Rechtsanwalt zum neuen WEG:"Viele schwimmen noch"

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Am 1. Juli 2007 trat die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) in Kraft. Experte Wolf-Dietrich Deckert umreißt, was die Reform gebracht hat.

Interview: Andrea Nasemann

SZ: Welche Änderungen wirken sich am meisten in der Praxis aus?

Wolf-Dietrich Deckert (Foto: Foto: oh)

Deckert: Die wichtigsten Änderungen sind die neuen Beschlusskompetenzen der Wohnungseigentümer. Sie ermöglichen zum Beispiel, dass man eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels hinsichtlich der Betriebs- und Verwaltungskosten mit einfacher Mehrheit beschließen kann. Mit doppelt qualifizierter Mehrheit gilt dies auch für Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten im jeweiligen Einzelfall.

SZ: Mit positivem Ergebnis?

Deckert: Teils teils. Es ist aus Verkäufersicht etwa zu begrüßen, dass es selbst bei einer Vereinbarung in der Teilungserklärung möglich ist, dass ein Verwalter nicht mehr einer Veräußerung zustimmen muss. Das können die Eigentümer jetzt mit einfacher Mehrheit beschließen. Auch Regelungen, die die Zahlungsweise von Wohngeldbeiträgen betreffen, können mit einfacher Stimmenmehrheit beschlossen werden, was vernünftig ist.

SZ: Was gefällt Ihnen nicht?

Deckert: Große Probleme bereiten Änderungen vereinbarter oder gesetzlicher Kostenverteilungsschlüssel. Oft gilt zwischen Vermieter und Mieter ein anderer Schlüssel als unter Wohnungseigentümern. Viele neue Fragen gibt es auch in Mehrhausanlagen. Während sich früher die Eigentümer darauf verlassen konnten, dass Verwaltungsausgaben gemeinsam finanziert werden, kann nunmehr bei Sanierungen unter Umständen die qualifizierte Mehrheit der Eigentümer - also mehr als drei Viertel aller Eigentümer nach Köpfen plus mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile - eine andere Kostenverteilung treffen.

Dann müssen etwa nur die zahlen, die von der Maßnahme konkret etwas haben. Das aber führt zu Ungerechtigkeiten. Schließlich haben alle gemeinsam Rücklagen für solche Maßnahmen gebildet. Eine Mehrheit kann somit die Minderheit über den Tisch ziehen. Das schafft Rechtsunsicherheit und kann sich als Verstoß gegen den Solidaritätsgedanken auswirken.

SZ: Gibt es noch andere Probleme in der Praxis?

Deckert: Die neue Beschluss-Sammlung, die der Verwalter führen muss, ist meiner Meinung nach wenig effektiv. Kaum jemand nimmt bisher Einblick in die Sammlung, sondern begnügt sich mit den zugeschickten, aussagekräftigeren Protokollen. Es handelt sich um reinen Formalismus, der mehr Arbeit für den Verwalter verursacht und zu höheren Kosten führt, die letztendlich die Eigentümer tragen müssen.

SZ: Besteht noch Aufklärungsbedarf bezüglich der Reform?

Deckert: Im Moment schwimmen noch viele, sowohl Eigentümer als auch manche Verwalter. Es gibt auch große Unsicherheiten, zum Beispiel darüber, wie Beschlüsse richtig zu verkünden sind. So müssen bei baulichen Veränderungen Eigentümer, die durch den Beschluss nachteilig betroffen sind, der Maßnahme grundsätzlich zustimmen. Ob jemand beeinträchtigt ist, soll nach vereinzelter Literaturmeinung der Versammlungsleiter entscheiden. Dieser ist damit aber in der Regel vollkommen überfordert. Zumindest muss der Versammlungsleiter auf Beschlussanfechtungsrisiken eindeutig hinweisen.

© SZ vom 01. 04. 2009/als - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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