Neue Technologien:Nie wieder putzen

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Saubere Fenster dank Lotuseffekt, denn der Schmutz perlt einfach ab: Die Nanotechnologie erleichtert die Hausarbeit.

Tilman von Rohden

Dächer, Fenster und Fliesen, die sich selber reinigen. Fassaden, die Strom produzieren. Wandfarben, die Bakterien und schlechte Raumluft bekämpfen. Es klingt wie aus dem Märchenland, was die Nanotechnologie leistet oder zumindest in Aussicht stellt. Diese junge Wissenschaft steht noch ganz am Anfang.

Der "Lotus Effekt": Die selbstreinigende Pflanze dient als Beispiel für technische Innovationen. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) fördert Projekte zu diesem Thema. (Foto: Foto: DBU)

Dennoch können Mieter und Bauherren schon heute einige dieser neuartigen Produkte und Materialien nutzen. Die veränderten Eigenschaften sorgen für Langlebigkeit, Bequemlichkeit oder vielfältigere und verbesserte Anwendungen.

Nanotechnologen interessieren sich für Strukturen von einem bis 100 Nanometer. Ein Nanometer ist ein Milliardstel Meter. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist 50.000 mal dicker. Auf dieser Mikroebene verhalten sich Materialien anders als üblich. Wie diese Prozesse physikalisch zu erklären sind, ist noch nicht endgültig erforscht. Aber das Verständnis reicht, um Nanotechnologie gezielt einzusetzen. Beispielsweise bei neuem Fensterglas, bei dem nur mit Hilfe von Sonnenlicht und Regenwasser die Scheiben sauber gehalten werden.

Die Natur stand Pate für diese Methode, denn die Selbstreinigung der Lotuspflanze zeigt, wie es geht. Der technische Trick beruht auf nanometergroßen Titandioxidpartikeln, die auf der Außenseite des Glases unsichtbar aufgetragen sind. Das Nanomineral zersetzt mit Hilfe von Licht organische Stoffe wie Staub, Fett oder Dreck. Zudem zerfließen Wassertropfen am Titandioxid zu einem hauchdünnen Film, der den zersetzten Dreck mit sich fortreißt. Der Lotuseffekt kann natürlich auch für Fensterprofile genutzt werden - oder für Wintergärten, Balkonbrüstungen, Dachziegel, Lampenschirme oder Fliesen im Bad. Ein Ende der Anwendungsmöglichkeiten ist derzeit nicht abzusehen.

Fliesen profitieren noch in anderer Hinsicht von der Nanotechnologie. Beim Verlegen der Kacheln versprechen Nano-Kleber deutliche Vorteile. Diese Produkte stellen nur geringe Anforderungen an den Untergrund und haften im Vergleich zu konventionellen Klebern besonders stark. Zudem können die verlegten Fliesen selbst nach 30 Minuten noch neu positioniert werden. Andererseits ist ein solcher Fliesenboden schon nach fünf Stunden begehbar. Ob der Begriff "Nano" hier gerechtfertigt ist, ist Ansichtssache, denn solche Kleber enthalten keine Nanopartikel. Doch bildet das in Wasser aufgelöste Pulver während der Aushärtung eine feine Kristallisation in der Größe von zehn bis 100 Nanometer aus.

Auch bei Farben und Lacken kommt Nanotechnologie zum Einsatz. So vernichten spezielle Innenfarben Gerüche oder Schadstoffe in der Raumluft. Organische Verbindungen wie das gefährliche Pentachlorphenol (PCP), das früher in Holzschutzmitteln vorkam, oder Formaldehyd werden chemisch zersetzt. "In einem Wohncontainer wurde die Farbe getestet. Nach einer einzigen Nacht mit der Farbe unterschritt die Menge an Formaldehyd den gesetzlichen Grenzwert", sagt Professor Horst Kisch, Chemiker an der Universität Erlangen-Nürnberg. Andere Innenfarben bekämpfen Pilze, Bakterien und Algen. Selbst Antibiotika-resistente Krankenhauskeime werden vernichtet.

Außenfarben setzen dagegen auf den Lotuseffekt. "Schmutzpartikel können nicht anhaften und werden von den abperlenden Regentropfen einfach mitgerissen. Die Fassade bleibt trocken. Algen und Pilzen wird auf natürliche Weise eine wichtige Lebensgrundlage entzogen", wirbt ein deutscher Farbenhersteller.

Der vielleicht spektakulärste Fortschritt wären nanobasierte Farben und Lacke, die Energie liefern, ähnlich den Sonnenkollektoren. Wobei Lacke den Vorteil bieten, dass so wesentlich größere Flächen am Bau Strom produzieren könnten. Im übrigen finden Sonnenkollektoren derzeit viel Aufmerksamkeit. Es gibt erste Versuche, den Wirkungsgrad der Kollektoren mit Nanotechnologie drastisch zu erhöhen, von zehn auf etwa 50 Prozent. "Der Weg von der Theorie zur Praxis dürfte etwa genau so schwierig sein wie bei der Kernfusion", meint Paul Alivisatos, Chemiker an der University of California. Wenn es klappt, hätten die Industriegesellschaften ihre Energieprobleme möglicherweise gelöst.

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