München-Modell:Unerwartete Leerstände

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Die Stadt baut preiswerte Mietwohnungen für Familien - und bleibt darauf sitzen.

Von Bernd Kastner

Stell dir vor, die Stadt verschenkt Geld, und keiner will"s haben. Gewiss, das ist ein wenig zugespitzt, weil man zum Geld noch was dazu nehmen muss - eine Wohnung nämlich - und auch noch selber Geld mitzubringen hat. Unterm Strich aber bleibt die Tatsache: Die Stadt München hat Probleme, ihre geförderten Wohnungen zu vermieten.

170 Wohnungen warten in der Messestadt Riem noch auf Mieter. (Foto: Foto: Bernd Kastner)

Es klingt paradox: Ausgerechnet in jener Stadt, in der die Mieten bundesweit am höchsten sind und die Klagen über Wohnungsnot allgegenwärtig, sind subventionierte Wohnungen nur schleppend zu vermieten. Das "München Modell" ist so etwas wie ein Artenschutzprogramm für Familien. Die nämlich sind hier selten, nur in jedem siebten Haushalt lebt ein Kind. Deshalb will die Stadt vor allem Wohnungen für Familien aus der Mittelschicht günstiger machen: für Menschen also, die zu viel verdienen, um Anspruch auf eine traditionelle Sozialwohnung zu haben, zu wenig aber, um in München sorgenfrei zu leben. Angeboten werden Eigentums- und Mietwohnungen, man darf die Einkommensgrenze für Sozialwohnungen um bis zu 60 Prozent übersteigen. Jeder zweite Münchner Haushalt hätte Anspruch auf solch eine Wohnung.

Theoretisch. Denn in der Messestadt Riem, dem aus den Landebahnen des alten Flughafens gestampften Neubau-Viertel, warten seit Monaten noch rund 170 Wohnungen auf Mieter. Die meisten von ihnen hat die städtische Gesellschaft Gewofag gebaut, so dass die Stadt - indirekt - auch noch Mietausfälle zu verkraften hat. Bei den Ladenhütern handelt es sich um klassische Mietwohnungen, was für die Stadt besonders bitter sein dürfte. Denn ursprünglich war das "München Modell" auf Eigentumswohnungen beschränkt. Erst als man vor vier Jahren merkte, dass diese zögerlich gekauft wurden, weil den meisten Familien offenbar das nötige Eigenkapital fehlt, startete man die Miet-Schiene. Eine "notwendige Kurskorrektur" sei das gewesen, sagt Georg Reisner vom Planungsreferat.

Nun sah sich der Stadtrat erneut zum Gegenlenken genötigt. "Bevor die Wohnungen leer stehen, gehen wir mit der Miete runter", sagt SPD-Stadträtin Gertraud Walter. In der Messestadt kostet ein Quadratmeter statt 9,50 nun 8,70 Euro pro Monat. Damit will man etwa 25 Prozent unter der Marktmiete liegen. Das war vor vier Jahren auch der Ansatz, als man fürs "Modell" eine Spanne von 8,70 bis 10,20 Euro festlegte. Damals musste man auf dem Markt noch bis zu 13,50 Euro zahlen. "Mit den ursprünglichen Mietpreisen haben wir uns geirrt, das müssen wir zugeben", sagt Reisner.

Doch nicht nur der Preis wird als Grund dafür genannt, dass viele Riemer "Modell"-Wohnungen noch leer stehen. Auch die Lage scheint ein Problem zu sein. Wer sich bei der Gewofag um eine Wohnung bewirbt, der nimmt fürs selbe Geld oft lieber eine schmucklose, aber zentral gelegene Altbauwohnung als einen Neubau in einem Retorten-Viertel, in dem noch über Jahre gebaut wird, sagt Gewofag-Chef Gernot Riedl. Auch die direkte U-Bahn-Verbindung ins Zentrum ist für viele offenbar kein Argument. Im Herbst aber dürfte das neue Viertel deutlich attraktiver werden. Dann ist der Landschaftspark der gerade laufenden Bundesgartenschau öffentlich zugänglich, Badesee inklusive.

Auch an einer weiteren Schraube hat die Stadt gedreht, um ihre Wohnungen an die Familien zu bringen. Für alle geförderten Eigentums- und Mietwohnungen wurden die Hürden gesenkt. Bisher musste man fünf Jahre in der Stadt wohnen, ehe man sich bewerben konnte. Nun reicht für Familien mit Kindern bereits ein Jahr. Und dieses muss man auch nicht unbedingt direkt in München verbracht haben, nun genügt ein Wohnsitz irgendwo im Großraum, das sind die Landkreise München, Ebersberg, Freising, Erding, Dachau, Fürstenfeldbruck, Starnberg und Landsberg.

Wer eine "Modell"-Wohnung kauft, muss zwar viel Geld ausgeben - aber doch viel weniger als üblich. Für eine 100-Quadratmeter-Wohnung zahlt man durchschnittlich 50.000 Euro weniger als auf dem freien Markt, in Top-Lagen wie etwa auf der Theresienhöhe können es auch 100.000 Euro werden. Gut 103 Millionen Euro hat sich die Stadt das München Modell seit 1996 kosten lassen. Bislang wurden 2500 subventionierte Wohnungen geplant, 1550 sind bezogen.

Eine Familie mit zwei Kindern darf bis zu 52.000 Euro brutto im Jahr verdienen. Die Einkommensgrenze kann sogar auf knapp 60.000 Euro steigen, wenn die Eltern noch keine 40 Jahre alt und maximal seit fünf Jahren verheiratet sind. Auch noch höhere Einkommen werden akzeptiert, allerdings wird dann die Wohnung um rund 200 Euro pro Quadratmeter teurer.

"Jeder Interessent, der die Einkommensgrenze nicht überschreitet, bekommt auch eine Wohnung", sagt Reisner. "Leider ist das Modell viel zu wenig bekannt." Die Stadt verschenkt Geld, und keiner weiß davon.

© SZ vom 23.7.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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