Raumklima:Schadstoffe mit langem Atem

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Gesundheitsschädliche Substanzen, die scheinbar der Vergangenheit angehören, sorgen in mancher Immobilie für schlechte Luft.

Lars Klaaßen

"Die Wohnung hat mir auf den ersten Blick gefallen", sagt Thomas Pohl. "Vor allem der Parkettboden im Wohnzimmer war ein entscheidender Grund für den Kauf vor anderthalb Jahren." Heute ist das Wohnzimmer Baustelle - und das Parkett ist draußen. Es hat dem Inhaber der Eigentumswohnung im wahrsten Sinne des Wortes zu viele Kopfschmerzen bereitet. Deshalb möchte der unglückliche Käufer seinen richtigen Namen auch nicht in der Zeitung lesen. Dabei ist sein Fall keine Ausnahme.

Wer in eine ältere Immobilie zieht, weiß in der Regel nicht, welche Substanzen dort verbaut worden sind. "Das Haus ist aus den sechziger Jahren und machte einen guten Eindruck", sagt Pohl. "Da kommt man ja nicht drauf, dass sich da noch Unangenehmes versteckt." Alte Holzschutzanstriche, Fugendichtungen oder Klebemittel können Bestandteile enthalten, die heute aus gesundheitlichen Gründen für den Neubau verboten sind.

"Bei mir stellten sich eine Weile nach dem Einzug regelmäßige Kopfschmerzen ein", erzählt Pohl.

Ein typisches Symptom, das von Schadstoffen in Innenräumen hervorgerufen wird, ebenso Schleimhautreizungen mit häufigem Niesen und Räuspern, Übelkeit, Schwindelgefühle und Abgeschlagenheit. Thomas Pohl schöpfte erst nach einem knappen Jahr Verdacht.

"Jeder weiß heute, dass Formaldehyd gefährlich ist, darum wird es nicht mehr verbaut. Aber es ist nicht überall entfernt worden und deshalb auch heute immer wieder Thema", sagt Herbert Danner, Baubiologe und Umweltberater für das Referat Gesundheit und Umwelt der Stadt München. Ältere Fertigparkettböden - wie in Pohls Wohnung - können deutliche Mengen Formaldehyd enthalten. Ist die Versiegelung nach langen Jahren abgenutzt, wird sie durchlässig. Dadurch kann die Ausdünstung noch zunehmen.

Auch bei Kunststoffbelägen ist Vorsicht geboten, vor allem bei PVC-Bahnen mit auffälligem Fliesendekor oder Struktur. Diese sind auf der Unterseite oft mit Asbest-Pappe beschichtet. Bis in die achtziger Jahre wurden solche Böden häufig in Wohnräumen verlegt. Asbest kann auch in Zwischenlagen, in Estrich, Klebematerialien und in der Nachtspeicherheizung sein.

"Um sicher zu sein, welche Substanzen in Wohnräumen vorhanden sind, braucht es fachmännische Beratung", sagt Danner. Äußert der Arzt den Verdacht, dass Beschwerden von Wohngiften herrühren, empfiehlt sich eine Raumluftmessung. Diese sollte nach einem anerkannten Prüfverfahren vorgenommen werden, raten das Gesundheitsreferat der Stadt München und das Umweltinstitut in der gemeinsamen Broschüre "Gesund wohnen".

Pohl hat sich an den guten Rat gehalten. Nach der Analyse wusste er, dass seine Kopfschmerzen vom Bodenbelag herrühren. Auch den Ausbau lässt er nun von einer Fachfirma erledigen. Wer an giftigen Materialien unsachgemäß herumwerkelt, kann den Schaden noch schlimmer machen, als er ohnehin schon ist. Das gilt insbesondere für Asbest. Sägen, Fräsen oder Schleifen setzt den gefährlichen Staub erst frei.

Kinder sind nicht nur empfindlicher als Erwachsene, sie krabbeln zudem noch auf dem Boden, nehmen dadurch mehr Staub auf - und stecken sich vieles in den Mund. Möbel und Bodenbeläge in Kinderzimmern sollten besonders schadstoffarm sein. Mit Naturholzmöbeln und Naturteppichen ist man auf der sicheren Seite. Konventionelle Produkte, die mit dem Siegel "Blauer Engel" versehen sind, bieten ebenfalls Sicherheit. ¸¸Da schaue ich jetzt schon etwas genauer hin als früher", sagt Pohl.

"Generell empfehlen sich beim Neubau oder beim Renovieren ökologische Produkte", sagt Bauberater Ulrich Möller. "Aber ganz so einfach ist die schlichte Trennung zwischen gutem Öko und schlechter Chemie nicht."

Beispiel Dämmung. Darf denn für den guten Zweck mit Styropor oder gar Mineralwolle gearbeitet werden? Möller bejaht das. Styropor etwa wird in der Regel an der Außenseite einer Steinwand angebracht und vor der Witterung mit Putz geschützt. Bewohner kommen nicht in Kontakt damit. Und gefährliche Schadstoffe enthält es auch nicht, im Gegensatz zur Mineralwolle. Krebs erregende Bestandteile ruinierten ihren Ruf. "Aber auch hier", sagt Möller, "hat sich in den vergangenen zehn Jahren viel getan."

Für ein schlechtes Raumklima sorgt moderne Dämmung nicht wegen der Schadstoffe, sondern weil sie konsequent dicht hält. Um Schimmel vorzubeugen ist richtiges Heizen und Lüften angesagt. "Wegen zu viel Dämmung brauche ich mir in diesem alten Haus keine Sorgen zu machen", sagt Pohl. "Und nach der Schadstoffuntersuchung weiß ich nun wenigstens, dass sich keine Gifte mehr in der Wohnung befinden." Der Kopf ist wieder klar - und der Naturholzboden auch bald fertig.

Die Broschüre "Gesund wohnen" kann kostenlos heruntergeladen oder im städtischen Umweltladen am Rindermarkt 10 in München abgeholt werden.

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