Offene Grundrisse:Das Wohnschlafbadezimmer

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Die Nachfrage nach offenen und flexiblen Bereichen wird größer, das Angebot allerdings bleibt klein.

Lars Klaaßen

"Wer wissen möchte, welcher Grundriss für die eigenen vier Wände der beste ist, muss zunächst seine Wohnbedürfnisse analysieren", sagt Michael Hetterich. Der Würzburger Architekt setzt sich mit seinen Kunden intensiv auseinander, bevor es ans Planen geht. "Viele angehende Bauherren haben Stereotype im Kopf, die ihren eigenen Bedürfnissen nicht unbedingt entsprechen."

Ein Wunsch: Platz zum Kochen und Wohnen (Foto: Foto/ Hersteller: Boffi)

Wer sich seine Wünsche vor Augen führt, wird oft mit Widersprüchen konfrontiert: Soll es ein offenes Zuhause sein, das innen Weitläufigkeit bietet und fließend in den Außenbereich übergeht? Oder ein geschütztes Eigenheim, das jedem Bewohner Rückzugsmöglichkeiten bietet? Beides lässt sich selten in einem Haus verwirklichen.

Hetterich hat sich entschieden, als er sein eigenes Haus baute: Küche und Wohnraum gehen ineinander über. Das großzügige Raumensemble ist lediglich durch eine Glasfront von Terrasse und Garten getrennt. Selbst in den klassischen Bereichen des intimen Rückzugs herrscht Offenheit: Schlafzimmer und Bad gehen ineinander über, ohne strikte Trennung durch eine Tür. Damit geht Hetterich weiter als die meisten seiner Kunden. Doch das Konzept entspricht in weiten Teilen den neuen Wünschen an den Wohnungsbau.

Die Erfahrungen aus dem Arbeitsalltag des Architekten decken sich mit den Ergebnissen, zu denen das Institut für Soziale Stadtentwicklung (IFSS) bei einer bundesweiten Umfrage kam. Anhand von computeranimierten Wohnungsführungen wurden 1600 Personen nach ihren Wünschen und Meinungen befragt: Welcher Grundriss soll es sein?

"Zwei Tendenzen ließen sich dabei ablesen", berichtet Armin Hentschel, Geschäftsführer des IFSS, "Küchen, die groß genug sind, um sich darin auch aufhalten und essen zu können. Darüber hinaus stehen bei vielen statt der vorhandenen kleinen Bäder ohne Fenster Wellnessbereiche auf der Wunschliste."

Ein Epochenwandel zeichnet sich hier ab: Küchen und Bäder wurden von der klassischen Moderne im 20. Jahrhundert als Funktionsbereiche deklariert - kompakte und effiziente Bestandteile von Wohnmaschinen. In postindustriellen Zeiten sind Erlebniszonen gefragt.

Woran sich die Bedürfnisse orientieren, hängt freilich auch von Alter, Bildung und Einkommen ab. Die Befragten zwischen 18 und 35 Jahren bezeichneten in weiten Teilen das Loft mit offenem Grundriss als erstrebenswert. Das separate Wohnzimmer hat bei den Jüngeren an Bedeutung verloren. Ältere hingegen sind häufig noch für die Wohnküche zu begeistern, wollen aber eine klare räumliche Trennung zum Wohnzimmer. Bei ihnen gilt jedoch auch: Je höher Bildung und Einkommen, desto eher erscheinen avantgardistische Lösungen attraktiv.

Der Klassiker - ein Flur, von dem alle Zimmer abgehen - wird zum Auslaufmodell, zumindest auf den Wunschlisten. In platzsparend geschnittenen Reihenhäusern wird zunehmend auf raumgreifende Erschließungsflächen verzichtet. Wer dort hereinkommt, steht fast unmittelbar im Küchen- und Wohnbereich.

Damit erlebt das eine Renaissance, was im späten 18. Jahrhundert verschwand. Bis dato waren Flure oder Korridore keine obligaten Bestandteile von Wohnbereichen gewesen. Niemand nahm Anstoß, wenn Bedienstete dem badenden Hausherrn begegneten. Die bürgerliche Sittenstrenge des 19. und 20. Jahrhunderts machte dem ein Ende - dank Flur bleibt die Privatsphäre in ausnahmslos jedem Zimmer gewahrt. Inzwischen hat sich der soziale Umgang aber wieder gelockert.

Ein weiterer Umstand ändert die Bedürfnisse: 80 Prozent der Haushalte in Großstädten bestehen aus maximal zwei Personen. "Sogenannte neutrale Grundrisse, in denen alle Wohnräume möglichst gleich groß sind, braucht in den Städten kaum noch jemand", sagt Hentschel. Doch solche Wohnungen gibt es nach wie vor en masse. Flexible Häuser, deren Grundrisse an unterschiedliche Haushaltsformen angepasst werden können, sind selten.

Eine Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit existiert nicht zuletzt im Stadtraum München: "Das Gefälle zwischen großer Nachfrage und begrenztem Angebot erweist sich als Standortnachteil, weil Anreize zum anspruchsvollen Bauen fehlen", meint Hentschel. "Die Qualität der Münchner Wohnungen ist im bundesweiten Vergleich mittelmäßig bis unterdurchschnittlich." Doch auch an guten Beispielen fehlt es nicht: In der Werkbundsiedlung Wiesenfeld entstehen Wohnungen, die den gewandelten Anforderungen gerecht werden sollen.

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