochem von der Münchner Kanzlei Rotter. Er vertritt zahlreiche deutsche Investoren in der Sache, "unter ihnen ganz konservative Anleger, die mit riskanten Papieren wie Aktien nichts zu tun haben wollten", sagt Jochem. Sie waren einer Mär aufgesessen: Staatsanleihen seien immer etwas Sicheres, Aktien dagegen riskant.

Richtig daran ist: Manche Schuldtitel von Staaten gehören zu den risikoärmsten Investments der Welt. Doch dies sind in erster Linie Papiere von westlichen Industrienationen wie etwa den USA, Kanada oder den Ländern im Euroraum. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Staaten pleite gehen, ist sehr gering, schon weil die hoch entwickelte Wirtschaft dort einen immerwährenden Steuerzufluss garantiert. Die internationalen Ratingagenturen belohnen dies mit der höchstmöglichen Bonitätsnote (Kasten unten). Allerdings bekommen Anleger im Gegenzug für dieses hohe Maß an Sicherheit derzeit auch nur einen Zinssatz zwischen dreieinhalb und vier Prozent pro Jahr, eine Rate, die wenig mehr bietet als den Ausgleich der Inflation: Die Preise steigen gerade um fast drei Prozent jährlich.

Argentinien bleibt hart

Argentinien dagegen hatte für seine Anleihen zweistellige Renditen geboten. Die internationalen Ratingagenturen bescheinigten dem Staat in den 90er Jahren eine befriedigende Kreditwürdigkeit, so dass auch Privatleute zugriffen. Einer der Gründe für das wohlwollende Urteil war die feste Bindung der Landeswährung Peso an den Dollar. Doch die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in dem südamerikanischen Land wurden zu groß, die Dollar-Koppelung wurde daraufhin aufgegeben, und der Peso fiel ins Bodenlose. Die Auslandsschulden, die größtenteils auf Dollar lauteten, wurden somit für das Land unerschwinglich. Im Dezember 2001 war Argentinien zahlungsunfähig. Etwa 20 Milliarden Euro schuldet der Staat den Kleingläubigern noch und macht keine Anstalten, die Rechnung zu begleichen.

Schon vor Argentinien hatten Länder ihren Bankrott erklärt: Russland etwa Ende der 90er Jahre oder auch die Ukraine. Doch nie zuvor hatte ein Staat versucht, derart billig davonzukommen: Gerade einmal 30 Prozent ihrer Investmentsumme haben jene Anleihenbesitzer erhalten, die auf ein Umschuldungsangebot Argentiniens eingegangen sind. Üblich waren vorher bis zu 50 Prozent.

Damals wie heute gehört Argentinien zu den Schwellenländern, in der Fachsprache Emerging Markets genannt. Dazu zählen all die dynamischen Volkswirtschaften, vor allem in Südamerika, Osteuropa und Asien, deren ökonomisches und politisches System nach westlichen Standards noch als instabil gilt. Das Wirtschaftswachstum in diesen Staaten ist durchschnittlich zwar höher als in Kerneuropa, aber das Pro-Kopf-Einkommen niedriger.

Manchen Ländern könnte auch die Kraft fehlen, um in Krisenzeiten für einen reibungslosen Zahlungsfluss zwischen Staat, Bankensystem und Bürgern zu sorgen. "Emerging-Markets-Anleihen bieten überdurchschnittliche Renditechancen, haben aber dafür auch ein höheres Ausfallrisiko", erklärt Michael Ganske, leitender Schwellenland-Analyst bei der Commerzbank. Die beliebtesten Emerging-Markets-Papiere bei Investoren seien derzeit russische, brasilianische oder auch ukrainische Staatstitel, sagt er - alles Länder, die stark von der weltweit hohen Nachfrage nach Rohstoffen wie Metalle, Agrarprodukte oder Öl profitieren.

