OECD über deutsche Familienpolitik:Dürftige Ergebnisse, desaströse Pläne

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Schlechtes Zeugnis für die deutsche Familienpolitik: Der Abstand zwischen Frauen-und Männergehältern ist größer als in fast allen anderen Industriestaaten, wie eine Studie der OECD zeigt. Lob gab es für das Elterngeld. Das von der Union geforderte Betreuungsgeld kommt gar nicht gut davon.

Felix Berth und Kathrin Werner

Der Abstand zwischen Frauen- und Männergehältern ist in Deutschland größer als in fast allen anderen Industriestaaten. Nur in Japan und Korea sind die Unterschiede noch stärker ausgeprägt, bilanziert eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD), die am Donnerstag vorgestellt wurde.

Eine der Ursachen sieht die OECD in der deutschen Familienpolitik, die dreijährige Elternzeiten erlaubt: "Eine lange Babypause ist für die Karriere einer Frau nicht hilfreich", urteilt die OECD. Je länger eine Mutter wegen ihrer Kinder aus dem Job aussteige, umso niedriger falle später ihr Gehalt aus. Den Verdienstabstand deutscher Männer und Frauen beziffert die Studie mit mehr als zwanzig Prozent.

Die Studie "Babies and Bosses", die die Löhne in 17 OECD-Staaten vergleicht, beziffert den Verdienstabstand zwischen deutschen Männern und Frauen mit mehr als zwanzig Prozent. Dies deckt sich mit Berechnungen des Statistischen Bundesamtes, wonach der deutsche Unterschied in den letzten zehn Jahren zwischen 21 und 23 Prozent lag. Der Durchschnittswert der EU-Länder liegt demnach bei 15 Prozent; das europäische Land mit den geringsten Unterschieden ist Malta, wo Männer nur vier Prozent mehr verdienen als Frauen.

Die OECD-Studie kritisiert auch andere Teile der deutschen Familienpolitik scharf. So gebe der deutsche Staat zwar vergleichsweise viel Geld für Familien aus, doch das Ergebnis sei dürftig. Vor allem die Kinderarmut sei erheblich höher als in skandinavischen Staaten oder Frankreich.

Daran trage die Familienpolitik eine Hauptschuld: Das Armutsrisiko steige, wenn Frauen nicht arbeiten, weil Kinderbetreuung fehlt oder finanzielle Anreize zum Ausstieg aus dem Job groß sind. So seien Kinder in Familien, in denen nur ein Elternteil arbeitet, dreimal so häufig von Armut betroffen wie Kinder, deren Eltern beide berufstätig sind.

Besonders schwierig sei die Lage der deutschen Alleinerziehenden. Sie hätten mangels Kinderbetreuung wenig Chancen, ihre Berufe auszuüben: "Die Erfahrung aus anderen OECD-Ländern zeigt, dass den Alleinerziehenden Betreuungsmöglichkeiten angeboten werden müssen'', sagte der OECD-Experte Willem Adema.

Lob findet die OECD für den von der Bundesregierung beschlossenen Ausbau der Kinderbetreuung und das Elterngeld, das nur im ersten Jahr nach Geburt eines Babys gezahlt wird: "Damit wird verhindert, dass Frauen, die sich in der Regel um Kinder kümmern, zu lange aus dem Job sind und später Einbußen hinnehmen müssen'', sagte Adema.

Spitzenreiter Dänemark

Das von der Union geforderte Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kleinkinder nicht fremdbetreuen lassen möchten, bewertet die OECD als "desaströs". Es "zerstöre die Anreize zur Arbeitsaufnahme", wodurch die Babypausen länger würden. Dies führe dazu, "dass Arbeitgeber vor der Einstellung von Frauen zurückschrecken oder in geringerem Umfang in ihre Karriere investieren". Das Kindergeld müsste die Bundesrepublik nach Einschätzung der OECD nicht erhöhen. "Deutschland gibt genug Geld aus", sagte Adema. "Es muss nur weiser eingesetzt werden."

Wenn Frauen Kind und Karriere vereinbaren können, wirkt sich das nach der OECD-Studie auch auf die Geburtenraten aus. In Ländern, in denen viele Frauen arbeiten, werden inzwischen auch die meisten Kinder geboren. In Dänemark, dem Spitzenreiter der Studie, sind mehr als 70 Prozent der Frauen und über 80 Prozent der Alleinerziehenden berufstätig. Gleichzeitig zählt Dänemark zu den Ländern mit den meisten Geburten. "Politiker sollten aufhören, über Geburtenraten zu diskutieren", sagte Adema. "Sie müssen einfach dafür sorgen, dass es für Frauen leichter wird, berufstätig zu bleiben, wenn sie ein Kind bekommen."

© SZ vom 30.11.2007/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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