Laut Georg Ringsgwandl wohnt das Glück ja "droben, in Giesing, an am G'miasstand, an am Straß'neck". Obwohl die Senftlstraße nicht mehr so ganz zu Giesing gehört, sondern eigentlich schon zum Stadtteil Hochau-Haidhausen, wird man auf der Suche nach dem Glück auch hier fündig - aber das weiß der Liedermacher wahrscheinlich nicht, weil die Senftlstraße mit ihren nur neun Hausnummern recht unbekannt ist.
Gemischter Baustil
Eingebettet zwischen Welfenstraße, Franziskanerstraße und Regerplatz, wirkt sie nach außen hin ziemlich verschlafen: Mietshäuser aus allen Jahrzehnten - ein buntes Stilgemisch vom Jahrhundertwendebau bis hin zum pseudoschicken Mehrfamilienhaus der Neunziger - und der Pausenhof der Weiler-Schule.
Dazu etwas Gewerbe, ein paar ältere Damen, die ihre Einkaufswagerl hinter sich herziehen, jede Menge Hundebesitzer, lärmende Schulkinder. Ab und zu eine Polizeistreife, wegen der Falschparker.
Das Glück hält sich bedeckt. Erst, wenn ihre Anwohner zu Wort kommen, wird deutlich, dass die Senftlstraße etwas Besonderes sein muss. Ein "Idyll" sogar, wie einer sagt, der seinen Umzug von Giesing "drüben" hierher beim "Mini-Wirt" feiert. Der kleine Stehausschank ist einer der Treffpunkte in der kleinen Straße.
Wenn sich beim "Mini-Wirt" kein Partner zum "Karteln" findet oder sich partout kein Gespräch entwickeln will, ziehen die Leute um auf die andere Straßenseite. Dort steht das "Senftl-Stüberl". Die Wirtin wohnt selbst in der Senftlstraße und bedient somit ihre Nachbarn. "Wir sind eine gewachsene Gegend", sagt sie. "Wir kennen uns seit 30 Jahren." Das Stüberl ist das Wohnzimmer ihrer Gäste. Wenn die Wirtin eine Besorgung machen muss, stellt sich einfach kurz ein Gast hinter die Theke.
Relativ neu dagegen ist das Kilombo. Mittlerweile allerdings ist es in die Senftlstraßen-Familie vollkommen integriert: Neben dem Szene-Publikum sitzen nun auch viele Senftler, und das Lokal ist ihnen zur Anlaufstelle geworden: Hier werden Schlüssel und Nachrichten hinterlegt, und wenn einem Wirt mal die Butter ausgeht, hilft ihm der andere gerne aus.
Keine Weggucker
Die nachbarschaftliche Atmosphäre und gegenseitige Hilfe ist also das Glück der kleinen Straße. In guten wie in schlechten Zeiten: Als vor einigen Jahren eine Frau vergewaltigt wurde, erzählen die Anwohner, standen binnen kürzester Zeit zwanzig Leute zur Hilfe bereit, um drei Uhr morgens. Mit vereinten Kräften stellte man den Täter. Für eine Großstadt eine recht ungewöhnliche Situation. "Wir klären die Dinge hier eben noch selbst", sagen die Senftler.
So scheint es dem Glück, das ja normalerweise nicht lange an einem Ort verweilt, hier in der Senftlstraße zu gefallen. Genauso gut wie ihren Bewohnern.