Anleihen aus Ecuador und Venezuela böten ebenfalls zweistellige Zinsen. "Aber wenn der Rohstoffboom einmal abebbt, muss die Stabilität jedes Staates neu hinterfragt werden", warnt Ganske. Genau dies ist jedoch für viele Privatanleger ein Problem: Investments in Schwellenländer müssen ständig beobachtet werden. Wer dies nicht kann, sollte lieber auf Bundesanleihen setzen - zumal er damit das Risiko schwankender Devisenkurse ausschaltet. Es sind die Papiere, die in der europäischen Währungsunion am meisten gehandelt werden.

Ihre Bedingungen sind daher Maßstab für viele vergleichbare Titel anderer Länder. Bundesanleihen gibt es mit verschiedenen Laufzeiten: Langläufer zwischen zehn und dreißig Jahren heißen Anleihen, sechs- und siebenjährige Papiere Schatzbriefe, fünfjährige Titel Obligationen und ein- und zweijährige Papiere Finanzierungsschätze. Grundsätzlich gilt: Je länger Anleger dem Staat Geld leihen, desto höher ist tendenziell der jährliche Zins, der auch Kupon genannt wird.

Einfache Berechnung

Wer eine Anleihe von Anfang bis zum Ende der Laufzeit hält, muss sich bei sicheren Papieren keine Gedanken über zwischenzeitlich auftretende Kursschwankungen machen. Wer den Titel allerdings vorzeitig verkauft oder während der Laufzeit einsteigt, muss zusätzlich die aktuellen Notierungen berücksichtigen. Denn steigt eine Anleihe im Kurs, sinkt die Rendite, also die Marktverzinsung des Papiers. Sinkt der Kurs, steigt analog dazu die Rendite. Ein Beispiel: Eine deutsche Bundesanleihe mit fünfjähriger Restlaufzeit ist mit einem Kupon von 4,25 Prozent versehen. Wer sie heute kaufen will, muss allerdings zu einem Kurs von 103,5 Prozent einsteigen, das heißt zu 103,5 Prozent des Nominal- oder Nennwerts. Teilt man den Kupon durch den Kaufkurs und nimmt das Ergebnis mal hundert, erhält man die momentane Verzinsung auf das eingesetzte Kapital: knapp 4,11 Prozent statt 4,25Prozent.

Der höhere Einstandspreis macht sich also sofort in einer sinkenden Rendite bemerkbar. Läge der Kaufpreis unter dem Nennwert, etwa bei 98,5 Prozent, ergäbe sich entsprechend eine laufende Verzinsung oberhalb des Kupons, nämlich 4,31Prozent. Genaue Renditeberechnungen können Bankberater meist auf Anhieb liefern.

Ursache der Kursveränderungen sind, wie bei Aktien auch, Veränderungen der Nachfrage. So ist das Interesse an Anleihen etwa in den vergangenen Monaten gestiegen, weil wegen der Kreditkrise Furcht vor einer wirtschaftlichen Talfahrt herrscht. Aktien erscheinen in einem solchen Umfeld als besonders riskant. Auch die Erwartung sinkender Leitzinsen kann die Kurse bestehender Staatsanleihen anheben, weil neue Titel nach einer solchen Leitzinssenkung wahrscheinlich mit einem niedrigeren Kupon ausgestattet werden, also unattraktiver sind als die derzeit erhältlichen. Umgekehrt verhält es sich, wenn steigende Leitzinsen erwartet werden.

Diese Logik gilt im Prinzip für alle Schuldtitel, bei denen regelmäßig Zinsen anfallen. Bei Anleihen, die von Firmen herausgegeben werden, den sogenannten Corporate Bonds, ist außerdem noch das besondere unternehmerische Risiko zu berücksichtigen. Je nach Position in ihrer Branche und dem Finanzpolster müssen die Betriebe für ihre Papiere einen entsprechenden Zinsaufschlag im Vergleich zu Bundespapieren zahlen.

© SZ vom 09./10.02.2008/mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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