Rekordgehälter in Moskau:Banker statt Spione

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In Russland kämpfen westliche wie heimische Banken erbittert um Marktanteile und das beste Personal. Das Ergebnis: Top-Banker verdienen in Moskau doppelt so viel wie in New York.

Peter Martens

"Dieser Markt ist heiß, heiß, heiß. Wenn Sie hier Top-Talente halten wollen, brauchen Sie wirklich große Gehälter." Mit diesen Worten beschreibt Peter Necarsulmer die derzeitige Stoßrichtung, mit der global agierende Banken in Russland Personalpolitik betreiben.

Von politischer Freiheit kann keine Rede sein. Doch die Wirtschaft im einstigen real existierenden Sozialismus boomt. (Foto: Foto: AP)

Necarsulmer kennt die Situation aus erster Hand - er ist Chef von PBN, einer Beratungsgesellschaft, die sich auf Investitionsberatung für westliche Unternehmen in Russland spezialisiert hat. In Russland gebe es einen akuten Mangel an starken, erfahrenen Managern, so Necarsulmer gegenüber der International Herald Tribune.

Rund anderthalb Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch des Sozialismus ist die wirtschaftliche Entwicklung in Russland so dynamisch, dass US-Finanzunternehmen wie Goldman Sachs Group, Merrill Lynch oder Lehman Brothers sich einen erbitterten Kampf mit den heimischen Wettbewerbern liefern. Zu diesen gehören etwa Renaissance Capital, Troika Dialog oder die Alfa Bank.

Der Kampf um Marktanteile findet zum guten Teil auf Gehaltslisten statt. Mittlerweile gehören die in Russland gezahlten Gehälter für Investmentbanker zu den üppigsten der Welt. Und das ausgerechnet in dem Land, in dem Lenin einst seinen großen Kampf gegen den Kapitalismus startete.

Ab sieben Millionen aufwärts

Noch immer ist New York die Finanzmetropole der Welt. Doch üblicherweise liegen hier die Gehälter nur bei zwei bis drei Millionen Dollar.

An der Moskwa indes sind Verdienste von sieben bis zehn Millionen US-Dollar pro Jahr gang und gäbe. Das kurbelt das Personalkarussell in den Chefetagen kräftig an.

Etwa Mike Eggleton. Der Top-Banker ging nach Bloomberg-Informationen 2006 von Merrill Lynch zur Trust Investment Bank mit Hauptsitz in Moskau. Darufhin engagierte Merrill im Februar dieses Jahres Bernard Sucher, der Troika Dialog mitbegründet hat, um die Moskauer Niederlassung zu leiten.

"Die Lohnzuwächse für Banker mit westlicher Bildung und Russisch-Kenntnissen sind spektakulär", sagte Yiannis Demopoulos der International Herald Tribune. Der Personaler bei Delta Exekutive Search verbringt momentan viel Zeit in Moskau.

Große Zugeständnisse

"Es gibt einfach nicht genug hochqualifizierte Profis. Durch diesen Mangel schießt der Preis nach oben. Wenn Sie wollen, dass ein Banker zu Ihnen wechselt, müssen Sie große Zugeständnisse machen. Sie müssen ihm also mindestens einen mehrjährigen Vertrag und eine Beförderung anbieten", kommentiert Demopoulos.

Zu diesen Zugeständnissen sind die großen Häuser offensichtlich gerne bereit. Einige Gründe dafür: Seit fünf Jahren in Folge boomt der russische Ölmarkt, die Anzahl der Börsengänge erreicht Rekordniveau und das Land ist die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft Europas. Hinzu kommen die Steuervorteile: Zahlen Spitzenverdiener in London 40 Prozent Steuern, werden in Moskau oder St. Petersburg nur 13 Prozent fällig.

Das mögliche Ende

Unter den Bankern selbst gibt es in Bezug auf die Lohnpolitik auch skeptische Stimmen. US-Investmentbanken zahlten eindeutig zu viel, um Talente zu halten, sagt etwa Eric Kraus. Die International Herald Tribune zitiert ihn mit der Ansicht, dass das Ende der Gewinne am Aktienmarkt nach sechs guten Jahren kurz bevor stehe.

Doch noch ist der Bedarf trotz warnender Stimmen ungebrochen. Immerhin scheint es eine gewisse Entwicklung bei den Personalansprüchen im russischen Bankensektor zu geben. Igor Shechterman, Mitbegründer der exklusiven Personalvermittlung RosExpert, konstatiert: "Früher engagierten russische Banken vornehmlich ehemalige Spione und Politiker. Heute sind sie hinter Profis mit wirklicher Erfahrung her."

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