"Prototype Home 2015":Behagliche Hightech-Zwiebel

Lesezeit: 3 min

Studenten aus Darmstadt haben ein Solarhaus entwickelt, das die Energie für die Bewohner gleich mitliefert.

Oliver Herwig

Ein gutes Haus zu bauen, ist gar nicht so leicht, ein energieoptimiertes zu errichten, das auch noch behaglich ist, eine echte Herausforderung. Studierende der Technischen Universität Darmstadt (TUD) haben unter Leitung von Professor Manfred Hegger und seinen Assistentinnen Isabell Schäfer, Barbara Gehrung und Andrea Georgi-Tomas ein Haus entwickelt, das aktuelle Baustandards deutlich überflügelt. Der elegante Holzkubus namens "Prototype Home 2015" ist ein Solarhaus, das die Energie für seine Bewohner gleich mitliefert.

Den jüngsten Solar Decathlon, einen internationalen Solarhaus-Wettbewerb für umwelt-verträgliches Bauen in Washington gewannen Architektur-Studenten der TU Darmstadt mit dem von ihnen entwickelten "Prototype Home 2015". (Foto: Foto: TU Darmstadt)

Solarer Zehnkampf

"Wir haben Tag und Nacht gearbeitet, um fertig zu werden", erinnert sich Projektleiterin Isabell Schäfer. Gerade fünf Tage hatten die Bautrupps Zeit, um ihr 54-Quadratmeter-Solarhaus beim Solar Decathlon 2007 des US- Energieministeriums in der Hauptstadt Washington zu errichten. Dann ging es richtig los beim solaren Zehnkampf gegen fast zwei Dutzend Mitbewerber (nord)amerikanischer und europäischer Universitäten.

Wie bei Big Brother

Eine ganze Woche mussten die Darmstädter das wahre Leben in ihrem Eichenholzhaus meistern: kochen, waschen, duschen und mit dem Solarmobil durch die Straßen von Washington kurven - alles mit der Energie, die das Haus selbst produzierte. Ein Leben wie bei der RTL-2-Show "Big Brother", unter ständiger Beobachtung der Jury, die in einem Punkt keinen Spaß verstand: Das Haus musste garantiert ohne Komforteinbußen funktionieren.

Den ersten Durchgang - Architektur - gewannen die Darmstädter überzeugend. Dann ging es ans Eingemachte: Energieverbrauch, Komfort, Konstruktion. Ständig konnten die Teilnehmer Daten ihrer Konkurrenten übers Netz abrufen. "Jede Viertelstunde haben sie eine Excel-Tabelle ins Netz gestellt, in der alles haarklein aufgeführt war", sagt die 28-jährige Diplomingenieurin, "von der Kühlschranktemperatur bis zum Batteriestand".

Hinter der reduziert wirkenden Fassade des energieautarken Eichenholz-Kubus steckt jede Menge Haustechnik. (Foto: Foto: TU Darmstadt)

Kopf-an-Kopf-Rennen

Nach dem zweiten Durchgang rangierten die Studierenden der Universität Maryland auf den dem ersten Platz. Und noch am Abend vor der letzten Prüfung kam es zum Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Alter und Neuer Welt. Maryland führte, Darmstadt lag dahinter, bis "Engineering" anstand. "Der Sieg war sehr knapp", gibt Schäfer zu. Der Batteriestand könnte den Ausschlag gegeben haben, er lag bei den Darmstädter höher. Aber auch die zurückhaltende Hülle überzeugte. Der deutsche Entwurf birgt zwar eine Menge Technik, ist aber bewusst schlicht gehalten, dank passiver Systeme wie Wänden, die tagsüber Energie speichern und sie nachts abgeben.

Zwiebel-Prinzip

Der deutsche Sieger steckt voller guter Ideen: Das Passivhaus ist wie eine Zwiebel aufgebaut. Die äußere der drei Schichten besteht aus Eichenholz-Lamellen, die in Einzelfertigung mit Solarzellen beschichtet wurden. Die mittlere Schicht wirkt wie die Isolation in einem Kühlschrank. Glas und Vakuumisolationspaneele dämmen. Erst die letzte Schicht beinhaltet die Haustechnik. Trotz Hightech haben die 25 Studierenden einheimische, nachwachsende Rohstoffe verwendet und den Bewohnern ein Maximum an Komfort gegeben.

Seit 2006 hatte das Team am Entwurf gefeilt. "Durchhaltevermögen war das Wichtigste", sagt Schäfer, "alle sind bei der Stange geblieben." Die angehenden Architekten haben eine Menge über ökologisches Bauen gelernt und zudem Managementfähigkeiten trainiert. 100.000 Dollar gab das Amerikanische Energieministerium für die Realisierung des Projektes, aber allein der Transport des Holzrahmenpavillons verschlang 160.000 Euro.

Zurück auf der Lichtwiese

Zum Glück fand das TU-Team Sponsoren aus der Wirtschaft und nahm im Jahr 2007 die Siegerurkunde in der Kategorie "Architektur" beim Wettbewerb der Ikea Stiftung "Wohnen in der Zukunft" in Empfang. Spenden in Höhe von circa einer halben Million Euro stecken in dem Zukunftshaus, das bis Mitte Juli am Stuttgarter Hauptsitz der Firma Bosch zu sehen war und vor kurzem nach Darmstadt auf die Lichtwiese zurückgekehrt ist: Nach vorheriger Anmeldung kann man es besichtigen (E-Mail: ischaefer@ee.tu-darmstadt.de).

Roadshow mit zweitem Modell

Ein kommerzielles Produkt muss preiswerter werden. 250.000 Euro veranschlagen die Baumeister für ein Serienmodul, das bis 2015 auf den Markt kommen könnte. Bis dahin springt die Bundesregierung ein und finanziert eine Roadshow mit einem zweiten Modell. 2009 sind die Darmstädter auf jeden Fall wieder dabei in den USA. Sie wollen einiges verbessern bei Bauausführung und Konstruktion. Und wenn das nichts bringt? "Dann steht 2010 Madrid an, mit dem europäischen Zehnkampf", sagt Isabell Schäfer. Die Studenten lassen nicht locker, sie wollen über die Energiezukunft nicht nur debattieren, sie wollen einen Beitrag dazu leisten.

© SZ vom 05.09.2008/jw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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