Schwarzer Montag an der Börse:Allein, es fehlt der Glaube

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Finanzaufsicht und Bundesregierung versuchen, die Aktionäre deutscher Kreditinstitute zu beruhigen - die Kurse fallen dennoch

Martin Hesse

Die Worte, die beruhigen sollten, kamen rasch. "Die Engagements deutscher Kreditinstitute bei Lehman Brothers Holding, die einen Antrag auf Gläubigerschutz angekündigt hat, halten sich in einem überschaubaren Rahmen und sind verkraftbar", ließen das Finanzministerium, die Finanzaufsicht Bafin und die Bundesbank in einer Mitteilung wissen.

Doch bei den Anlegern verfehlte das Mittel seine Wirkung, sie warfen Bank-Aktien auf den Markt. Der Kurs der Commerzbank brach zeitweise um mehr als 14 Prozent ein, die Titel der Deutschen Bank verloren fast zehn Prozent. Allianz- und Postbank-Papiere sackten um rund acht Prozent ab.

"Erstmals ist eine Bank pleite, die eine ganz große Rolle im Kredithandel gespielt hat", sagt ein Bankenanalyst. Deshalb wisse keiner genau, welche Folgen das für andere Banken habe. "Andere Banken leben jetzt unter dem Generalverdacht, dass sie ähnliche Probleme haben könnten wie Lehman", sagt Jan-Pieter Krahnen, Professor an der Universität Frankfurt.

Über direkte Kreditvergaben an Lehman Brothers sind deutsche Institute nach Angaben aus Branchenkreisen kaum in Gefahr. Lehman veröffentlichte eine Liste der 19 größten Gläubiger, deutsche Namen tauchen darauf nicht auf. Auch die Schließung der deutschen Tochter von Lehman durch die Finanzaufsicht dürfte die hiesigen Banken nicht gravierend belasten. Die gesamten Verbindlichkeiten von Lehman Deutschland liegen bei 14,3 Milliarden Euro. Kundeneinlagen sind durch die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken und den Einlagensicherungsfonds weitgehend geschützt.

Als größte Gefahr sahen Experten an diesem Montag also nicht den Ausfall direkter Kredite an Lehman an, sondern einen Zusammenbruch des Marktes für hochspekulative Kreditabsicherungen, den sogenannten "Credit Default Swaps" (siehe Bericht in der rechten Spalte). In welchem Ausmaß deutsche Banken in diesem Markt Risiken ausgesetzt sind, ist nicht bekannt. Generell dürften die Pleite von Lehman dazu führen, dass die Preise vieler Wertpapiere weiter fallen. "Die Banken werden weitere Abschreibungen vornehmen müssen - da können sich Milliardenlöcher auftun", sagte Dirk Schiereck, Professor an der TU Darmstadt. Pleiten seien aber nicht zu erwarten.

Besonders argwöhnisch betrachteten Anleger am Montag die Deutsche Bank und die Commerzbank. Beide wollten sich nicht dazu äußern, inwieweit sie von der Lehman-Pleite betroffen sind. Die Deutsche Bank ist das einzige Kreditinstitut des Landes, das im internationalen Investmentbanking eine Rolle spielt. Allerdings hatte deren Vorstandsvorsitzender Josef Ackermann immer wieder betont, sein Haus habe in geringerem Umfang als die Konkurrenten in Wertpapiere investiert, die von riskanten amerikanischen Immobilienkrediten abhängen. Vielmehr entwickelte die Deutsche Bank entsprechende Wertpapiere, bündelte Kredite und verkaufte sie an Institute wie etwa die deutsche Mittelstandsbank IKB. Allerdings musste auch die Deutsche Bank bereits gut sieben Milliarden Euro abschreiben. Und Analysten erwarten weitere Wertberichtigungen.

Dennoch gilt die Deutsche Bank als stabil. Sie steuert sieben Milliarden Dollar zu dem 70-Milliarden-Dollar schweren Rettungsfonds bei, der die Geldversorgung unter zehn führenden globalen Banken sicherstellen soll. Auch zu Übernahmen sieht sich die Bank noch in der Lage. Sie kündigte vergangene Woche an, für 2,8 Milliarden Euro bei der Postbank einzusteigen. Für diesen Zukauf will sie zwei Milliarden Euro frisches Kapital aufnehmen. Ackermann betont aber, die Bank könne den Einstieg auch ohne dies finanzieren. Analysten erwarten nun, dass sich die Deutsche Bank mit der Kapitalerhöhung noch Zeit lässt. Als gefährdet wird der Einstieg bei der Postbank aber nicht angesehen.

Das gilt auch für die Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank. Den ersten Schritt des Zukaufs hat die Commerzbank bereits finanziert, unter anderem über eine Kapitalerhöhung. Allerdings beurteilen Analysten den Zukauf angesichts der neuen Turbulenzen kritisch. Sie fürchten, die Dresdner Bank, die in der Krise bereits mehr als drei Milliarden Euro verloren hat, könnte weitere Verluste erleiden. Dies träfe allerdings zunächst den bisherigen Eigentümer Allianz: Der Versicherer muss für weitere Verluste bis zu einer Milliarde Euro einstehen.

© SZ vom 16.09.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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