Schrebergarten:Grüne Lunge an der Bahntrasse

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Ein Schrebergarten in Kölns Kleingartenkolonie Zollstock ist schon für 3,20 Euro pro Quadratmeter und Jahr zu haben

Von Berit Schmiedendorf

(SZ vom 1.8.2003) Ernst und Monika Weber sitzen unter einem Klarapfelbaum, und das mitten in Köln. Sie haben beschlossen, mindestens 120 Jahre alt zu werden. Jeder von beiden, versteht sich. Wie das gehen soll? Indem sie regelmäßig die Wiese mähen, Sträucher zurückschneiden, Rosen, Rittersporn und Rankpflanzen hegen und den Gemüsegarten nach Schnecken und anderen Schädlingen absuchen. So haben sich die beiden das zumindest fest vorgenommen.

Die Webers sind Kleingärtner, zwei von etwas mehr als einer Million, die es in Deutschland gibt. Ihre 400 Quadratmeter große Parzelle liegt in Köln-Zollstock und gehört zur Kleingartenanlage der Bahnlandwirtschaft (BLW), Unterbezirk Eifeltor. "Wir sind die letzte wohnnahe Kleingartensiedlung in Köln", sagt Monika Weber und lässt sich von den nah vorbeibrausenden Zügen, die Richtung Hauptbahnhof eilen, überhaupt nicht stören. "Auf jeden Fall ist das schön an der Bahn", sagt sie bestimmt, und ihr Mann pflichtet ihr bei: "Ohne Züge ist es einfach zu ruhig."

Fisch auf dem Tisch

Seit genau 20 Jahren haben Ernst und Monika Weber ihr Gartengrundstück gepachtet. Als ein Bekannter ihnen 1983 vorschlug, Kleingärtner zu werden, war Ernst Weber erst mal skeptisch. Der Familienvater arbeitete damals als Busfahrer bei den Kölner Verkehrsbetrieben im Schichtdienst und wollte von regelmäßiger Gartenarbeit wenig wissen. Doch letztlich gaben die beiden Töchter, damals zehn und 14 Jahre alt, den Ausschlag. Denn die Wohnung, in der die Webers seinerzeit wohnten und die noch heute ihr Zuhause ist, war für vier Personen relativ klein: drei Zimmer auf siebzig Quadratmetern.

Längst sind die Kinder ausgezogen. Doch Ernst und Monika Weber bleiben in der Kröverstraße 3. Denn das Mehrfamilienhaus steht gleich hinter der Schrebergartenkolonie, zwischen Bett und Beet liegen keine hundert Meter.

"Am Anfang war das alles ein bisschen wild hier, und es gab fast nur Sträucher", erinnert sich Monika Weber. Also ist sie erst mal los, hat Blumen eingekauft und Stauden angepflanzt. "Ich habe erst mal viel falsch gemacht: zu viel gegossen, den falschen Standort gewählt. Später habe ich dann fast alles wieder abrasiert." Mittlerweile, soviel ist sicher, haben die Webers einen grünen Daumen: Vom Vorpächter stehen nur noch eine Weide, ein Haselnuss- und ein Apfelbaum. Darunter versammelt sich alles, was einen schönen Garten ausmacht: eine satte Wiese, bunte Blütenbeete, Kräuter- und Gemüsegärten, sogar ein Fischteich blubbert leise.

Der Teich ist Ernst Webers Projekt. Vor vielen Jahren hat er ihn angelegt, sogar einmal umgezogen ist er schon mit ihm. Jetzt liegt der Karpfenteich genau gegenüber der Sitzecke. Ein halbes Dutzend Kois tummelt sich im Nass, angeführt von Karpfenurgestein Ernst 88, den Ernst Weber 1988 von seinen Töchtern zum Vatertag geschenkt bekommen hat. Normalerweise ziehen die Fische friedlich ihre Bahnen, doch manchmal springen die Kois auch unvermittelt aus dem Becken und landen direkt vor der Weberschen Kaffeetafel - da ist es gut, dass Ernst und Monika für eine prompte Rückführung ins Wasser sorgen.

