Neues Mietrecht:Getrübte Freude an der Wohnung

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Der Zeitmietvertrag wird kommen und für Streit sorgen.

Hans-Herbert Holzamer

(SZ vom 31.08.2001) Was kümmert den Vermieter die Kappungsgrenze, wenn er Zeitmietverträge abschließen darf?

Für Inga und Bernd hat es sich gelohnt, am Donnerstagabend unter den Ersten gewesen zu sein, die nach der SZ griffen. Sie fanden eine 85 Quadratmeter große Wohnung in einem eleganten Münchner Viertel, haben auch spontan dem Makler gesagt: "Die nehmen wir."

Doch jetzt haben sie einen Mietvertrag in Händen und viele Fragen. Denn der auf den 1. September datierte Vertrag ist in einigen Punkten anders, als sie es kannten. Plötzlich finden die beiden darin den Hinweis, dass dieser Vertrag befristet ist auf fünf Jahre, weil dann der Vermieter die Wohnung für seinen Sohn Julian nutzen will. Sie, die Mieter, könnten frühestens vier Monate vor Ablauf der Befristung verlangen, dass der Vermieter ihnen mitteilt, ob der Befristungsgrund noch besteht.

Wie sollen sie da reagieren können? Sofort rufen sie den Makler an, dieser nimmt Rücksprache mit dem Vermieter und teilt ihnen zehn Minuten später mit, das sei "nur eine Formsache"; der Mietvertrag sei "im Prinzip" auf unbestimmte Zeit geschlossen. Der Eigentümer wolle nur auf Nummer sicher gehen.

Mieterhöhung nach Belieben

"Sie kennen doch Zeitmietverträge, da können Sie doch sowieso die Fortsetzung verlangen", beruhigt der Makler. Irrtum, Makler. So war das nach dem alten Recht. Jetzt, nach dem 1. September, gibt es nur noch die so genannten "qualifizierten Zeitmietverträge", und das Mietverhältnis endet zum vorgesehenen Zeitpunkt, ohne dass es weiterer Erklärungen bedarf oder der Mieter einen Verlängerungsanspruch oder aus sozialen Gründen einen Schutz hätte.

Streit ohne Ende

Die Befristung ist die Chance für den Vermieter, die ansonsten übermächtige Rechtsstellung des Mieters auszuhebeln. Hat auch nicht jeder Kinder oder Eltern, die er instrumentalisieren kann, zur Not kann er immer angeben, er selbst wolle die Wohnung nutzen.

Neues Mietrecht mit Bauchweh

Der Laie versteht das Mietrecht, das jetzt in 45 Paragrafen des Bürgerlichen Gesetzbuches gepresst ist, nach wie vor nicht, der Vermieter sieht sich bei den Kündigungsfristen und der Mieterhöhung drangsaliert, und der Mieter wird sich tendenziell darauf einstellen müssen, nur noch befristete Mietverträge vorgesetzt zu bekommen.

Mietprozess-Welle bleibt hoch

Und die klassischen Streitpunkte der rund 300000 jährlichen Mietprozesse, vor allem die Mieterhöhung, der Eigenbedarf und die Schönheitsreparatur, fanden keine Erledigung durch das neue Recht.

Daher sehen Experten keinen Beleg für die Aussage der Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin auf dem Verbandstag der Freien Wohnungsunternehmer, mit der Reform würden "einige" der Mietprozesse "überflüssig werden". Das Gegenteil wird der Fall sein. Das neue Gesetz eröffnet Probleme, ohne die alten abgeschlossen zu haben.

Mieter-Fallen

Der Ring Deutscher Makler lehnt den neuen Paragrafen 575 BGB ab, weil das Verlangen einer Begründung für eine Befristung "systemwidrig" sei. Er übersieht dabei freilich - in der Rolle des Lobbyisten für den Vermieter -, dass Gründe dafür nicht mehr schwer zu finden sind.

