Pfund Sterling unter Druck:Schwindsucht eines nationalen Symbols

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Einst verspotteten die Briten den Euro als "Klo-Währung", doch nun verliert ihr Pfund dramatisch an Wert. Dennoch hat der Euro auf der Insel kaum eine Chance.

Andreas Oldag

Gerry Gilmore ist auf die britische Regierung von Premierminister Gordon Brown nicht gut zu sprechen. Der 65-jährige Pensionär aus London hat sich 2007 in Spanien ein Ferienhaus gekauft - und hat nun Probleme mit den Ratenzahlungen.

Verliert zusehends an Wert: 20-Pfund-Note mit dem Konterfei der britischen Regentin Elisabeth II. (Foto: Foto: dpa)

"Labour ist schuld daran, dass das Pfund abgestürzt ist", klagt Gilmore. "Es ist ein Jammer mit dem Wertverlust unserer Währung. Ich habe einen Kredit in Höhe von 80.000 Euro bei einer spanischen Bank aufgenommen."

So wie ihm geht es derzeit Tausenden Briten, die sich im Ausland Immobilien gekauft haben oder dort ihren Urlaub verbringen wollen. Sie müssen die bittere Erfahrung machen, dass ihre Währung gegenüber dem Euro und dem Dollar dramatisch an Wert verloren hat.

Für Gilmore schien die Investition in Spanien vor zwei Jahren aufgrund der damaligen Stärke der britischen Währung noch ein Schnäppchen zu sein. Doch weil er für seine Pfund Sterling im Umtausch zum Euro mittlerweile deutlich weniger erhält, hat sich der Euro-Kredit für ihn erheblich verteuert. "Ich weiß nicht, wie lange ich mir mein Ferienhaus noch leisten kann", sagt Gilmore.

Ende des Verfalls vorerst nicht in Sicht

Zum Jahreswechsel ist das britische Pfund gerade noch 1,0199 Euro wert gewesen. Das ist der niedrigste Wert seit Einführung des Euro im Jahr 1999. Im vergangenen Jahre hat das Pfund gegenüber der europäischen Gemeinschaftswährung etwa ein Viertel seines Außenwerts verloren.

Ein Ende des Verfalls ist vorerst nicht in Sicht. Analysten im Londoner Finanzviertel rechnen damit, dass das Pfund bereits im Januar mit dem Euro gleichziehen wird. Gerard Lyons, Chefökonom der britischen Bank Standard Chartered, meint sogar, dass das Pfund mittelfristig an den internationalen Devisenmärkten auf 0,90 Euro abrutschen wird.

Briten mit der dicken Brieftasche im Ausland würden 2009 seltener werden, prophezeite die Londoner Zeitung Evening Standard. Das Symbol für die britische Stärke gehe "baden", meinte das Boulevardblatt Sun.

Konservative Kommentatoren schieben die Verantwortung für den Pfundabsturz vor allem der Labour-Regierung zu. Sie habe durch ihre allzu lockere Finanzpolitik und hohe Verschuldung das internationale Vertrauen in die britische Währung verspielt, lautet der Vorwurf.

Doch in erster Linie ist die Pfundschwäche ein Ergebnis der düsteren Konjunkturlage. Mehr als andere europäische Volkswirtschaften ist die Insel von der internationalen Finanzkrise betroffen.

Haus-Party ist zu Ende

Ähnlich wie in den USA konnten die Briten in der Vergangenheit auf einen beispiellosen Immobilienboom bauen. Doch nun ist die Haus-Party zu Ende. Die Folge: Immer mehr Briten stehen vor dem Bankrott. Die privaten Verbindlichkeiten sind schon jetzt im Schnitt doppelt so hoch wie auf dem europäischen Kontinent. Konsumabhängige britische Branchen verzeichneten im Dezember einen ihrer schlechtesten Monate seit der Konjunkturkrise 1990.

Jahrelang hat die boomende Banken- und Finanz-Branche in der Londoner City Investoren aus dem Ausland angezogen. Vor allem die Golfstaaten, aber auch Schwellenländer in Asien, hatten in Pfund-Anlagen investiert.

Der Vertrauensverlust in britische Finanzfirmen im Zuge der weltweiten Finanzkrise hat dagegen nun zu einem rapiden Kapitalabzug geführt. Banker im Londoner Finanzviertel sprechen von einer regelrechten Flucht aus dem Pfund, das neben Dollar und Euro bislang einer der wichtigsten Reservewährungen der Welt ist.

