Schweiz gestattet Rasterfahndung:Steueroase auf dem Trockenen

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Brisantes Urteil: Steuersünder in der Schweiz dürfen per Rasterfahndung gestellt werden. Experten erwarten drastische Folgen - auch für Deutsche.

G. Zitzelsberger

In der Schweiz könnten Steuersünder bald per Rasterfahndung ermittelt werden. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Bern. Steuerbetrug sei weit zu fassen, schrieb das Gericht in seiner Urteilsbegründung. Bislang leistet die Schweiz sehr selten Amtshilfe bei Steuerdelikten.

In der Schweiz dürfen Steuersünder per Rasterfahndung gestellt werden. Nun besteht auch für deutsche Steuerflüchtlinge Grund zur Sorge. (Foto: Foto: dpa)

"Die Wahrscheinlichkeit, ein Unbekannter habe ein Vergehen begangen, reicht völlig aus." Es sei eine "Selbstverständlichkeit", dass "der Verdacht gegenüber einer bestimmten Person als Täter nicht erforderlich ist." Mit diesen Worten erklärt das Schweizer Bundesverwaltungsgericht in Bern die vermutlich erste Rasterfahndung in der Geschichte der internationalen Amtshilfe für rechtens.

"Das Urteil ist für mich absolut unglaublich", sagte der Basler Jura-Professor Urs Behnisch der Süddeutschen Zeitung. Das Bundesverwaltungsgericht ist die einzige Gerichtsinstanz der Schweiz, die Betroffene von der Amtshilfe in Steuersachen anrufen können. Das Urteil ist am vergangenen Donnerstag ergangen, aber noch nicht im Internet veröffentlicht. Seine Brisanz ist damit auch in der Schweiz erst einem kleinen Zirkel von Fachleuten bekannt.

Dem Urteil liegt ein Amtshilfegesuch zugrunde, das die amerikanische Steuerbehörde im vergangenen Sommer erfolgreich in Bern gestellt hatte. Wie aus der Urteilsbegründung hervorgeht, konnten die USA aber keinen mutmaßlichen Sünder beim Namen nennen. So genannte "Fischzüge" nach unauffälligen Steuersündern aber galten bislang in der Schweiz als unerlaubt. Jetzt jedoch urteilte das Gericht, die US-Behörde habe konkrete Gründe für den Verdacht von Betrügereien genannt sowie mit welchen Konstruktionen sie möglicherweise begangen wurden. Dies genüge.

Tarnfirmen besaßen Wertpapiere

Konkret fragten die USA nach Leuten mit amerikanischer Steuerpflicht, die bei der Zürcher Großbank UBS als wirtschaftlich Berechtigte von bestimmten Vermögensverwaltungsgesellschaften registriert sind oder waren. Zusätzliches Kriterium war, dass die Tarnfirmen US-Wertpapiere besaßen. Die UBS hatte schließlich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vor drei Wochen die Akten von etwa 300 ihrer Kunden ausgeliefert, die in das Raster fallen. Geklagt gegen die Amtshilfe hatte ein Amerikaner, der in dem Urteil nur mit "A." bezeichnet wird, sowie seine Tarnfirma "X." auf den Britischen Jungferninseln.

Brisant ist das Urteil zumal, weil es Anzeichen dafür gibt, dass die Schweiz künftig nicht nur bei Steuerbetrug Amtshilfe leistet, sondern auch bei "grober Steuerhinterziehung", wie Justizministerin Widmer-Schlumpf jüngst andeutete. Damit könnte es womöglich auch zu einer Rasterfahndung nach Steuerhinterziehern kommen. Zudem hat das Schweizer Bundesverwaltungsgericht in dem neuen Urteil den Begriff des Steuerbetrugs erheblich ausgeweitet. Erst im vergangenen Oktober hatte das Schweizer Bundesstrafgericht - das nicht bei Amts-, sondern bei Rechtshilfe zuständig ist - geurteilt, dass Betrug erst vorliege, wenn "ein nahezu undurchschaubares Lügengebäude" zur Steuerflucht benutzt werde. Es hatte damit einen Antrag der Bielefelder Staatsanwaltschaft zurückgewiesen.

Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts dagegen kann schon bei sehr simplen Konstruktionen ein begründeter Verdacht auf Steuerbetrug vorliegen. Im vorliegenden Fall hatte die Briefkastenfirma auf den Jungferninseln "nicht das Spiel einer selbständigen Gesellschaft gespielt", heißt es in dem Urteil. So habe ihr Besitzer "A." Anlageentscheidungen getroffen und Geld entnommen, als handle es sich um seine Privatschatulle. Das Verwaltungsgericht verweist zudem mehrfach auf Artikel 190 des schweizerischen Bundes-Einkommensteuergesetzes. Dort geht es um "fortgesetzte Hinterziehung großer Steuerbeträge". Der Unrechtsgehalt solcher Hinterziehung komme dem Betrug gleich.

Das Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland hat zwar nicht genau den gleichen Wortlaut wie jenes zwischen der Schweiz und den USA, auf dem das Urteil basiert. Doch einen allzu großen Unterschied sehe er nicht, sagte der Steuerrechtler Behnisch zur SZ. Er war in dem Fall als Gutachter für den amerikanischen Kläger tätig. "Eine Präzedenzwirkung ist zu befürchten." Manche Steuerpflichtige, auch in Deutschland müssten angesichts der Entwicklungen in der Schweiz verunsichert sein. "Ich habe etwas Angst vor den Konsequenzen."

© SZ vom 09.03.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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