Seminare über Hedge-Fonds:Mit Halbwissen und Halbwahrheiten

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Neugier und der Traum vom schnellen Gewinn lassen Privatanleger in Scharen zu Seminaren über Hedge-Fonds ziehen - über die Risiken erfahren sie dort wenig.

Simone Boehringer

Es ist bestes Biergartenwetter. Trotzdem ist das Parkett voll. Knapp 200 Privatleute sind am frühen Abend in den dicht bestuhlten, kühlen Münchner Börsensaal gekommen, um zwei Stunden lang bei Kunstlicht Vorträge anzuhören - gespickt mit Kurven, Zahlen und Fachbegriffen.

Einige sind offenbar froh, überhaupt einen Platz bekommen zu haben, nachdem das letzte dieser kostenlosen Spezialseminare ausgebucht war, wie der Veranstalter, der Finanzbuch-Verlag, bestätigt.

Es geht an diesem Abend nicht etwa um Grundlegendes, sondern um das Investieren in Hedge-Fonds. Wie? Richtig, es geht um eine Anlageklasse, von denen die meisten Deutschen noch nie gehört haben.

Nur einen Bruchteil ihres Geldvermögens von weit über vier Billionen Euro investieren Anleger hierzulande an der Börse - jeder zehnte Erwachsene immerhin besitzt direkt oder über einen Investmentfonds Aktien.

Wetten auf fallende Kurse

Jetzt also Hedge-Fonds. Im Unterschied zu normalen Publikums-Fonds dürfen diese Finanzvehikel auf fallende Kurse wetten. Das Management darf zum Beispiel auf Termin Positionen verkaufen, ohne diese vorher zu besitzen. Geht die Rechnung auf, liegt der Gewinn oft um ein Vielfaches höher als bei einem normalen Anlageverhalten.

Geht die Wette schief, kann aber viel mehr Geld verloren gehen als der ursprüngliche Einsatz. Zudem operieren viele Fonds zu einem mehr oder minder großen Teil mit geliehenem Geld, was die Angelegenheit noch riskanter macht. Also etwas für absolute Profis, könnte man meinen. Tatsächlich aber läuft die Marketingmaschine der Finanzbranche zu Hedge-Fonds auf Hochtouren.

Einige Geldhäuser werben aktiv für die neue Anlageklasse, die erst seit 2004 in Deutschland für das breite Publikum zum Vertrieb zugelassen ist. Beim Branchenprimus Deutsche Bank empfiehlt Chef-Investmentstratege Klaus Martini Privatanlegern schon seit Monaten, 15 bis 20 Prozent der Anlagesumme in Hedge-Fonds zu stecken. Andere Institute ahmen dies nun teilweise nach.

Weltweit gibt es mittlerweile rund 9000 Hedge-Fonds mit einem geschätzten Investitionsvolumen von bis zu 1,5 Billionen US-Dollar weltweit, sagt Malte Rubruck vom größten deutschen Onlinebroker Comdirect den Zuhörern in der Münchner Börse, bevor er darüber referiert, wann und weshalb Hedge-Fonds "eine sinnvolle Beimischung im Depot'' sein können.

Verglichen mit den etwa 100 Billionen Dollar, die rund um den Globus in Aktien und Anleihen investiert sind, machen die Hedge-Fonds freilich bislang nur einen Bruchteil aus. Doch jährlich kämen mindestens 1000 neue Fonds hinzu, referiert Rubruck. Wie seine Nachredner auch, will der Comdirect-Mann mit den Anwesenden ins Geschäft kommen. Je mehr Börsengeschäfte die Anleger tätigen, umso mehr verdient tendenziell die Bank.

Gefährliche Spekulationen

Doch die Motivation vieler Zuhörer ist eine ganz andere: "Ich habe bisher viel Negatives gelesen über die angeblich so gefährlichen Hedge-Fonds, die unser Finanzsystem gefährden sollen, aber sehr viel Geld verdienen können'', sagt etwa Helmut Schelm*.

Jetzt wolle er genau wissen, "was da dran ist und wie das gehen soll''. Der etwa 50-jährige Informatiker legt seit 30 Jahren sein Erspartes selber an. Meldungen aus den Vereinigten Staaten über Schieflagen bei Hedge-Fonds wie Amaranth oder Red Kite, die sich mit Einzelgeschäften verspekuliert hatten, haben in den vergangenen Monaten eine Diskussion darüber entfacht, ob und wie diese boomende, aber weitgehend intransparente Branche reguliert werden muss.

