Neues Scheidungsrecht:Nachschlag holen auf die Rente vom Ex

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Es geht womöglich um mehrere Hundert Euro monatlich: Scheidungsurteile aus der Zeit von 1977 bis 2009 sollten geprüft werden - oft wurden Versorgungsausgleiche falsch berechnet.

Von Berrit Gräber

Wer sich zwischen dem 1. Juli 1977 bis zum 1. September 2009 scheiden ließ, sollte den alten Scheidungsbeschluss unbedingt prüfen lassen. Denn: Etwa die Hälfte der sechs Millionen Versorgungsausgleiche für getrennte Paare aus dieser Zeit ist aus heutiger Sicht falsch berechnet. Das erklärt Volker Rabaa, Familienrechtsanwalt aus Stuttgart.

Nach neuem Recht steht einem Drittel der ehemaligen Partner - das sind gut eine Million Ex-Frauen von Männern mit Zusatzrenten - ein deutlicher Nachschlag zu. Vor 2009 bekamen diese Geschiedene zu wenig von den Zusatzrenten ihrer ehemaligen Gatten ab. Das lässt sich jedoch auch im Nachhinein noch ändern. Für die betroffenen Frauen können mithilfe einer Neuberechnung des Familiengerichts oft einige hundert Euro mehr Rente im Monat drin sein. Ein Überblick.

Wer ist betroffen?

Gute Chancen auf mehr Rente haben Frauen und Männer, deren Ex-Partner eine berufsständische Versorgung hat, also Ärzte, Zahnärzte, Architekten, Steuerberater und Rechtsanwälte. Profitieren kann auch, wessen Ex neben der gesetzlichen Rente noch eine betriebliche Altersversorgung hat wie Direktzusagen von der Firma, Pensionsfonds, Unterstützungskassen und ähnliches, eine private Absicherung oder eine Beamtenversorgung. Null Aussicht auf Nachbesserung besteht, wenn die Ex-Gatten ausschließlich eine gesetzliche Rente hatten.

Warum tätig werden?

Seit 1. September 2009 müssen Familiengerichte anders rechnen, wenn es um den Versorgungsausgleich bei einer Scheidung geht. Sämtliche Rentenansprüche von Ehepartnern werden jetzt geteilt. Heute gilt stets: halbe-halbe. Vorher fiel einiges an Altersversorgung schlicht unter den Tisch. Der frühere Ausgleich basierte allein auf der gesetzlichen Rentenversicherung. So konnte der zusätzlich abgesicherte Ehepartner - in der Regel der Mann - seine Betriebsrente komplett behalten. Er musste dafür mehr von seiner gesetzlichen Rente an die Ex abgeben - ganz so, als hätte er gar nicht zusätzlich über die Firma fürs Alter gespart.

Wie kam es zur Benachteiligung?

Die Zusatzrente wurde mit Hilfe von Tabellen, der so genannten Barwertverordnung, umgerechnet. Und so wurden aus den 600 Euro Betriebsrente plötzlich 240 Euro gesetzliche Rente. Davon bekam die Geschiedene die Hälfte, also 120 Euro. Und der Rest von 180 Euro? Löste sich in Luft auf. Nach heutigem Recht bekäme die Frau volle 300 Euro zugesprochen. "Jetzt brauchen Sie sich nur vorzustellen, welche Beträge sich bei einer berufsständischen Ärzte- oder Architekten-Versorgung von 3000 Euro monatlich ergeben", sagt Rabaa.

Was genau ist zu tun?

Betroffene können ein Abänderungsverfahren vor dem Familiengericht beantragen. Das geht frühestens sechs Monate vor Rentenbeginn. Zwar gibt es keinen Anwaltszwang. Ohne Familienrechtsexperten sind Laien aber überfordert. Grundsätzlich muss jede Partei vor Gericht die Hälfte der Gerichts- und Anwaltskosten tragen. Eine Rechtschutzversicherung kann vorteilhaft sein. Auch wer schon in Rente ist, kann sein Scheidungsurteil neu aufrollen lassen. Aber: Rückwirkend gezahlt wird nicht. Bringt die Neuberechnung tatsächlich mehr Rente, fließt das Geld ab dem ersten Tag des Monats nach Antragstellung.

Welche Voraussetzung gilt?

Vor dem Verfahren muss eine finanzielle Hürde genommen werden. Für 2013 liegt sie bei 53,90 Euro. Um so viel mehr im Monat müsste die Rente vom Ex mindestens nachgebessert werden können - sonst fängt das Familiengericht gar nicht an, neu zu rechnen. Diese sogenannte Wesentlichkeitsgrenze lässt sich noch vor einem Termin beim Anwalt kostenlos unter www.rvr.de/rvr/84/Vorpruefung-der-Erfolgsaussicht.html selbst prüfen. Die nötigen Daten stehen im Scheidungsurteil.

Was gibt es zu bedenken?

Will die Geschiedene im Nachhinein mehr Rente, geht der Rosenkrieg oft noch einmal von vorn los. Vielen Ex-Gatten falle der Schritt nicht leicht, sagt Rabaa. Die Folgen können so aussehen: Ist der Ex selbst schon Rentner, wird sein zu hohes Ruhegeld sofort um ihren neuen Anteil gekürzt. Stünde der Ruhestand noch bevor, muss er von Anfang an Einbußen hinnehmen. Hat der Versorgungsträger dagegen vom alten Recht profitiert, wie häufig der Fall, muss der Ex gar keinen Rotstift fürchten.

© SZ vom 27.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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