Schuldenreport:Vor den Trümmern der eigenen Existenz

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Die Wirtschaftskrise treibt immer mehr Menschen in die Schuldenfalle: Mehr als drei Millionen Haushalte in Deutschland sind mit ihren Zahlungsverpflichtungen überfordert.

Die Wirtschaftskrise droht immer mehr Privathaushalte in Deutschland in finanzielle Not zu treiben. Verbraucher- und Sozialverbände erwarten wegen steigender Arbeitslosigkeit einen deutlichen Anstieg von überschuldeten Verbrauchern.

Vor dem Nichts: Immer mehr Menschen sind hoffnungslos überschuldet, sie stehen vor den Trümmern ihrer Existenz. (Foto: Foto: dpa)

In ihrem "Schuldenreport 2009" warnten sie am Freitag in Berlin vor einem zusätzlichen Ansturm von Hilfesuchenden auf die Schuldnerberatungsstellen, die schon heute überlastet seien. Derzeit seien drei bis vier Millionen Haushalte nicht mehr in der Lage, ihre Zahlungspflichten zu erfüllen.

Unverantwortliche Kreditvergabe

Von Banken und Sparkassen forderten die sechs Organisationen, Schuldnern mit günstigen Kreditkonditionen zu helfen und sich an den Kosten der Schuldnerberatung zu beteiligen. "Banken in finanzieller Not erhalten milliardenschwere Unterstützung durch Steuergelder, die Kunden dagegen stehen im Regen", sagte der Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Gerd Billen.

Eine unverantwortliche Kreditvergabe sei häufig die Ursache von Überschuldung. Die Institute müssten die finanzielle Situation von Verbrauchern vor der Vergabe von Darlehen besser prüfen, sagte Billen.

Häufig seien Verbraucher durch Kreditverträge "wirtschaftlich überfordert". Anstatt überschuldeten Kunden aber niedrigere Tilgungsraten zu gewähren, böten ihnen Banken nur "oft überteuerte Umschuldungen" an, die Verbraucher "noch tiefer in das Schuldenkarussell" trieben. Bei einer Umschuldung handelt es sich um die Aufnahme eines neuen Kredits zur Tilgung eines alten Darlehens.

Das Bündnis forderte von der Politik, gegen "unverantwortliche Kreditvergabe" vorzugehen. Seien Verbraucher durch ein Darlehen "offensichtlich wirtschaftlich überfordert", müsse der vereinbarte Zins auf den gesetzlichen Mindestsatz herabgesetzt werden dürfen.

Banken übervorteilen die Kunden, sagen Verbraucherschützer

Neben möglichen rechtlichen Neuerungen für überschuldete Verbraucher sei es auch notwendig, dass die Banken die Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) an ihre Kunden weitergäben, erklärte die Initiative. Die EZB habe den Leitzins für die Eurozone seit Herbst von 4,25 Prozent auf 1,0 Prozent verringert. Dagegen seien Schuldzinsen wie etwa für Kontoüberziehung seitdem teils sogar gestiegen. Gesunken seien lediglich Anlagezinsen.

Die vor zehn Jahren eingeführte Verbraucherinsolvenz bewerteten die Verbände als Teilerfolg. Es sei positiv, dass es seitdem überhaupt eine Möglichkeit gebe, Privatleute innerhalb von sechs Jahren von ihren Schulden zu befreien, sagte der Berliner Caritas-Schuldnerberater Carlo Wahrmann. Die Aussicht auf einen Neuanfang motiviere seine Klienten. Rund 500.000 Verbraucher nutzten bislang diese Möglichkeit.

Die Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Heidi Merk, schränkte jedoch ein, das Verfahren habe nicht die gewünschte Wirkung entfaltet. Wegen geringer Einnahmen gerieten viele Betroffene nach der Insolvenz wiederum in Schwierigkeiten.

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