Im Sommer gehen die Webers nur zum Schlafen nach Hause. Ernst Weber ist bereits in Rente, und wenn Gattin Monika, die als Altenpflegerin halbtags arbeitet, mittags in den Garten kommt, wird in der Laube gekocht. Vieles, was auf die Teller kommt, ist selbst gesät und gesetzt, gehegt und geerntet: Dieses Jahr zum Beispiel haben die Webers Blumenkohl und Bohnen angepflanzt. Außerdem gibt's natürlich jede Menge Beeren für die beiden fünfjährigen Enkelinnen Michel und Julia, die, so Oma Monika, bereits ebenfalls begeisterte Schrebergärtner sind. "Die kennen einfach fast alles: Gemüsearten, Vögel, Insekten. Und die scheuen sich auch nicht, Kellerasseln anzufassen."

Politiker im Einsatz

Ganz entspannt kann sich Familie Weber dem Kleingartenidyll heute hingeben. Doch das war nicht immer so. Vor acht Jahren haben die Kleingärtner in Block 1 der BLW um ihre Grundstücke gebangt. Denn die Stadt Köln, die die Parzellen von der Bahn 1985 gekauft hatte, wollte das Areal in ein lukratives Kleingewerbegebiet umwandeln. 25 Zollstocker Schrebergärtner hatten bereits den blauen Brief im Kasten: "... kündigen wir ihren Pachtvertrag bis Ende des Gartenjahres."

Doch die Stadt hatte ihre Rechnung ohne Monika Weber gemacht: Die resolute 59-Jährige gründete kurzerhand eine Bürgerinitiative, mobilisierte Bezirksvertreter und Ratsherren, schrieb unermüdlich an den Oberstadtdirektor und sammelte Unterschriften. Mehrere Aktenordner dokumentieren ihren zähen Kampf gegen die Stadt, die erst dieses Jahr im Bebauungsplan das Gelände am Weyerstraßerweg als Kleingartenkolonie festgeschrieben hat.

"Das war eine schlimme Zeit für uns", erinnert sich Monika Weber. "Bei jedem Teil, das wir für den Garten angeschafft haben, haben wir uns gefragt: Meinst du, das lohnt sich noch?" Zwar muss die Stadt bei einer Kündigung Ersatzfläche anbieten, doch allen ist klar, dass neue Schrebergärten nur noch an der Peripherie der Stadt entstehen.

Aber die Webers hatten nicht nur viel Elan, sondern auch Glück: Mitte der achtziger Jahre standen in Köln Kommunalwahlen an, und plötzlich waren alle Parteien für die Erhaltung der Kleingartenkolonie. Sogar der damalige Bürgermeister, Heribert Blens, stattete den Zollstocker Schrebergärtnern einen Besuch ab.

Später, als klar war, dass die Gärten bleiben durften, konnte sich der Stadtverordnete Götz Bacher (SPD), der sich ebenfalls für die Erhaltung der Dauergartenlage eingesetzt hatte, des Kommentars nicht enthalten, in Zollstock die "teuersten Kleingärten von Köln" gezüchtet zu haben.

Beton und Bandsäge

In der Tat: Reich können die Kommunen mit der Verpachtung von Schrebergartenland nicht werden. Die Webers beispielsweise zahlen 3,20 Euro pro Quadratmeter und Jahr. Doch wie formulierte Monika Weber in ihrem Schreiben an den Oberstadtdirektor so treffend? "Wer will schon statt auf Grün auf triste Gewerbebetriebe und Beton sehen? Wer will statt Vogelgezwitscher das Kreischen einer Bandsäge hören?" Monika Weber weiß, was sie will. Und das mit den 120 Jahren, das kriegt sie für sich und ihren Mann Ernst wahrscheinlich auch noch irgendwie hin.

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