Neues Mietrecht:Knecht oder König

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Im Westen müssen Mieter unzumutbare Bedingungen erfüllen, im Osten können sie Forderungen stellen.

Joachim Käppner

(SZ vom 01.09.2001) "Ja mei", sagt die Maklerin. Sie hat sich nicht vorbereitet, was gibt es auch groß zu sagen? Über die Wohnung, die sie vermieten will, weiß sie nur zwei Dinge: 2300 Mark monatlich, zwei Mieten Provision für ihre Bemühungen. Das Objekt ist eine kleine Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung im beliebten Münchner Viertel Haidhausen, nach zehn Jahren Wohngemeinschaft dringend renovierungsbedürftig, selbstverständlich nicht auf Kosten des Vermieters. Muss man das selbst bezahlen? "Ja mei." Einer der 47 Interessenten, die vom 4. Stock bis hinunter auf die Straße stehen, wird die Bude schon nehmen.

In Dresden dagegen locken Schilder in den Fenstern schöner Altbauten, Angebote der Makler: Neustadt, saniert, Parkett, 5 Zimmer? Und auf Nachfrage: Kinder, Hunde, Klavier, alles gern gesehen, alles kein Problem.

Mietpreise in Deutschland

5,60 Mark Nettokaltmiete kostet im Schnitt der Quadratmeter Altbau in Dresden, so haben es die Marktforscher des Rings deutscher Makler (RdM) ausgerechnet. In München sind es 17,40 Mark.

In München ist der Mieter Knecht, in Dresden König. So unterschiedlich wie der deutsche Mietmarkt selbst ist traditionell auch die Beurteilung des Mietrechts durch die Interessenverbände.

Meinungsverschiedenheiten

Das Einzige, was den "Deutschen Mieterbund" und den "Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer" über Jahre verband, war die zur Perfektion trainierte Fähigkeit, über denselben Gegenstand höchst entgegengesetzte Klagen mit dem gemeinsamen Tenor vorzutragen: Alles wird immer schlimmer.

Das neue, entrümpelte Mietrecht ist daher so etwas wie der Versuch eines historischen Kompromisses. Es bringe, so die federführende Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD), "mehr Klarheit und hilft, Streit zu vermeiden". Da sie gleichzeitig betont, das Recht müsse "für den Schwächeren Partei ergreifen", reagiert der Mieterbund ungewohnt milde: Die Reform, sagt seine Präsidentin Anke Fuchs (SPD), "ist kein Grund zum Feiern, aber wir sind zufrieden." Ihr Kontrahent aber, Grundbesitzer-Präsident Friedrich-Adolf Jahn, klagt über erneute "staatliche Einmischung".

Mieten statt Eigentum

Zwar hat die Regierung Kohl die Gesetzgebung - von der Einführung der Staffelmiete bis zur Lockerung der Mietpreisbindung - durchaus zu Gunsten der Vermieter geändert. Aber dennoch sind die Deutschen ein Volk von Mietern geblieben. 60 Prozent der Bevölkerung wohnt nicht in den eigenen vier Wänden. In Großbritannien etwa sind es nur 31 und in Frankreich 46 Prozent, entsprechend höher sind dort die Mieten.

Geschichte des Mietrechts

Der Streit um das Mietrecht war stets so etwas wie ein Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen. Während der industriellen Revolution Ende des 19.Jahrhunderts war der Mieter, jedenfalls der insolvente aus den unteren Schichten, ein rechtloses Wesen, eingezwängt in Mietskasernen am Rande der Fabriken.

Erst 1923 erließ die Regierung der Weimarer Republik ein Mieterschutzgesetz, und danach begann eine Phase, die so kurz wie einmalig bleiben sollte: Der Mieter wurde zum Objekt eines sozialpolitischen Experiments. In den Wohnsiedlungen des "Neuen Bauens" sollte ein neuer, aus grauen Mauern befreiter Mensch leben, was mitunter einer Kampfansage an den Kapitalismus gleichkam.

In Wien stehen noch Arbeiterburgen wie der Karl-Marx-Hof, errichtet als sozialistische Bastionen in der bürgerlichen Stadt. Solche Wohnungen kosteten einen Arbeiter etwa fünf Prozent seines Einkommens, andererseits fühlten sich Bewohner durch den staatlichen wie architektonischen Gestaltungswillen oft so bevormundet, dass eine Berliner Revue 1928 sang: "Fort mit Schnörkel, Stuck und Schaden! Glatt baut man die Hausfassaden! Fort die Möbel aus der Wohnung! Fort mit was nicht hingehört! Ich behaupte ohne Schonung: Jeder Mensch, der da ist, stört!"

Der Versuch des ersten Berliner Baustadtrats nach 1945, Hans Scharoun, noch einmal daran anzuknüpfen und Grund und Boden für ein "neues soziales Bauen" zu vergesellschaften, fand bei den Westalliierten wenig Gehör.

In der Bundesrepublik setzten sich der Markt und das Prinzip der freien Mietpreisbildung durch, freilich gebremst durch die Politik des "sozialen Mietrechts", von der noch keine Bundesregierung, bei allen Differenzen im Detail, grundsätzlich abgerückt ist. Der Versuch, das Ansteigen der Mieten staatlich zu beschränken, und der Kündigungsschutz für Mieter führten zu jahrzehntelangem Dauerstreit - und daran wird sich nichts ändern.

Schon hat der Eigentümerverband angekündigt, Vermieter, die sich durch das neue Gesetz benachteiligt fühlen, bei einem Gang zum Karlsruher Verfassungsgericht "zu unterstützen". Fortsetzung folgt.

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