Private Finanzen:Zinsen im Höhenrausch

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Die Rendite lang laufender Bundesanleihe erreicht den höchsten Stand seit dem Jahr 2002. US-Titel bringen mehr als fünf Prozent ein. Der Markt für Staatspapiere erwacht aus einem Dornröschenschlaf.

Simone Boehringer

"Ben Bernanke hat die Anleihenmärkte wachgeküsst." Was sich liest wie missglückte Prosa, ist einer der ersten Internetkommentare - bezogen auf den US-Zentralbankchef - zum Kursrutsch am amerikanischen Anleihenmarkt Ende vergangener Woche.

Nach Monaten von Bondrenditen weit unterhalb von fünf Prozent schoss die Rendite der marktbeherrschenden zehnjährigen US-Staatsanleihe bis auf 5,25 Prozent in die Höhe.

Entsprechend rauschten die Kurse am liquidesten Markt der Welt in den Keller, und mit ihm auch die Notierungen an Europas Anleihenmärkten. Ursächlich für den Kursverfall, der einherging mit einem breiten Verkauf von US-Treasuries, waren nach Meinung von Analysten Äußerungen Bernankes gewesen.

Künftige Anleihen des Staates könnten mehr Zinsen bringen

Entgegen den Erwartungen vieler Experten hatte er erklärt, dass er angesichts optimistischer Konjunkturdaten keine Notwendigkeit für eine Leitzinssenkung sehe.

Weil er sich auch warnend über mögliche Inflationsrisiken äußerte, lasen manche Experten daraus, dass die Leitzinsen womöglich weiter steigen - und der Markt, der solche Erwartungen sofort in die Kurse einrechnet, reagierte mit sinkenden Notierungen.

Dahinter steht die Überlegung, dass es bald lohnender sein könnte, Neuemissionen des Staates mit einem Kupon zu kaufen, der dann höher ist als die Verzinsung der Papiere, die man gerade noch hält. Weil viele Anleger so denken und verkaufen, fällt der Kurs.

Am Montag hatten sich die Märkte zwischenzeitlich beruhigt, doch am Dienstag ging es mit den Kursen weiter nach unten beziehungsweise die Renditen zogen wieder an. Der zehnjährige US-Bond rentierte sich am späten Abend mit 5,27 Prozent, dem höchsten Stand seit fünf Jahren.

Für eine entsprechende Bundesanleihe lag der Wert bei 4,61 Prozent. Die Finanzagentur des Bundes gab zudem bekannt, dass es für neue zweijährige Schatzanweisungen jetzt eine Nominalverzinsung von 4,50 Prozent.

Das ist der höchste Wert seit sechs Jahren. "Latente Inflationsängste dominieren weiter den Handel", stellten die Analysten der Frankfurter Helaba fest. Mehrere Notenbanker hatten weltweit vor dem Hintergrund der guten Konjunktur vor einer beschleunigten Geldentwertung gewarnt und damit indirekt eine weitere Straffung der Geldpolitik in Aussicht gestellt.

Vergangene Woche hatte die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins erwartungsgemäß auf 4,00 Prozent angehoben. Auch die Frankfurter Währungshüter sahen Inflationsrisiken und ließen an weiteren Zinsschritten kaum Zweifel. Bis zu viereinhalb Prozent sind drin, rechnet das Gros der Zinsexperten.

Aus diesem Grund könnte sich auch "für langfristig orientierte Anleger am europäischen Bondmarkt schon bald wieder der Einstieg lohnen", meint Sönke Siemßen, Leiter der Rentenmarkt-Analyse bei der BayernLB.

"Bundesanleihen waren lange sehr teuer, nach der jüngsten Kurskorrektur sind sie weitgehend fair bewertet", findet Christoph Balz, der die Anleihenmärkte für die Commerzbank beobachtet.

Lange hatten die meisten Banken Kunden geraten, sicher anzulegendes Geld in Kurzläufern oder sogar auf täglich verfügbaren Geldmarktkonten zu parken. Man verpasste nichts, weil es kaum weniger Zins dafür gab als für Alternativen mit langer Bindung. Das ändert sich nun.

"Die Bondkurse könnten zwar noch etwas fallen", meint Balz. "Zum einen, weil die EZB-Entscheidung noch nicht voll in den Kursen enthalten ist, und zum anderen, weil noch weitere positive Konjunkturdaten herauskommen dürften."

Das könnte weitere Zinserhöhungs-Phantasien aufkommen lassen.Wie sein Kollege Siemßen rät Balz Anlegern aber, bis maximal zum Frühherbst zu warten, um möglichst tiefe Einstiegskurse zu erzielen.

Wer dann seine Langläufer wirklich lange hält, könnte die letzten Jahre vor dem Verkauf sogar noch von einem Kursanstieg profitieren. Das hängt davon ab, ob und wann die EZB und vor allem auch die US-Notenbank Fed mit ihrer Politik auf einen Zinssenkungs-Zyklus umschwenken.

Aufschlüsse darüber, wie es im Leitmarkt in den USA weitergeht, erhoffen sich Marktbeobachter eventuell am Freitag, wenn Fed-Chef Bernanke bei der regionalen Federal Reserve Bank of Atlanta spricht.

Spätestens im Juli bei der nächsten Anhörung des Zentralbankchefs vor dem US-Senat dürfte es Klarheit über die Zinsrichtung geben.

Ungeahnte Unterstützung für die Bondkurse könnte es bis dahin allerdings auch von den zuletzt eher instabilen Aktienbörsen geben. Zum einen macht jede Zinserhöhung Bonds im Vergleich zu Aktien attraktiver.

Zum anderen könnten auch die sich häufenden Aktiencrash-Warnungen vermehrt zu Umschichtungen in Anleihen führen, was wiederum die Bondkurse stützen würde.

© SZ vom 13.06.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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