Hinzu kommt, dass die britische Notenbank die Leitzinsen in den vergangenen Monaten immer wieder gesenkt hat. Im Dezember kappten die Währungshüter die Zinsen auf zwei Prozent. Sie liegen damit unter dem Zinsniveau der Europäischen Zentralbank EZB.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, warum Großbritannien 1992 das Europäische Währungssystem (EWS) verließ.

Der Chef der britischen Notenbank Mervyn King will mit einer Politik des billigen Geldes einer tiefgreifenden Rezession entgegensteuern. Die Kehrseite ist allerdings, dass jede Zinssenkung Pfundanlagen noch unattraktiver macht.

Schraubt King die Zinsen weiter herunter, nimmt er in Kauf, dass die britische Währung an den Devisenmärkten weiter abstürzt. Andererseits will der bedächtige Notenbanker auch nicht als Bremser für einen von Labour dringend erhofften Wirtschaftsaufschwung dastehen. Und Premierminister Brown hat zu verstehen gegeben, dass ihm sogar eine Leitzinssenkung auf Null recht ist, um die Konjunktur wieder in Gang zu bringen.

Für viele Briten ist die Schwindsucht ihrer Währung eine neue Erfahrung. Ähnlich wie die alte D-Mark gilt das Pfund Sterling als ein nationales Symbol. Immerhin fußte das Britische Empire schon finanziell auf dem Pfund.

In vielen damaligen britischen Kolonien zirkulierte die Währung und förderte damit einen intensiven Handelsaustausch zwischen den Commonwealth-Ländern. Die 1694 gegründete Notenbank (Bank of England, BoE) sah sich stets als Stabilitätshüter des Pfund Sterlings. Sie druckt übrigens alle Banknoten für England und Wales. In Schottland und Nordirland dürfen dagegen auch einige Geschäftsbanken, beispielsweise die Royal Bank of Scotland, Pfundnoten drucken.

Spekulationswelle gegen das Pfund

Eine der für die britische Währung folgenschwersten währungspolitischen Entscheidungen war der Beitritt des Pfundes 1990 zum europäischen Währungssystem (EWS) unter der damaligen konservativen Premierministerin Margaret Thatcher.

Sterling war dadurch an feste Wechselkurse gegenüber anderen europäischen Währungen gebunden. Doch schon im September 1992 kam es zu einer massiven Störung aufgrund einer Spekulationswelle von internationalen Investoren gegen das Pfund - unter ihnen auch der amerikanische Milliardär George Soros. Sie hielten die britische Währung für überbewertet.

Am 16. September 1992, dem sogenannten schwarzen Mittwoch, gab der damalige Finanzminister Norman Lamont bekannt, dass sich Großbritannien aus dem Wechselkursmechanismus zurückzieht. Soros konnte mit seiner Währungsspekulation Milliardengewinne kassieren und galt fortan als der Mann, der die Bank of England sowie das Pfund in die Knie gezwungen hatte.

In den folgenden Jahren konnte sich die britische Währung jedoch stabilisieren. Sie profitierte dabei vor allem auch vom langanhaltenden Wirtschaftsaufschwung unter der Labour-Regierung von Premier Tony Blair seit 1997. Kein Zufall, dass die Briten 1999 bei der Einführung des Euros nicht dabei waren. Das Pfund wollten sie keineswegs gegenüber der verhöhnten "toilet Währung" also Klowährung, eintauschen.

Der Euro stand stellvertretend für die schwerfälligen Volkswirtschaften auf dem Kontinent, die jahrelang beim Wachstum hinter den Briten herhinkten. "Objektiv gesehen hat sich das Blatt nun allerdings gewendet", meint ein Banker in London.

Keine Signale in Richtung Euro

"Großbritannien zählt zu den Hauptopfern der Finanzkrise in Europa. Mit dem Euro könnten die Briten ihre wirtschaftlichen Probleme sicherlich einfacher lösen. Doch fraglich ist, ob das die Gemeinschaftswährung automatisch attraktiver macht."

Auch von der Labour-Regierung sind bislang keine Signale in Richtung Euro gekommen. Regierungschef Brown stemmte sich schon als damaliger Finanzminister der Blair-Regierung vehement gegen die Einführung des Euro auf der Insel.

An seiner Anti-Euro-Haltung hat sich bis heute nichts geändert. Auch von den konservativen Torys unter Parteichef David Cameron ist kein Flirt mit dem Euro zu erwarten. Und Hausinvestor Gilmore will ebenso vom Euro nichts wissen, obwohl er zu den Verlierern der Pfundschwäche gehört. "Der Euro bedeutet für mich die Herrschaft Brüssels und der Europäischen Zentralbank in Frankfurt", sagt der Pensionär. "Wir Briten wollen unabhängig sein."

© SZ vom 02.01.2009/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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