Und angesichts der neu geschaffenen Möglichkeit langer Fristen ist auch der oft beklagte Missstand, einen Mieter trotz guter Kündigungsgründe nicht mehr aus seiner Wohnung zu bekommen, leichter abzustellen.

Der Investor hat ein Instrument erhalten, den Umgang mit seiner Wohnung nach Belieben zu planen, bis hin zu Mietsteigerungen in der Höhe und in den Abständen, die ihm passen, da er bei neuen Verträgen seine Mietzins-Vorstellungen ohne Rücksicht auf Kappungsgrenzen oder Mietspiegel durchsetzen kann.

Daher hat eher Hartmann Vetter, Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins, Recht, der befürchtet, mit Zeitmietverträgen könne "der Kündigungsschutz unterlaufen werden".

Mieterhöhungen

Auch was zukünftige Mieterhöhungen durch den Vermieter angeht, hält das neue Recht Überraschungen für Inga und Bernd bereit. Bei ihrem Zeitmietvertrag ist kein Erhöhungsvorbehalt erforderlich. Der Vermieter kann erhöhen wie bei einem unbefristeten Mietvertrag.

Für ein Erhöhungsbegehren bleiben zwar Vergleichswohnungen und Sachverständigengutachten als Maßstäbe, doch hinsichtlich des neuen qualifizierten Mietspiegels und einer ebenfalls neu eingeführten Mietdatenbank gibt es Ungereimtheiten und Besonderheiten.

Mietdatenbank

Man kann die qualifizierte Mietdatenbank als verwissenschaftlichte Datenbank verstehen. In letzterer sammeln Gemeinden oder die Interessenvertreter von Vermietern und Mietern gemeinsam Mietpreise zur Ermittlung der aktuellen, ortsüblichen Vergleichsmiete.

Qualifizierter Mietspiegel

Der qualifizierte Mietspiegel hat vor Gericht eine besondere Beweiskraft. Er wird nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von der Gemeinde oder von gemeinsamen Interessenvertretern anerkannt. Gibt es einen solchen Spiegel, müssen seine Angaben im Mieterhöhungsbegehren genannt werden.

Aber die "wissenschaftlichen Grundsätze" eines solchen Spiegels sind unbekannt. Anzunehmen ist, dass die Gemeinden die Wirklichkeit nach ihrem Gutdünken spiegeln wollen. Jedenfalls: Bis diese Mietspiegel flächendeckend vorliegen, wird es dauern, ebenso wie bei der bundesweiten Datenbank, die es bislang nur in Hannover gibt.

Paragraphen-Dschungel

Zudem wird es noch spezielle Rechtsverordnungen geben. Für den Mieter wird es, ebenso wie für den Vermieter, bis dahin völlig unmöglich sein, sich im neuen Mieterhöhungsrecht zurecht zu finden. Und auch Juristen, die fit im Mietrecht sind, hoffen auf Erklärungshilfe durch die Gerichte. Das alte Mieterhöhungsrecht war durch die Rechtsprechung auf solide Füße gestellt worden. Jetzt fängt man von vorne an.

Umwandlung der Wohnung

Heikel wird es für Inga und Bernd, wenn ihre Wohnung, die Bestandteil einer Wohnanlage ist, in Eigentumswohnungen umgewandelt werden sollte und sie ihr Vorkaufsrecht mangels Vermögen nicht geltend machen können. Zwar gilt eine Sperrfrist von drei Jahren für eine Eigenbedarfskündigung, aber sie können in eine vergleichbare Wohnung "verbracht" werden. Was ist vergleichbar? Die Justiz darf sich freuen. Vermutlich wird bis dahin in ihrer Stadt der Schutz auf zehn Jahre erweitert, aber nach fünf Jahren greift ohnehin die Befristung ihres Mietvertrages.

Inga und Bernd sind nicht mehr sicher, ob sie sich über die neue Wohnung freuen sollen. Kein Trost für sie ist, dass sie nur noch eine dreimonatige Kündigungsfrist haben.

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