Room-Doctor-Service:Wohnen bis der Arzt kommt

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Wohnst Du schon oder lebst Du nur? Unzufrieden mit der Wohnung? Der "Roomdoctor" verspricht Abhilfe: ein Selbstversuch.

Philipp Hauner

Mein Zimmer hat Schnupfen. Wie sich das äußert? Von der Decke rieselt schales Licht, die Wände: karg und zierlos. Am Boden türmen sich Zeitschriften, Bücher, Tüten, CDs, Taschen, Zettel und allerlei Unrat wie angeschwemmtes Strandgut.

(Foto: Foto: Myriam Topel)

Wer mein Zimmer betritt (ich verwende den schlichten Ausdruck, weil es zugleich Schlaf-, Ess-, Wohnzimmer, Empfangsraum und Spielcasino ist), stolpert gleich in mein Bett. Wer fernsehen möchte, verrenkt sich den Rücken. Fest steht: Meine Wohnung schreit nach Hilfe. Und ich mit ihr.

Während meine Erkältung aber dank einer kräftigen Hühnerbrühe bald auskuriert ist, benötigt mein angeschlagenes Zimmer dringend ärztlichen Beistand. Ich hole: den "RoomDoctor".

Und jetzt schön der Reihe nach: Hinter dem Label "RoomDoctor" verbirgt sich eine bunte Schar junger Innenarchitekten. Ihr Ziel: Deutschlands Wohnungen wohnlicher zu gestalten. Das Novum: Der Hausbesuch ist nur online über www.roomdoctor.de buchbar.

Ein Fixpreis von 185 Euro schließt böse Überraschungen in Form horrender Rechnungen aus. Die Mittel: Geschulter Blick, Sachkenntnis und ein tiefschürfendes Gespräch mit dem Kunden. Hier sollen persönliche Wünsche und Erfordernisse herausgefiltert werden.

Deshalb ist es sinnvoll, sich schon vorab einige Gedanken zu machen: Was stört mich? Was soll anders werden? Wir sind nicht in der Vorher-Nachher-Einrichtungsshow im Fernsehen, die nach dem Motto funktioniert "Hier ist mein Hausschlüssel und jetzt macht ihr mal". Hier sind junge Profis am Werk, die das Gespräch mit dem Kunden und die Auseinandersetzung mit dem Patienten suchen.

Die Idee zum RoomDoctor kommt von den beiden Rheinländern Frank Schwinning und Ralph Jammers. Ihre Botschaft: "Teure Wohnexperimente müssen nicht sein." Der RoomDoctor will sowohl Einrichtungslegasthenikern als auch Menschen helfen, die nur noch mit Details ihrer Wohnung zu kämpfen haben.

Seit neuestem vermarkten die Mönchengladbacher Innenarchitekten den RoomDoctor über ein zentrales Franchise-System. Das Geschäftsmodell expandiert so schnell wie die Hyphen eines Pilzes. Seit Anfang Januar ist der RoomDoctor auch für Münchner Wohnungen und Geschäftsräume buchbar.

Daheim ist es am schönsten

Punkt 15.00 Uhr, es klingelt. "Guten Tag, hier ist der Roomdoctor, ich komme, um Ihre Wohnung zu kurieren" schallt es durch die Sprechanlage.

Pünktlich ist für mich zu früh. Ich öffne die Haustür und versuche, in den wenigen Sekunden, die der Aufzug von ganz unten nach ganz oben braucht, noch ein wenig in Ordnung zu bringen. Schnell mit einem Staubtuch über den Esstisch fahren, das Bett machen, die Stühle zurechtrück...doch da klopft es schon an meiner Tür.

Schweißperlen tanzen Tango auf meiner Stirn. Wird er mein Zimmer ganz abscheulich finden? Wird er sich auf der Stelle umdrehen und gehen?

Ich atme durch, drücke die Klinke und bitte den Roomdoctor herein. Eine freundliche junge Frau betritt meine Wohnung, sie trägt weiße Stiefel und ein krawattenartiges Fellband. Sie heißt Monika Berghammer und kommt vom Architekturbüro "Die Planstelle".

Zielsicher schreitet sie gen Fensterfront, öffnet die Balkontür und sagt: "Was für eine schöne Aussicht du hast, ich darf doch du sagen, oder?"

Ist das Ganze ein Ablenkungsmanöver? Muss sie, um nicht gleich in eine Schockstarre zu fallen, erst ihren Blick nach draußen wenden? Zum Glück: Nein. Denn als es ans Eingemachte geht, bekomme ich erst einmal Lob: "Die Möbel hast du im Großen und Ganzen schon ganz gut platziert." Jetzt kann ich meine Wünsche äußern. Und Berghammer hat gleich Änderungsvorschläge parat:

Von bieder bis begeistert

Zwischen Bett und Türe soll ein "textiler Raumteiler" stehen und auf der Wand über dem Bett könnte sie sich gut ein "zonengreifendes Farbband" vorstellen. So wäre der Schlafbereich besser vom Rest meines Zimmers abgegrenzt.

Dann nimmt die Innenarchitektin mein Zimmer genauer unter die Lupe. Dabei helfen ihr der altmodische Maßstab und ein modernes Vermessungsgerät, das mit Laser funktioniert. Sie macht Fotos und fertigt eine grobe Skizze an. Ob ich mir das so vorstellen könnte? Ja, und ob.

Besonders von der Ornamentiktapete und der girlanden-umwickelten Stehleuchte in der Essecke bin ich begeistert. Nicht so angetan bin ich von der Idee, meine offenen Regale mit Stoff zu verkleiden. Ist mir zu bieder.

Nach einer 90-minütigen Besprechung sind wir durch. Ich bin erleichtert. Die Erkältung meines Zimmers ist therapierbar.

In einem fünfseitigen Stufenplan, der nach drei Tagen im Briefkasten liegt, beschreibt Monika Berghammer detailliert, wie mein Patient auskuriert werden kann. Prima, dass sie auch gleich die Hersteller der Verschönerungsgegenstände angibt.

Zum Schluss wartet das Rezept mit einer besonderen Raffinesse auf: eine selbst gestaltbare, multifunktionale Truhe. Sie schluckt viel Ramsch, unterteilt das Zimmer, dient als Sitzgelegenheit für Gäste und als Stellplatz für den Fernseher. Genial. Doch: Wer hilft mir jetzt beim Bauen?

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