Selbstversuch:Fastdating mit Architekten

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Auf zur Nacht der Architekten: Über 60 Münchner Büros haben gezeigt, was sie können. Aber wieviele davon kann ein Mensch zwischen 18 und 1 Uhr eigentlich würdigen? Christian Wagner schafft acht - kurzweilige Gespräche und zwei, drei Bierchen inklusive. So viel Zeit muss sein.

Von Christian Wagner

Stadt im Fluss - so lautet das Motto der A2, der Zweiten Architekturwoche. In Bayern, darunter München, wird Architektur dem breiten Publikum vorgestellt. Dazu gehört auch die Nacht der Architekten, in der zahlreiche Büros mit Events, Präsentationen und Musik locken.

Die Nacht fängt bei den Architekten in München um 18.00 an, zumindest an diesem 10. Juli (Foto: Foto: Wirtz)

Ziemlich viel habe ich mir da vorgenommen: Von 61 Münchner Büros will ich acht schaffen, von Süden nach Norden. Der Zeitrahmen ist straff, denn das Ganze ist von 18 Uhr bis 1 Uhr begrenzt.

Ich starte in Sendling. Das Architekturbüro Trost, Wolf und Desvaux befindet sich in einem Kontorhaus der Münchner Großmarkthalle. Lange Gänge, riesige Treppen, ein Hauch der 70er drängt sich auf.

Thassilo Trost und seine Kollegen wollen 100 Fragen über Architektur beantworten. Tolle Idee, doof nur, dass in der halben Stunde, die ich für diese Station vorgesehen haben, keiner was wissen will. Wahrscheinlich kommen sie erst später, die fragenden Gäste. Schließlich ist ja quasi noch Samstagnachmittag.

19.30 Uhr und ein paar Kilometer stadteinwärts lande ich in Bogevischs Büro. Ein ungewöhnlicher Name. Einer der zwei Chefs nimmt sich 15 Minuten Zeit, um mir die Herkunft zu erklären. Hängengeblieben ist leider nur, dass der Name nix zu tun hat mit den Eigentümern oder mit Architektur. Aber das ist ja auch schon was.

Büro Bogevisch baut zurzeit das rote Studentenwohnheim auf der Panzerwiese. Aufgrund der frühen Stunde, verpassen wir leider den in rotes Licht getauchten Innenhof, die roten Würstchen und den Rotwein - und auch die angekündigte Klärung der Frage, warum Architekten immer schwarz tragen, bleibt unbeantwortet.

Um 20.15 Uhr ist ein ehemaliger Luftschutzturm dran, direkt beim Schyrenbad in der Au. Weniger Architektur als Bildhauerei ist hier gefragt, denn die dicken Mauern des Turms wurden von innen bis zur Hälfte abgetragen.

"Die Wohnungen entstehen in einer Projektgemeinschaft von Uwe Binnberg und Christoph Nicolaus", erklärt Architektin Donata Eberle. Darüber hinaus gibt es eine Fotoausstellung von S.M. Becker, der die Transformation des Gebäudes im Bild festgehalten hat.

Langsam wird es dunkel. Gegen 21.00 Uhr treffe ich bei Borkner, Feinweber und Tellmann in der Müllerstraße ein. Sie haben sich heute Abend die Ergründung der Wohnkultur auf die Fahne geschrieben. "WohnW-Orte" heißt das Thema.

Gleich hinter diesem Schild "beginnt" Architektur. (Foto: Foto: Wagner)

Jeder Gast bekommt gleich zur Begrüßung ein Paket Klebepunkte in die Hand gedrückt, mit denen er Fragen wie "Wie wollen Sie wohnen" auf einem Plaket bewerten kann: Von warm bis kalt, hell bis dunkel und trocken bis feucht ist alles dabei. Dazu gibt's Saxophon und vergnügliche Texte von Diana Brauhardt.

Gegen 22.45 Uhr drängel ich mich an Amerikanern und Japanern am Hofbräuhaus vorbei zur St. Anna Apotheke. Der 2003 fertig gestellte Umbau präsentiert die knallrote, homogene Regalwand hinter der sanierten, historischen Fassade. Da verschwindet sogar die Tür im Rot, wenn sie nicht gerade offen steht. An der Theke gibt es Vitaminsaft. Wie praktisch: Die Apotheke hat heute auch noch Notdienst.

Um 23.45 Uhr bin ich im Norden angekommen. "Inside - outside" steht auf dem Programm. Freiraumplanung und Architektur als Kooperation von Landschaftsarchitektin Heide-Marie Eitner. Ich freue mich auf das angekündigte "indoor-gardening".

Leider ist nur die geschlossene Tür da, beklebt mit Entschuldigungszettel "Die Veranstaltung muss leider ausfallen". Ein Beutel Süßigkeiten hängt daneben - na ja, das rückt zumindest den Zeitplan wieder ein wenig zurecht.

Weiter zur Pinakothek der Moderne. Etwa 20 Minuten nach zwölf treffe ich ein. Hier bietet tools.off.architecture eine audiovisuelle Installation zum Leben mit und unter Wasser. Dazu gibt es lockere Clubbeats. Zeit für das erste Bierchen.

Es ist ein Uhr, die Füße schmerzen und die Lust ist etwas abgeflaut. Ich gebe aber noch nicht auf.

Die letzte Station: das Architekturbüro Schuh in der Theresienstraße. Hier lockt Jever, Jazz und Aquise in ein Plastikblase.

"Plastique-Fantastique" hat den Innenhof in eine futuristische Folienlandschaft verwandelt. Was vormals eine schlichte Hofeinfahrt war, mutet nun an, wie der Zugang zu einem Raumschiff aus einem Hollywood-Streifen. Wer hier nicht war, ist selbst schuld.

Nach einem letzten Bier und ein bißchen Jazz kann ich nicht mehr. Schluss mit der Nacht der Architekten. Ich bin hin- und hergerissen: Einerseits hätte ich gern noch mehr gesehen. Andererseits bin ich total groggy. Schließlich bin ich von Event zu Event gehetzt wie ein Japaner durch Europa.

Alles in allem ist die Architektennacht eine gelungene Sache und, wenn man sich ein bißchen weniger vornimmt, wahrscheinlich ein rundum interessanter und gemütlicher Abend.

Die Herren in Schwarz können also nicht nur Häuser bauen. Ich komme auf jeden Fall nächstes Mal wieder. In zwei Jahren.

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