München:Wirkungsloser Mietspiegel

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Mieterbeirat wirft Münchner Gericht vor, es missachte die wissenschaftlichen Zahlen.

Thomas Münster

In seiner jüngsten Vollversammlung im Rathaus hat sich der Mieterbeirat der Stadt - keineswegs zum ersten Mal - mit der in München üblichen Anwendung des amtlichen Mietspiegels befasst.

Amtliche Zahlen ohne Beweiskraft

Nicht-Anwendung wäre besser ausgedrückt, denn in München werden als einziger Gemeinde der Bundesrepublik die nach wissenschaftlichen Kriterien erstellten Daten zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmieten nicht als gerichtstaugliche Beweismittel anerkannt.

In München, und nur hier, müssen im Konfliktfall zwischen Mieter und Hausherr kostspielige Sachverständige bestellt werden, statt dass sich die streitenden Parteien auf einen geprüften Kanon des "Ortsüblichen" berufen dürften.

Speziell die 14. Kammer des Landgerichts München I, erste und zugleich oberste Berufungsinstanz in Mietstreitsachen, habe das Vergleichsmaterial "seit Jahren ohne konkrete Angabe von Gründen" nicht als Beweismaterial zugelassen, empörte sich der Beirat.

Wissenschaft versus Recht

Ludwig Fahrmeier, Statistik-Experte an der Ludwig-Maximilians- Universität, die den Mietspiegel "fachlich" betreut, und Andreas Sauer vom Umfrageinstitut Infratest betonten übereinstimmend und mit Nachdruck, dass auch der Münchner Mietspiegel nach "rein wissenschaftlichen Methoden" erarbeitet werde, wie sie in allen anderen Gemeinden der Republik als "beweistauglich" anerkannt würden.

"Da drängt sich doch zwingend der Verdacht auf", so meinte die Anwältin Sabine Malinke, Geschäftsführerin im Mieterverein München, "dass man beim Landgericht München I den Mietspiegel grundsätzlich gar nicht haben will".

Sitzung ohne Vermieter-Seite

Vom Verband der Haus- und Grundbesitzer ist trotz Einladung und Zusage niemand gekommen. Vom aus den unterschiedlichsten Positionen her angegriffenen Landgericht München I ebenfalls niemand, auch nicht der Kammervorsitzende Hans Thomma, dem der Beirat die Missachtung oder das Verwerfen des amtlichen Mietspiegels persönlich zurechnet.

Gemeinden wie Cottbus oder ähnliche mit ihren Plattenbau-Leerständen bräuchten natürlich keinen Mietspiegel, das sei ja auch eine Kostenfrage.

Verbindlichkeit gefordert

Doch Städte wie München benötigten ein als verlässlich, per Bundesgesetz anerkanntes Bewertungsinstrument. Und den Richter, den Vorsitzenden der 14. Kammer am Landgericht, "der immer den Mietspiegel verworfen, aber noch nie einen konstruktiven Verbesserungsvorschlag gemacht" habe, den müsse man, so ergänzte die SPD-Stadträtin Gertraud Walter, "endlich dahin bringen, wo er hingehört, nämlich zur Neutralität".

Angesichts der Lage beschloss der Mieterbeirat zum wiederholten Mal, was er schon seit mehr als einem Jahrzehnt fordert: Oberbürgermeister Christian Ude möge beim Bund ein "verbindliches" Mietspiegelgesetz einfordern.

Neue Art der Messung

In dieses Gesetz sollen - das ist eine ebenfalls nicht neue, aber plausible Forderung - nicht die in den letzten vier Jahren angehobenen Mieten und Neuverträge einfließen, was sich gerade in München ausgesprochen preistreibend auswirkt.

Der Datenbestand solle aus sämtlichen Mietverträgen bezogen werden, "um ein wirkliches Bild der Durchschnittsmiethöhe zu erreichen". Schon früher, berichtete Anwältin Malinke, habe man sämtliche Tarife einbezogen. Unter der schwarz-gelben Koalition seien dann "nur die höchsten" in die Statistik eingeflossen.

Im Gegenzug, sozusagen als eine Art Wiedergutmachung, habe man damals die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen eingeführt, die unlängst von 30 auf 20 Prozent gesenkt wurde. Aber auch solche Mietsprünge, so ergänzte ein Teilnehmer der ungewöhnlich stark besuchten Sitzung, könnten für Kleinverdiener oder Rentner "absolut tödlich" sein.

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