Sogar Staatsoberhäupter der führenden G-8-Länder haben sich auf dem Gipfel in Heiligendamm zum Thema kritisch geäußert. Die Europäische Zentralbank warnt schon länger vor den Folgen eines ungezügelten Investmentbooms in dieser Anlageklasse.

Präsent ist vielen offenbar noch die Schieflage des Fonds Long Term Capital Management (LTCM) 1998, der teilweise mit dem 30-Fachen der eigenen Mittel investiert war und nach einer Fehlspekulation drohte, den gesamten Finanzmarkt mitzureißen. Die US-Notenbank verhinderte damals Schlimmeres, indem sie die Leitzinsen senkte und renommierte Banken dazu brachte, LTCM frisches Geld zu leihen.

Doch von solchen Katastrophen ist bei dem Münchner Seminar wenig zu hören. Es geht hier vorwiegend um die Chancen von Hedge-Fonds. "Mit Hedge-Fonds kann man immer Geld verdienen, bei steigenden wie fallenden Märkten'', erklärt Oswald Salcher, Geschäftsführer des Nischenanbieters Estlander & Rönnlund, dem Publikum.

Das sei "allerdings nicht ungefährlich'', räumt er immerhin ein. Also doch nur was für Reiche und Profis? "Unterhalb einer Anlagesumme von einer Million Euro macht die Beimischung von Hedge-Fonds keinen Sinn, auch, weil dann die Nebenkosten zu hoch werden'', meint Markus Stadlmann, Chefinvestor bei der Liechtensteiner VP Bank, die ihren betuchten Kunden zu Hedge-Fonds-Investments rät. Stadlmann hat allerdings keine Rolle bei dem Seminar.

Man muss freilich nicht nach Liechtenstein oder in die Schweiz gehen, auch das Münchner Umland gehört zu den wohlhabenden Gegenden Europas. Aber das ist an diesem Abend nur die halbe Wahrheit.

Die Teilnehmer: Neugierige mit Halbwissen

Die Klientel im Börsensaal am Lenbachplatz ist bunt gemischt: Das Gros der Besucher besteht aus Neugierigen mit Halbwissen - Ingenieure, Architekten, auch Vermögensverwalter, die ihren Kunden "mehr Fundiertes zu dem Modethema'' sagen wollen, wie einer es hinter vorgehaltener Hand formuliert. Aber auch ein Callcenter-Mitarbeiter, ein paar Lehrer, einige Informatiker und sogar eine Kinderkrankenschwester sind gekommen.

Neben der politischen Diskussion zum Thema hat einige von ihnen offenbar auch die Werbung hergelockt. "Im Fernsehen auf n-tv, dem Börsensender, gibt es so viele Spots zum Thema'', meint einer der Lehrer.

Viele Anwesende haben eines gemeinsam: Einen Teil ihres Ersparten verwalten sie selbst. "Hedge-Fonds sind ein solches Reizthema, das gehört schon fast zur Allgemeinbildung'', findet die Kinderkrankenschwester Lydia Engel*.

Als eine von sehr wenigen Frauen in der ansonsten fast reinen Männerveranstaltung fällt die Mitfünfzigerin auch deshalb auf, weil sie am eifrigsten mitschreibt. Sie habe noch drei Kinder in Ausbildung, die von der Rendite der Familienanlagen bezahlt werden müssen, da könne "jedes Detail wichtig sein''.

Später am Abend resümiert sie ein bisschen enttäuscht: "Ich habe ein paar Basisinformationen bekommen, aber nicht das Gefühl, jetzt fundiert entscheiden zu können, ob Hedge-Fonds für mich eine sinnvolle Anlageklasse sind oder nicht.'' Das trifft wohl den Kern: Die meisten Besucher stürmen zum Empfang, um sich eine vorher vom Veranstalter versprochene "Tüte mit dem Buch'' abzuholen.

"Anlegen wie ein Hedge-Fonds'' ist der Titel, kostenlos vom herausgebenden Finanzbuch-Verlag. Dabei auch jede Menge Produktinformationen der Firmen der Vortragenden. Deren Mission dürfte erfüllt sein. Bei der nächsten Anlageentscheidung geht es vermutlich nicht mehr nur um Versicherungen, Aktien oder Renten.

*Namen von der Redaktion geändert

© SZ vom 09.06.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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