Schleichende Gebührenerhöhung:Ungebührend

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Deutsche Behörden kassieren immer dreister - längst hat der Bund den Überblick verloren.

Nina Bovensiepen

Die Zahl dürfte das Misstrauen vieler Bürger gegenüber dem Staat steigern: Um mehr als 60 Prozent haben Ministerien und Behörden des Bundes in den vergangenen Jahren ihre Einnahmen aus Gebühren erhöht.

Immer öfter versucht der Fiskus, den Deutschen ein Stückchen wegzuzwicken. (Foto: Foto: dpa)

Diese stiegen von 775 Millionen Euro 1998 auf 1,25 Milliarden Euro 2005. Der Staat ist ein gefräßiges Monster: Diese These erhielt mit der Antwort der Regierung auf eine Anfrage des FDP-Politikers Volker Wissing neue Nahrung.

Der Anfrage-König

Wissing, der in Berlin als Anfrage-König gilt, weil er die Bundesregierung mit seiner Neugier laufend auf Trab hält, reichte diese Zahl allein nicht aus. Er wollte mehr wissen. Etwa, warum das Umweltministerium seine Gebühreneinnahmen in sieben Jahren mehr als verzehnfacht hat, und wieso das Auswärtige Amt das Aufkommen aus Pass-, Visa- und anderen Gebühren verdoppelt hat.

Also schickte der FDP-Mann 17 weitere Fragen an die Regierung - zu Erhöhung, Einführung, Abschaffung, Art und Legitimität von Gebühren. Die 29-seitige Antwort der Regierung enthält viele interessante Ausführungen, die manch zahlenden Bürger in Rage versetzen dürften.

So legt bereits die Vorbemerkung nahe, dass dem Bund der Überblick über das Gebührenwesen seiner Behörden längst verlorengegangen ist. Eine "den Anspruch auf Vollständigkeit erhebende Beantwortung" der Wissing-Anfrage sei nicht möglich, heißt es dort. Grund sei, dass das Innenministerium derzeit eine Übersicht über "Gebührenfähigkeit und die Gebührenpflicht öffentlicher Leistungen" des Bundes erstelle. Erst wenn diese vorliege, könne man umfassend antworten. Das ist nicht eben befriedigend.

Nehmen statt geben

Immerhin so viel lässt sich den Informationen entnehmen: In den vergangenen Jahren wurden deutlich mehr Gebühren eingeführt als abgeschafft. Nur eine halbe Seite braucht die Regierung, um die seit 1998 ersatzlos gestrichenen Gebühren aufzulisten, etwa "Beiträge im Zusammenhang mit dem CB-Funk".

Drei Seiten sind indes nötig für im selben Zeitraum neu eingeführte Einnahmequellen. Dazu gehört etwa das Informationsfreiheitsgesetz, das Bürgern gegen Zahlung von bis zu 500 Euro Einsicht in Amtsakten gewährt. Oder eine neue Gebühr für die Genehmigung eines kleinen Waffenscheins. Oder Kosten für eine "Verbringungsgenehmigung für Explosivstoffe".

Auch für den Erwerb von Patenten und Emissionsrechten oder die Erteilung von Funkfrequenzen wurden im Lauf der Jahre neue Gebühren geschaffen. FDP-Politiker Wissing meint dazu: "Die explodierenden Gebühren zeigen, dass die Verwaltung diese als zusätzliche Einnahmequelle neu entdeckt."

Gebühren für Sachmittel

Die These bestätigt sich bei diskreter Nachfrage in mancher Behörde. Angesichts der Finanznot der öffentlichen Hand sind einige Häuser offenbar dazu übergegangen, mit einer Gebühr nicht nur die dafür erbrachte Leistung zu finanzieren. Stattdessen erwirtschaften sie über das Aufkommen auch Geld für Personal oder Sachmittel.

"Da sind geradezu Meisterschaften im Gange, mit welchen Tricks sich mit Gebühren mehr Geld hereinholen lässt", sagt ein Finanzfachmann, in dessen Behörde dieses Gebaren gang und gäbe sei. "Auf diese Weise beschaffen sich die Verwaltungen Geld, das sie sonst nicht mehr bekämen", erklärt der Mann, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte.

Offiziell gibt es dafür natürlich keine Bestätigung. Wissing indes fühlt sich durch seine Anfragen bereits ausreichend bestätigt. Kostentransparenz sei für die Ministerien und Behörden des Bundes nach wie vor ein Fremdwort, meint der FDP-Mann. Er wird sicher weiter versuchen, mit noch mehr Anfragen Licht in das Dunkel zu bringen.

© SZ vom 07.02.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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