Schlechte Vorgaben - hohe Kurse:Verkehrte Aktienwelt

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Die Kreditmärkte beben, der Euro erreicht Rekorde und Rohstoffe sind teuer wie nie - doch der Dow Jones schließt auf Rekord und der Dax nähert sich wieder seinem Hoch.

Martin Hesse

Über Spitzensportler sagen Kommentatoren gerne, wenn sie was erreichen wollten, müssten sie auch mal über die Schmerzgrenze hinaus gehen.

In Zusammenhang mit dem Euro empfehlen dagegen Analysten, also die Kommentatoren der Börse, er möge die Schmerzgrenze tunlichst nicht überschreiten - sonst werde die für den deutschen Aktienmarkt im Allgemeinen und für Exportwerte im Besonderen böse enden.

Aber der Euro hält sich nicht dran. Die Gemeinschaftswährung erreichte am Wochenende 1,4281 Dollar, mehr als je zuvor und mehr vor allem als jene 1,35 Dollar, die bis vor wenigen Monaten stets als Schmerzgrenze für die Industrie galten.

"Kein Mensch redet über den Euro"

Noch erstaunlicher aber als der rapide Anstieg des Euro - er gewann binnen eines Monats um fast acht Cent - ist die Reaktion der Aktienanleger. "Kein Mensch redet über den Euro. Ich halte das für gefährlich", sagte am Montag ein Händler.

In früheren Jahren entwickelten sich Dax und Euro häufig gegenläufig: Stieg der Euro (oder früher die D-Mark), kamen deutsche Aktien unter Druck, weil die Gewinne vieler Firmen stark vom Export in den Dollarraum abhingen. Seit etwa 18 Monaten sind Euro und Dax jedoch fast im Gleichschritt gestiegen.

Und nicht nur das: Auch die Krise am US-Hypothekenmarkt mit all ihren noch schwer abschätzbaren Folgen sowie die Rekorde beim Ölpreis und bei anderen Rohstoffen haben an den Börsen bislang allenfalls kleine Bremsspuren hinterlassen.

Dax nur rund 300 Punkte unter seinem Rekordhoch

Der Dax lag am Montag, einem Tag mit gleich mehreren Gewinnwarnungen aus dem Bankenlager, nahezu unverändert bei 7850 Punkten und damit nur rund 300 Punkte unter seinem im Frühjahr erreichten Hoch. Der Dow erreichte am Montagabend mit 14.088 Zählern gar ein neues Rekordniveau.

Analysten haben verschiedene Erklärungen, warum die Börsen den schwierigen Rahmenbedingungen trotzen. Vor allem halten sie die Folgen der Kreditkrise vorerst für begrenzt.

"Der Aktienmarkt ist zweigeteilt", sagt Matthias Jörss, Aktienstratege bei der Bank Sal. Oppenheim. "Finanztitel haben stark an Wert verloren und viel an schlechten Nachrichten vorweggenommen." Der Bankensektor sei daher jetzt niedrig bewertet.

Dagegen setzten Anleger bei den meisten übrigen Branchen noch darauf, dass die Auftragslage in den Firmen sehr gut ist und sie für das dritte Quartal starke Zahlen vorlegen dürften. "Der Trend lässt sich aber nur begrenzt fortschreiben", warnt Jörss.

Auftragseingang in der Industrie hat sich verlangsamt

Zwar könnten viele Unternehmen angesichts der großen Nachfrage den starken Euro und teure Rohstoffe über höhere Preise an die Kunden weiterreichen. Auf Dauer werde dies aber nicht mehr möglich sein. Neue Zahlen zeigten am Montag, dass sich der Auftragseingang in der Deutschen Industrie im August bereits verlangsamt hat.

"Die entscheidende Frage wird sein, wie stark die Weltkonjunktur unter der Kreditkrise leidet", sagt Philipp Vorndran, Investmentstratege bei Credit Suisse.

Er rechne nur mit einer leichten Abschwächung, nicht mit einer Rezession, zumal die Zentralbanken die Konjunktur mit gelockerter Geldpolitik stützten. Weil Aktien gemessen an den Firmengewinnen solide bewertet seien, hätten sie Aufwärtspotential. Falle der Dax nochmal deutlich unter 7500 Punkte zurück, sei dies eine Chance zum Einstieg.

Institutionelle Anleger beherzigen diesen Rat bereits. "Nach der zwischenzeitlichen Marktkorrektur waren durchaus einige Schnäppchenjäger unterwegs", bestätigt Dennis Nacken, Aktienstratege bei Allianz Global Investors.

Vor allem angelsächsische Investoren deckten sich wieder mit deutschen Titeln ein. Seit den 80er Jahren ist der Anteil ausländischer Aktionäre an deutschen Firmen kontinuierlich gestiegen (Grafik). Vorndran rechnet aber damit, dass der Zustrom ausländischen Kapitals an die heimischen Börsen nun nachlässt. "Die Bewertung deutscher Firmen hinkt dem globalen Durchschnitt nicht mehr so stark hinterher wie noch vor ein paar Jahren", erklärt er.

Vorstände decken sich ein

Als generell positives Zeichen werten Beobachter, dass Konzernvorstände zuletzt verstärkt eigene Aktien kauften. "Dies spricht dafür, dass es bei den Zahlen für das dritte Quartal kaum Enttäuschungen geben wird", sagte Jörss. Allerdings dürfe man ein solchen Signal nicht überbewerten, Vorstände könnten sich rasch wieder anders positionieren.

© SZ vom 2.10.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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