Morgan Stanley verhandelt mit Wachovia:Der nächste Dominostein fällt

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Gerüchte wirbeln die Aktienkurse durcheinander: Die US-Bank Morgan Stanley will offenbar mit dem Finanzkonzern Wachovia zusammengehen - und bekommt Hilfe aus der Schweiz.

Keine Zeit zum Aufatmen: Die Nervosität an den Märkten ist greifbar, die Finanzwelt spielt verrückt. Alle paar Minuten tauchen neue Gerüchte auf, dass die nächste Bank wanke oder gar schon pleite sei. Vorzugsweise sind es US-amerikanische oder britische Namen, die über die Ticker laufen. Und selbst wenn das Institut bis zu diesem Zeitpunkt gar keine Probleme hatte - spätestens jetzt hat es sie. Nahezu kritiklos schenken die Händler jeglichen Spekulationen Glauben; selbst vollkommen Abwegiges scheint plötzlich denkbar. Zu tief sitzt die Angst vor einem neuen Sturz à la Lehman Brothers.

Aufregung an der Wall Street. Bereits ein kleines Gerücht kann die Märkte durcheinanderbringen. (Foto: Foto: AP)

Mit reinen Fakten ist das Treiben schon längst nicht mehr zu erklären. Das wohl skurrilste Beispiel der vergangenen Stunden ist der Fall der Investmentbank Morgan Stanley. Eigentlich galt das Institut als einer der letzten Felsen in der Brandung einer erodierenden Branche. Am Dienstag noch hatte Morgan Stanley überraschend gute Quartalszahlen gemeldet. Der Gewinn aus dem laufenden Geschäft war lediglich um drei Prozent gesunken. Trotzdem verloren die Aktien am Mittwoch noch dramatisch an Wert. Um 24 Prozent gaben die Papiere nach.

Wachovia und Morgan Stanley bilden Fusionsteams

Nun soll die zweitgrößte US-Investmentbank einem Medienbericht zufolge in "fortgeschrittenen Gesprächen" mit der viertgrößten US-Universalbank Wachovia stecken. Es seien Fusionsteams gebildet und Treffen anberaumt worden, meldete der US-Fernsehsender CNBC am Donnerstag. Gleichzeitig versuche Morgan Stanley weiter, in China Geld aufzutreiben. Am Morgen hatte CNBC bereits die britische Bank HSBC sowie die chinesische Finanzgruppe CITIC als mögliche Käufer in den Ring geworfen. Die New York Times schrieb am Nachmittag, dass die Citigroup am Dienstag ein Fusionsansinnen Morgan Stanleys abgelehnt habe.

US-Börsenaufsicht reagiert

Morgan Stanley macht nun kurzfristig orientierte Spekulanten für den Kurseinbruch verantwortlich. "Wir stecken mitten in einem Markt, der von Angst und Gerüchten geprägt ist", erklärte Vorstandschef John Mack in einem in der Nacht zu Donnerstag bekanntgewordenen internen Schreiben. "Investoren, die mit ungedeckten Leerverkäufen auf Kursverluste setzen, treiben derzeit unsere Aktien herunter." Solche sogenannte Short Seller verkaufen mehr Aktien als sie besitzen. Sie hoffen dabei darauf, dass sie sich später zu niedrigeren Preisen eindecken können, wenn sie das Geschäft dann tatsächlich abschließen.

Prompt reagierte auch die US-Börsenaufsicht. Die SEC will diesem Spiel ein Ende machen und kündigte an, die Regeln für Spekulanten wie etwa Hedgefonds zu verschärfen, um Missbräuche zu verhindern. Ab Donnerstag müssen Verkäufer und Broker unter anderem mit dem Abwicklungstermin - drei Tage nach der Kaufvereinbarung - die verkauften Aktien tatsächlich vorlegen. Ansonsten drohen Strafen. "Die neuen Regeln machen sehr deutlich, dass die SEC null Toleranz für den Missbrauch von Leerverkäufen hat", sagte Aufsichtschef Christopher Cox.

Notenbanken pumpen Geld ins System

Nun eilt die Schweizer UBS-Bank den US-Konkurrenten von Morgan Stanley zu Hilfe. "Stoppt den Wahnsinn", lautet der Titel einer UBS-Analystenstudie zu den jüngsten Kursverlusten in den USA. Morgan Stanley und Goldman Sachs hätten eine starke Kapital- und Liquiditätsposition, erklärten die UBS-Experten. Zudem hätten beide ihre Risikopapiere deutlich reduziert und die Refinanzierung über Monate gesichert. Es gehe letztlich um das richtige Risikomanagement, betonte die Schweizer Großbank. Eine erzwungene Fusion mit einer größeren Bank sei nicht die geeignete Lösung. Morgan Stanley hat kürzlich Finanzkreisen zufolge unter anderem mit der US-Bank Wachovia über einen Zusammenschluss gesprochen.

Auch die Notenbanken stemmen sich gegen die Finanzkrise - mit viel Geld. In einer gemeinsamen Aktion gehen sie gegen die Krise an den Finanzmärkten vor. Ziel der abgestimmten Maßnahmen sei der Markt für kurzfristige liquide Mittel in US-Dollar, teilten die Notenbanken mit. Beteiligt an der Aktion sind die US-Notenbank mit 180 Milliarden Dollar, die Europäische Zentralbank mit 28 Milliarden und die britische Notenbank stellt 40 Milliarden Dollar zur Verfügung. Außerdem sind die Zentralbanken Japans, Kanadas und der Schweiz beteiligt.

Der Psychokrieg betrifft unterdessen auch deutsche Finanzkonzerne. So kursierte am Donnerstag kurzzeitig das Gerücht, die Übernahme der Allianz-Tochter Dresdner Bank durch die Commerzbank könne platzen. Binnen Minuten verloren die Aktien der Akteure jeweils mehr als sechs Prozent - Milliarden an Börsenwert wurden vernichtet. Selbst nach dem klaren Dementi beider Seiten - "der Plan steht unverändert" - lagen die Papiere noch merklich im Minus.

© sueddeutsche.de/dpa-AFX/Reuters/tob/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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